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"Die Lehrlingsausbildung ist Schnee von vorgestern"

Von Rosa Eder-Kornfeld und Sophia Freynschlag

Wirtschaft
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Ergänzen sich gut als Interessensvertreter der Hotellerie: die Wienerin Michaela Reitterer und der Vorarlberger Gregor Hoch.
© M. Hetzmannseder

Lehrlinge, Steuern, Online-Vertrieb: ein Anliegen des neuen Präsidentenduos der Hoteliervereinigung.


Wien. Generationenwechsel an der Spitze der Österreichischen Hoteliervereinigung (ÖHV): Die Wienerin Michaela Reitterer und der Vorarlberger Gregor Hoch stehen seit Jänner gemeinsam an der Spitze der Interessenvertretung der führenden Hotelbetriebe Österreichs. Mit der "Wiener Zeitung" sprachen sie über die Notwendigkeit einer Ausbildungsreform im Tourismus und die Übermacht der Buchungsplattformen.

"Wiener Zeitung":In Ihrem Job sieht man viele Top-Hotels. Wo haben Sie sich als Gast bisher am wohlsten gefühlt? Was macht für Sie ein gutes Hotel aus?Michaela Reitterer: Unglaublich schön war das Aman Resort auf Bali, das liegt mitten in den Reisfeldern.

Gregor Hoch: Das Ritz Carlton in Hongkong hat mir sehr gut gefallen. Mir gefällt der Slogan, den die Ritz-Carlton-Kette für ihre Mitarbeiter hat: "We are ladies and gentlemen serving ladies and gentlemen." Natürlich muss die Hardware funktionieren und das Zimmer sauber sein. Aber im Prinzip ist das ernsthafte Interesse jedes einzelnen Mitarbeiters am Gast das, was für mich ein gutes Hotel ausmacht.

Sie kommen gerade von einem Termin mit Sozialminister Hundstorfer. Worum ging es?Reitterer: Um Ausbildungsfragen. Die Lehrlingsausbildung im Tourismus ist gefühlte 50 Jahre alt und muss reformiert werden. Wir haben einen Fachkräftemangel, weil die Ausbildung Schnee von vorgestern ist. Es gibt derzeit eine Koch- oder eine Kellner-Lehre oder kombiniert Koch/
Kellner. Und dann gibt es den sogenannten HGA, den Hotel- und Gastgewerbeassistenten. Doch gerade diese Mitarbeiter müssen heute viel mehr können, als Zimmerschlüssel austeilen und Rechnungen ausdrucken. Rezeptionisten müssen mittlerweile auch den Verkauf via Internet und die Social-Media-Plattformen betreuen, sie machen die ganzen Reservierungsbestätigungen und beantworten unter Zeitdruck E-Mails.

Es gibt schon seit Jahren in der Branche Bestrebungen, den Beruf des Zimmermädchens mit einer Lehre aufzuwerten. Böse Zungen behaupten, es gehe dabei hauptsächlich um billige Arbeitskräfte.Reitterer: Das stimmt nicht. Housekeeping ist eine anspruchsvolle Tätigkeit. Ich habe zum Beispiel bei mir im Hotel eine großartige Hausdame, die liebt diesen Beruf. Sie testet Reinigungsmittel, kümmert sich um die Einhaltung der Hygienestandards und den Einkauf, macht Verbrauchsanalysen. Auch Mitarbeiterführung und -motivation ist ein Thema. Sie macht zum Beispiel mit den Stubenmädchen in der Früh einen Deutschkurs.

Wie soll die neue Lehrlingsausbildung aussehen?Reitterer: Wir wünschen uns ein Grundmodul als Basis für alle, die in einem Hotel arbeiten. Neben einem Schwerpunkt auf Sprachen sollen die jungen Leute auch lernen, wie man sich ausdrückt und wie man sich gibt. Das muss man ihnen teilweise noch beibringen. Dann soll es Spezifizierungen geben: Koch, Kellner, Rezeption oder Housekeeping. Zum Abschluss kommt ein Modul, das wieder für alle gleich ist. Auch Rechnen müssen alle können.

Wie passt es zusammen, dass es tausende Arbeitslose im Tourismus gibt, Sie aber andererseits händeringend Mitarbeiter suchen?Hoch: Das erklärt sich dadurch, dass auch Dreher oder Bankangestellte, die ihren Job verlieren und eine Saison in einem Tourismusbetrieb arbeiten, als Arbeitslose dann dem Tourismus zugeordnet werden, obwohl sie eigentlich in einer anderen Branche Arbeit suchen. Wenige Branchen haben in den vergangenen Jahren in Österreich so viele Arbeitsplätze geschaffen wie der Tourismus. Seit 2008 gibt es hier um 10,5 Prozent mehr Stellen. In der Industrie, bei IT-Unternehmen und Banken sind Jobs verloren gegangen.

Wie stehen Sie zu Buchungsplattformen im Internet?Reitterer: Wir werden die Geister nicht los, die wir selbst gerufen haben. Vor vielen Jahren haben alle Hoteliers die Buchungsplattformen als Vertriebsschiene begrüßt. Was wir aber übersehen haben, und das sage ich sehr wohl mit einer Portion Selbstkritik, ist, dass wir den Buchungsportalen damit eine Macht in die Hand gespielt haben, die sie natürlich ausnutzen. Die Hoteliers zahlen je nach Plattform 15 bis 25 Prozent Provision, sie verlangen, dass wir alle Zimmer über die Buchungsportale anbieten, dass wir Stornierungen bis 18 Uhr am Anreisetag akzeptieren. Nicht jedes Hotel kann dann diese Zimmer noch verkaufen.

Was raten Sie den Hotelbetreibern?Reitterer: Die Hoteliers sollten umdenken und ihren Vertrieb auf eigene Beine stellen. Sie sollten mehr in die Vermarktung ihrer eigenen Seite im Internet investieren und überlegen, nach welchen Suchwörtern die Gäste im Internet suchen. Wir bieten dazu auch Seminare zu den Themen Online-Vertrieb und Social Media an.

Wir arbeiten auch daran, dass auf der Website der Österreich Werbung direkt zu den Hotels und nicht auf eine Hotelsuchmaschine oder ein Buchungsportal verlinkt wird. Damit könnte man dem Schnäppchen-Tourismus in Österreich ein Schnippchen schlagen.

Die Zahl der Übernachtungen steigt. In der Wintersaison 2012/
2013 gab es bisher einen Zuwachs um 5 Prozent auf rekordmäßige 59,9 Millionen Nächtigungen. Wie entwickeln sich die Zimmerpreise?Reitterer: Die Zimmerpreise sind im Keller. In Wien haben wir in der 4- und 5-Stern-Hotellerie das Niveau aus dem Jahr 2007 noch nicht wieder erreicht, die Kosten sind aber um 30 Prozent gestiegen. Wir fordern eine Lohnnebenkostensenkung, das würde auch die Kaufkraft steigern.

Welche Herausforderungen kommen neben dem Fachkräftemangel noch auf die Hoteliers zu?Hoch: Wir sehen mehrere Dinge als Gespenster am Horizont heraufziehen: zum einen die Vermögenssteuer auf betriebliches Vermögen, zum anderen die Erhöhung der Mehrwertsteuer auf Logis. Neue Steuern wären der Todesstoß für die Branche.

Wir befürchten auch, dass mit den geplanten strengeren Eigenkapitalvorschriften im Zuge von Basel III die Aufnahme von Krediten für die Unternehmen teurer wird.

60 Jahre ÖHV

Zu den Personen

Die Österreichische Hoteliervereinigung (ÖHV) entstand 1953 als Nachfolgeorganisation der Vereinigung Wiener Hotelbesitzer beziehungsweise als Umbildung der Vereinigung österreichischer Hoteliers. Gründerpräsident war Leopold Nedomansky, Eigentümer des Hotels Erzherzog Rainer in Wien. Im Rahmen der 50-Jahr-Feier wurde 2003 erstmals ein Präsidenten-Duo - Peter Peer und Sepp Schellhorn - an die Spitze gewählt, das im Jänner 2013 von Michaela Reitterer und Gregor Hoch abgelöst wurde. Erstmals seit den 1960er Jahren steht wieder eine Frau in der ersten Reihe: Die bisher einzige Präsidentin war Harriet Gräfin Walderdorff vom Hotel Goldener Hirsch (1963 bis 1964).

Die Geschäfte der ÖHV führt seit 2004 Generalsekretär Thomas Reisenzahn. Die Organisation vertritt rund 1200 Mitgliedsbetriebe, die insgesamt über rund 152.000 Betten verfügen und 40.000 Mitarbeiter beschäftigen.

Michaela Reitterer (49) führte nach der Matura an den Tourismusschulen Modul ihr eigenes Reisebüro. Im Jahr 2002 kaufte sie ihren Eltern das Hotel Zur Stadthalle ab und wandelte es zum Boutiquehotel Stadthalle Wien um, dem weltweit ersten Stadthotel mit Null-Energie-Bilanz. Seitdem wurde das 3-Sterne-Haus mehrfach national und international ausgezeichnet. Die Absolventin der ÖHV-Unternehmerakademie war seit 2006 Vorsitzende der ÖHV Wien.

Gregor Hoch (35) sammelte nach dem Studium der Internationalen Betriebswirtschaft in Wien im Marriott in Hong Kong Erfahrung in der internationalen Konzernhotellerie. Anschließend arbeitete er in der Österreichischen Hotel- und Tourismusbank in den Bereichen Controlling, Kreditvergabe und Restrukturierung. 2004 übernahm er von seinen Eltern das 4-Sterne-Superior-Hotel Sonnenburg in Oberlech. Ab 2009 war Hoch Vorsitzender der ÖHV Vorarlberg.