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Preisdruck auf Bauern

Von Brigitte Pechar

Wirtschaft

Jeder Österreicher verspeist im Jahr 49,5 Kilogramm Erdäpfel.


Wien. Was fällt Ihnen zu "Sieglinde" ein? - Richtig, Erdäpfel. Sieglinde war die Erdäpfelsorte in Österreich, ist derzeit aber kaum noch auf dem Markt vertreten. Und das liegt nicht am Ablauf des Sortenschutzes der seit 1935 am Markt befindlichen Kartoffel, sondern schlicht daran, dass sie durch eine "bessere", Sigma, abgelöst wurde. Das bestätigten der "Wiener Zeitung" sowohl Vertreter der Bauern als auch Landwirtschaftspolitiker sowie Vertreter von Global 2000 und der Arche Noah. Nichts also mit Geschäftemacherei zulasten von Bauern und Konsumenten.

Und auch von Preisabsprachen wie in Deutschland weiß man in Österreich nichts. Ferdinand Lembacher, Pflanzenbaudirektor der Landwirtschaftskammer Niederösterreich, sieht keine Gefahr, dass es hierzulande zu Kartellbildungen gekommen sein könnte. "Es würde mich sehr wundern, wenn es in Österreich einen ähnlichen Fall gäbe."

Tatsächlich teilen sich in Österreich die industrielle Verarbeitung der Kartoffel (Chips, Pommes Frites) drei Fabriken: Kelly‘s in Wien, Frisch und Frost in Hollabrunn (Niederösterreich) und 11er in Frastanz (Vorarlberg). Speisekartoffeln werden von einer großen Anzahl privater oder genossenschaftlicher Betriebe bei den Bauern gekauft und an die Märkte, Lebensmittelketten und den Einzelhandel vertrieben.

Die Kartoffelstärkeproduktion ist ohnehin bei einem Unternehmen konzentriert, beim Gmünder Werk der Agrana im Waldviertel.

Die hohe Konzentration der Unternehmen auf Niederösterreich - inklusive Wien - ergibt sich daraus, dass 80 Prozent der heimischen Produktion in Niederösterreich geerntet wird.

Beim Ankauf der Kartoffeln für die Stärkeproduktion bestehe gar keine Notwendigkeit zur Preisabsprache, weil Agrana der einzige Käufer sei, sagt Lembacher. Die Bauern könnten sich entscheiden, einen Vertrag mit der Agrana zu bestimmten Bedingungen abzuschließen oder nicht. Dennoch sieht Lembacher auch Agrana unter einem wachsenden Wettbewerb, der vom internationalen Markt komme und an die Bauern weitergegeben werde. Auch bei den Speise- und Industriekartoffeln sieht Lemberger seit dem Beitritt zur Europäischen Union einen wachsenden Preisdruck auf die Bauern. Um sich ein Bild zu machen: Industrieunternehmen zahlen pro 11 Kilogramm Erdäpfel etwa 11 bis 15 Euro.

Während der Napoleonischen Kriege und auch während der beiden Weltkriege waren Erdäpfel in Österreich ein Grundnahrungsmittel. Aber die Beilagenvielfalt ist groß, hierzulande werden gerne auch Nockerl, Knödel, Nudeln oder Reis zu Fleisch und Fisch serviert. 49,5 Kilogramm Erdäpfel werden im Jahr pro Kopf verzehrt, weist die Statistik Austria aus.

816 Tonnen wurden im abgelaufenen Jahr geerntet. Beliebteste Kartoffelsorte in Österreich ist die Ditta, daneben gibt es Sigma, Bintje, Belana, Tosca, Kipfler, Violetta und viele andere mehr. Und auch wenn bestimmte Sorten auslaufen, kann jeder sie zum Eigengebrauch säen. Kartoffeln, die als Saatgut verwendet werden, sollten aber schon im September eingelagert werden, um sie im April auszubringen. Denn die Speisekartoffeln haben einen Schutz gegen das Austreiben (alle grünen Teile dieses Nachtschattengewächses sind giftig). Im August/September kann man dann die eigenen Heurigen genießen.