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Kommt das Handy-Zocken?

Von Clemens Neuhold und Bettina Figl

Wirtschaft

Glücksspielriese braucht Erlaubnis der Politik, die muss Suchtgefahr beachten.


Wien. Die Zeit der muffigen Automatenbuden geht langsam zu Ende: In Wien sind sie ab 2015 verboten, in anderen Bundesländern kommen stattdessen Spielsalons. Der Glücksspielriese Novomatic will eine ganz neue Ära einleiten und den einarmigen Banditen aufs Smartphone bringen. "Ein Teil unserer Kunden würde von offline zu online switchen", sagt Vorstandschef Franz Wohlfahrt. Er hofft außerdem auf neue Spieler der Altersgruppe 20 bis 35, "die quasi schon mit den digitalen Technologien aufwuchsen". Technisch wäre Novomatic 2014 startklar; für die rechtlichen Voraussetzungen wird der politisch bestens vernetzte und als Sponsor der Hochkultur begehrte Konzern noch massiv lobbyieren müssen.

Im staatlich regulierten Glücksspielmarkt fehlt Novomatic für den Online-Markt eine Lizenz; nur die Lotterien dürfen mobiles Glückspiel um Geld anbieten (win2day). Doch Wohlfahrt hofft auf eine Gesetzesnovelle in Österreich nach der nächsten Wahl.

Mit Tochterfirmen in ganz Europa ist Brüssel freilich noch viel wichtiger für Novomatic. Dort entscheidet sich, ob es eine EU-Richtlinie auch für den Online-Markt geben wird, die entsprechende Geschäfte ermöglicht.

Die Politik muss neben steuerlichen Fragen (Glücksspiel füllt die Staatskasse) auch die soziale Dimension und das steigende Problem der Spielsucht berücksichtigen. Zuletzt wies der von Wien angeführte Städtebund mit einer "Resolution gegen das Glücksspiel" darauf hin, dass schon mehr Beschaffungskriminalität durch Glücksspiel als durch Drogen begründet sei und forderte unter anderem ein Verbot des Online-Gamings.

Spielerkarte als Schutz?

Der in der SPÖ fürs Glücksspiel zuständige Abgeordnete Jan Krainer wünscht sich statt eines Verbots eine Spielerkarte, die für alle Arten des Glücksspiels gilt, Altersgrenzen und Limits für Maximal-Einsätze pro Spiel und Woche festsetzt. Die Machbarkeit so einer Karte werde im Finanzministerium geprüft, sagt Krainer.

Auch Wohlfahrt spricht sich für einen regulierten Spielermarkt aus und kann sich eine Spielerkarte - unter Zusammenarbeit mit Kreditkartenunternehmen oder Banken - vorstellen. "Online lässt sich technisch leichter regulieren als normales Spiel."

Izabela Horodecki leitet das Wiener Therapiezentrum "AS" für Glücksspielabhängige. Prinzipiell sei das Problem der Suchtgefahr online und offline vergleichbar, so die Psychologin Horodecki, "aber die zusätzliche Gefahr im Internet ist, dass der Bezug zur Realität verloren geht".

Personalia

Bei der deutschen Novomatic-Tochter, Löwen Entertainment, sind zwei (sozialdemokratische) Aufsichtsratsmitglieder im Boot: Günter Verheugen, der ehemalige EU-Erweiterungskommissar und Ex-Bundeskanzler Alfred Gusenbauer. Sie sollen Novomatic "mit ihren Netzwerken bestmöglich unterstützen", sagt Vorstandsvorsitzender Franz Wohlfahrt.

Als Europa-Direktor des Investmentfonds "Equitas European Funds" wirkte Gusenbauer schon zuvor an der Novomatic-Expansion in Chile mit. Mit dem Novomatic-Aufsichtsrat wird die erstaunlich schnell expandierende Ich-AG Gusenbauers immer größer. Er ist Vorsitzender der Familienstiftung des Bauunternehmers Hans Peter Haselsteiner (Strabag) und sitzt auch im Strabag-Aufsichtsrat. Darüber hinaus ist er Beiratsvorsitzender bei Signa, dem Immobilienimperium von René Benko (bei dem Haselsteiner jüngst mit fünf Prozent einstieg). Miteigentümer ist Gusenbauer bei der Investorengruppe Cudos, die zuletzt den maroden Waldviertler Textilhersteller Backhausen übernahm. Für Aufsehen sorgte seine Beratungstätigkeit für Kasachstans autoritären Staatschef Nursultan Nasarbajew.