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Vormarsch der Tank-Diskonter

Von Herbert Hutar

Wirtschaft

Mittelständler haben bereits einen Marktanteil von bis zu 50 Prozent.


Wien. Noch vor wenigen Jahren hießen die Billigtankstellen Diskonter und wurden von den großen Ölfirmen erbittert bekämpft: Mit massiver Werbung für Qualitätskraftstoff, wegen angeblich unlauteren Wettbewerbs wurden Juristen bemüht, selbst Gerüchte über mangelnde Qualität von Benzin oder Diesel machten die Runde. Heute ist alles anders: Die ehemaligen Diskonter haben sich zu mittelständischen Unternehmen gemausert, pflegen ihre eigenen Marken und haben in den ihren Marktanteil von 10 auf bis zu 50 Prozent hinaufgeschraubt.

Nach wie vor größter Tankstellenbetreiber in Österreich ist mit 374 Stationen BP. Wobei nicht überall BP drin ist, wo BP draufsteht: Rund 60 BP-Stationen werden von einer der großen mittelständischen österreichischen Ölfirmen betrieben, von der Doppler Gruppe mit Sitz in Wels. Die wichtigste Marke der Doppler-Gruppe jedoch ist Turmöl, eine Marke mit einer bewegten Geschichte: Nach dem Krieg im Besitz der Kommunistischen Partei Österreichs, landete sie nach heftigen Turbulenzen um die Eigentumsrechte schließlich 2003 bei Doppler, wo sie seither als "Edeldiskontmarke" gepflegt wird.

Einer der drei Geschäftsführer ist Bernd Zierhut, früher Chef von BP Austria, der sich aus familiären Gründen entschlossen hat, in Österreich bei Doppler anzuheuern. Bei Doppler werden die BP-Stationen ständig reduziert und auf Turmöl umgerüstet, "partnerschaftlich und aufgrund von Jahresverträgen", wie Zierhut betont. Die einst spartanisch eingerichteten Diskonttankstellen wurden und werden - wie die "alten" Markentankstellen - mit Spar-Express-Supermärkten, Post- und Bankstellen ausgestattet, wobei Turmöl in alter Diskonter-Tradition das Preisargument in den Vordergrund rückt.

Auf der anderen Seite des Spektrums sind die reinen Automatentankstellen im Vormarsch. Sie sind in Österreich relativ spät gekommen, weil von der Behörde aus Sicherheitsgründen eine ständige Überwachung vorgeschrieben ist. "Das passiert jetzt durch Videoüberwachung", sagt Alexander Piekniczek, Geschäftsführer des Tankstellen-Fachverbandes in der Wirtschaftskammer, "die Beobachtung ist an eine Sicherheitsfirma ausgelagert, da sitzt einer vor vielen Bildschirmen und schaut, ob bei einer Tankstelle etwas passiert".

Das Auseinanderfallen der Tankstellenlandschaft in die beiden Bereiche, nämlich die Kombination mit Supermarkt, Post- und Bankdienstleistungen einerseits und in reine Automatentankstellen andererseits, gilt als maßgebender Trend. Rund 30 Prozent der Kunden tanken derzeit an Automaten, schätzt Doppler-Geschäftsführer Bernd Zierhut.

Auslaufmodell Tankwart

Den Umbau des Tankstellennetzes in diese Richtung hat die OMV so gut wie abgeschlossen, sagt Alois Wach, Tankstellenchef für Österreich und Deutschland. "Wir haben die Marke Avanti für Automatentankstellen reserviert, da streben wir regional den niedrigsten Preis an", so Wach. Die OMV-Markentankstellen stehen am oberen Ende des Spektrums mit Premium-Treibstoffen, den Viva-Märkten, den Angeboten der Erste Bank und dem Paketdienst der Post. Und generell: "Als integrierter Ölkonzern werden wir uns aus dem Tankstellengeschäft nicht weiter zurückziehen, wir möchten mit rund 360 Stationen stabil bleiben", so Wach, und "wir möchten der größte Kunde unserer eigenen Raffinerie bleiben."

Was bei dem nachhaltigen Umbau der österreichischen Tankstellen auf der Strecke bleibt, sind die Dienstleistungen rund ums Auto, der Tankwart ist ein Auslaufmodell. Bernd Zierhut meint: "Luft nachschauen, Ölstand prüfen, Scheiben waschen, das sind Dienstleistungen von gestern. Der Kunde hat entschieden, dass ihm die Wurstsemmel an der Tankstelle lieber ist und er die Luft selber kontrolliert." OMV-Manager Wach zieht daraus die Konsequenz für die Qualifikation der Tankstellenbetreiber: "Früher waren es Kfz-Mechaniker, heute kommen sie eher aus dem Handel, nützlich ist eine kaufmännische Ausbildung. Am Auto selbst können wir bei der immer komplexer werdenden Technik eigentlich nichts mehr selber tun, nicht einmal mehr Lampen wechseln", bekennt der gelernte Maschinenbauer und verweist auf die Werkstatt oder den Automobilklub.

Die Markenlandschaft in Österreich hat sich grundlegend geändert. Große US-Marken wie Mobil oder Esso sind verschwunden. Neben BP, OMV, Shell, Jet oder ENI werden knapp 20 kleinere Marken gezählt, neben Doppler tummeln sich noch knapp 10 mittelständische Tankstellenbetreiber am österreichischen Markt. Den Rückzug der großen internationalen Ölkonzerne - von den Amerikanern ist nur mehr ConocoPhillips mit der Marke Jet auf dem österreichischen Markt - und das Nachstoßen der heimischen Mittelständler begründet Doppler-Manager Zierhut so: Von den großen Geschäftsbereichen wie Ölförderung, Raffinerie und Tankstellengeschäft werfen die Tankstellen den geringsten Gewinn ab. Mengenwachstum sehen die großen Konzerne kaum mehr. Tatsächlich stagniert in Österreich der Treibstoffbedarf bei knapp 10 Milliarden Litern im Jahr, mit leicht sinkender Tendenz. Und in Österreich kommt noch der Spritpreiskorridor mit der Preisregulierung untertags und vor langen Wochenenden dazu, Regulative, die von den Konzernen nicht geschätzt werden.

Ungeliebter Preiskorridor

Der Spritpreiskorridor hat sich eingespielt, viel bringt er - nach Ansicht der Mineralölwirtschaft - nicht. Alexander Piekniczek in der Wirtschaftskammer zum Ablauf: "Um 12 Uhr geht der Preis einmal ganz saftig hinauf, dann schaut man, was die andern machen. Das bewirkt zwischen 11 und 12 einen richtigen Boom an der Tankstelle, zwischen 12 und 2 ist fast nichts los. Ähnlich wie beim Preiskorridor zu den Wochenenden, da werden die Preise eben entsprechend vorher erhöht." Auch die Spritpreisdatenbank werde nur von schätzungsweise sieben Prozent der Tankkunden genützt. Piekniczek: "Viel Aufwand, aber wenig Effekt."