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Auf Pleite droht Teuerung

Von Sophia Freynschlag und Simon Rosner

Wirtschaft

Bis Ende Juli braucht die insolvente Drogeriekette 40 Millionen Euro, sonst ist Schluss.


Linz/Wien. Erst am Donnerstag hatte die Arbeiterkammer ihren alljährlichen Preisvergleich mit den 40 günstigsten Waren für den täglichen Bedarf, also Lebens-, Toilett- und Reinigungsmittel präsentiert. Der Sukkus: Der Warenkorb verteuerte sich um 8,2 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Vor allem Lebensmittel stellten sich als Preistreiber heraus, während die untersuchten Drogerieartikel mit einer Ausnahme (Seife) preislich stagnierten oder gar günstiger wurden.

Doch was passiert, wenn nur mehr Bipa und "dm" als große Drogeriemärkte in Österreich übrig bleiben? Zwar darf die insolvente Kette Dayli vorerst - mit deutlich weniger Filialen und Mitarbeitern - fortgeführt werden, doch ohne Investor ist aber Ende Juli Schluss.

Sollte Dayli tatsächlich liquidiert werden, würde sich die Konzentration im ohnehin bereits verdichteten Drogeriemarkt weiter erhöhen, schon zuvor hatten Bipa und "dm" gemeinsam mit Dayli-Vorgänger Schlecker einen Marktanteil von 80 Prozent. "Jeder Teilnehmer, der wegfällt, ist problematisch", sagt Ulrike Ginner, Expertin für Wettbewerbsrecht der Arbeiterkammer. Auch in Deutschland haben "dm" und Rossmann stark vom Aus des einstigen Branchenprimus Schlecker profitiert.

1261 verlieren den Job

Im Fall von Dayli gibt es noch Hoffnung, auch wenn diese eher klein ist. Die Masseverwaltung hat am Freitag beantragt, dass 355 Filialen geschlossen werden - eingerechnet sind hier 103 Standorte, die der ehemalige Eigentümer Rudolf Haberleitner im Juni zusperren wollte. 1261 überwiegend weibliche Beschäftigte verlieren dadurch ihren Arbeitsplatz. Für sie stehen Insolvenzstiftungen bereit, außerdem haben Banken zugesagt, keine Zinsen für eine Kontoüberziehung zu berechnen.

Bisher kein Investor in Sicht

Dem neuen Eigentümer Martin Zieger bleibt wenig Zeit, einen Investor für die 522 Filialen, das Lager in Pöchlarn und die Zentrale in Pucking zu finden. Seit Donnerstag soll eine "Minus 40 Prozent"-Aktion Geld in die Kassen spülen, die Regale sind allerdings bereits seit Wochen nur spärlich gefüllt. Bei einem Lokalaugenschein der "Wiener Zeitung" in einer Filiale in der Leopoldstadt schien immerhin die Rabattaktion anzukommen, ein Ansturm ist allerdings auch etwas anderes.

Für die Fortführung des Unternehmens seien Investitionen von 40 Millionen Euro notwendig, erklärte Zieger. Kolportierte Geldgeber wie der Schweizer Milliardär Phillip Gaydoul haben abgewunken, und auch das Interesse der Mitbewerber an einer Übernahme von Dayli-Filialen hält sich in Grenzen. Nur ein Drittel der zuletzt 783 Standorte ist laut Standortberater Regioplan für den Einzelhandel attraktiv.

Schrumpft Dayli und gewinnen Mitbewerber Marktanteile, prüfen die Wettbewerbshüter aber nicht automatisch. Aktiv wird die Bundeswettbewerbsbehörde (BWB) erst, wenn Teile von Dayli verkauft werden. Ginner fordert, dass auch ohne Zusammenschluss die Behörde die Augen auf die verbliebenen Ketten richten möge. Denn wo die Konzentration hoch ist, ist der Missbrauch einer beherrschenden Stellung oft nicht weit. Diese könne sowohl zum Nachteil der Konsumenten ausgenützt werden, etwa durch höhere Preise oder weniger Innovation, "marktmächtige Unternehmen haben aber auch eine andere Verhandlungsposition mit Lieferanten, wenn diese 50 oder 60 Prozent des Umsatzes mit einem Partner machen", sagt Ginner.

Die BWB muss die im Kartellgesetz definierten Vergehen prüfen, in der Realität ist dies jedoch nicht einfach, da die Behörde den Unternehmen nachweisen muss, beispielsweise ungerechtfertigte Preise zu verlangen. Die Arbeiterkammer fordert deshalb eine Umkehr des Prinzips. Wenn Indizien für einen Missbrauch auftauchen, weil etwa für die gleichen Produkte in einem vergleichbaren Markt niedrigere Preise verlangt werden, sollten die Unternehmen darlegen müssen, warum ihre (höheren) Preise doch legitim sind.

In der Branche wird es eng

Ob die Pleite eine unmittelbare Auswirkung auf die Preise bei den anderen Ketten hat, ist jedoch schwer zu prognostizieren. "Wir haben schon jetzt einen Österreich-Aufschlag", sagt Ginner. Bei Preiserhebungen hatte die Arbeiterkammer im April markante Preisunterschiede zu deutschen Anbietern festgestellt.

Problematisch verdichtet sei der Markt in der Drogeriebranche auch bisher gewesen, sagt Ginner. "Wenn wir weniger als fünf Marktteilnehmer haben, wird es wettbewerbsmäßig aber immer eng." Denn ist der Markt erst einmal auf ein paar wenige Player geschrumpft, neigen diese auch zu einem "kollusiven Verhalten", wie Ginner erklärt. Die Angebote und Preise gleichen sich an, der Wettbewerb verschwindet.

Supermärkte profitieren

Doch nicht nur Bipa, "dm" und Müller, sondern auch die Lebensmittelhändler könnten von einem Aus von Dayli profitieren, da diese - zumindest teilweise - auch Drogerieartikel anbieten. Im Vorjahr wurden auch die extremen Umsatzrückgänge von Dayli zu einem Großteil vom Lebensmittelhandel aufgefangen, weniger von den anderen Drogerieketten, wie aus einer Erhebung von Regioplan hervorgeht.