Wien. Schlussakkord einer der längsten Energieinfrastruktur-Opern Europas: Die offizielle Bekanntgabe der Entscheidung, wer das heiß begehrte Gas aus dem riesigen Offshore-Feld Shah Deniz II vor Aserbaidschan bekommt, war zwar erst für Freitag angesetzt. Schon am Mittwoch sah sich die OMV zu der ad hoc-Meldung gezwungen: Das OMV-geführte Pipelineprojekt "Nabucco" geht leer aus. Damit fällt für Nabucco - von den fünf Gründungspartnern nach einem Besuch der Verdi-Oper in Wien so getauft - nach elf Jahren mit vielen Rückschlägen der letzte Vorhang - denn ohne das Gas aus dem Kaspischen Meer ist auch das zuletzt schon auf die nur mehr 1300 Kilometer lange und knapp vier Milliarden Euro teure Kurzvariante "Nabucco West" ab der türkisch-bulgarischen Grenze gestutzte Milliardenprojekt nicht wirtschaftlich zu betreiben.

Zwei Projekte waren in der Endausscheidung um das Gas aus dem Kaspischen Meer, das Europa unabhängiger von russischen Lieferungen machen sollte: Die Transadriatische Pipeline (TAP) sowie das "Nabucco"-Projekt, das ursprünglich sogar über 3300 Kilometer bis an die türkisch-georgische Grenze führen sollte.

Experte: "Ein bitterer Tag für die OMV"


Die TAP, die über Griechenland nach Italien führt, ist nur knapp 900 Kilometer lang - und somit auch billiger. Es wird erwartet, dass TAP am Freitag offiziell den Zuschlag erhält. OMV-Generaldirektor Gerhard Roiss nahm die Entscheidung des Shah-Deniz-II-Konsortiums "mit Bedauern zur Kenntnis" - überrascht sei er aber nicht, ließ er durchblicken. Bei den Aktionäre kam die Entscheidung gut an - wohl, weil sich der Konzern hohe Investitionen erspart: Die OMV-Aktie legte in Wien um 2,1 Prozent zu.

"Für die OMV ist das heute sicherlich ein bitterer Tag", sagte hingegen der Energieexperte Gerhard Mangott von der UNI Innsbruck im Gespräch mit der "Wiener Zeitung". Lagen vor einem Jahr die Chancen auf den Zuschlag noch bei 50:50, so hätte die TAP zuletzt Boden gutgemacht. Für sie sprachen laut Mangott nicht nur die geringeren Baukosten. Ihr geografischer Verlauf würde es auch ermöglichen, gänzlich neue Märkte zu erschließen: "Die Pläne, an der Ostküste der Adria eine Abzweigung zu legen und Montenegro, Albanien, vielleicht auch den Kosovo und vor allem Bosnien-Herzegowina und Kroatien mit Gas zu versorgen, sind weit fortgeschritten."