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"Kreativität wird oft unterdrückt"

Von Sophia Freynschlag

Wirtschaft

Werbeagentur-Chef Alfred Koblinger: Der Arbeitsdruck in der Branche steigt.


Wien. Wie erreichen Marken ihre Kunden im digitalen Zeitalter? Direktmarketing-Pionier Alfred Koblinger, Chef der Wiener Werbeagentur PKP BBDO, über die Verunsicherung vieler Unternehmen durch das Internet, lästige Werbung und falsche Vorstellungen von Berufseinsteigern.

Aufeinander abgestimmt: Ein Flugblatt verweist auf mehr Information im Internet.
© Foto: fotolia

"Wiener Zeitung": Wie verändern das Internet und Geräte wie Smartphones und Tablet-PCs die Werbung?Alfred Koblinger: Grundsätzlich hat sich nichts geändert: Wir kommunizieren - nur zum Teil mit anderen technischen Hilfsmitteln. Digitale Medien erlauben einen ständigen Dialog, den die Unternehmen nur noch beschränkt kontrollieren können.

Wie reagieren Unternehmen auf diese Entwicklung?

Das Internet verunsichert viele Unternehmen, denn plötzlich reden die Konsumenten nicht nur zurück, sondern sprechen auch miteinander über Marken. Negative Erlebnisse bekommen breite Öffentlichkeit, wenn ein Kunde seine Kritik auf Facebook teilt. Weil viele Unternehmen mit dieser Entwicklung noch nicht umgehen können, verzichten sie aus Unsicherheit und Angst, etwas falsch zu machen, auf diese direkte Kommunikation. Wir leben in einer Risikovermeidungsgesellschaft, wo wir zuerst den Airbag bauen und dann erst das Auto dazu. Neben dem veränderten Mediakonsum gibt es andere Herausforderungen: Die Wirtschaftskrise hat zu einer Vertrauenskrise geführt. Man traut niemandem mehr, auch nicht der Werbung.

Wem glaubt man dann?

Die Empfehlung von Nachbarn, Freunden oder der Familie bestimmt maßgeblich, was wir kaufen. Durch soziale Medien gewinnt das Empfehlungsmarketing an Bedeutung: Früher habe ich vor dem Autokauf meinen Nachbarn um Rat gebeten. Jetzt kann ich über das Internet die ganze Welt fragen.

Naht das Ende der Flugblätter?

Nein, denn es wird immer reine Preiskäufer geben. In Flugblättern wird meist nur mit dem Preis geworben. Aber es könnte auch anders gehen. Muss ein Baumarkt 27 Schlagbohrmaschinen mit Preis abbilden, ohne Empfehlung, was für mich, für Heimwerker oder Profis, geeignet wäre? Man könnte neben dem Preis auch eine sinnvolle Empfehlung platzieren. Die Kunst ist, mit dem vorhandenen Budget zum Angebot und zur Zielgruppe passende Medienkanäle auszuwählen und die Botschaft kreativ umzusetzen. Österreicher sind in ihrer Mentalität keine Kommunikations-Weltmeister. Kreativität wird oft reflexartig unterdrückt, weil sie als Selbstzweck und nicht zur Differenzierung und Untermauerung eines Anspruchs gesehen wird. Hier sollte man die Chance sehen, nicht immer nur das Risiko.

Online- und Mobile-Werbung legen zu, wie wirkt sich das auf die anderen Werbekanäle aus?

Alfred Koblinger.
© Foto: PKP BBDO

Die Ausgaben für Online- und Mobile-Werbung gehen weltweit gegen 25 Prozent. Allerdings zeigen sich schon Abnützungserscheinungen: Online-Newsletter werden immer seltener geöffnet. Sie machen nur Sinn, wenn der Kunde einen Nutzen für sich erkennt. Wer dauernd Werbung auf sein Smartphone kriegt, fühlt sich schnell belästigt. Dabei zu sein ist zu wenig, kreativer Content macht den Unterschied. Entscheidend ist die Verknüpfung zwischen massenmedialen Impulsen und persönlicher, relevanter Kommunikation. In den USA erlebt Fernsehwerbung gerade ein Revival, nach dem Motto: "TV ist King, Online ist Queen." Andere Medien, insbesondere Print und Plakat, bekommen Probleme.

Inwieweit wirken sich diese Veränderungen auf Agenturen aus?Vor 15 Jahren gab es nur vier bis fünf Massenmedien. Für die Agenturen hat sich der Aufwand seither verdoppelt, das Honorar ist bestenfalls gleich geblieben. Auch der Mitbewerb hat immens zugenommen: In unserem kleinen Markt gibt es mehr als 6000 Werbeagenturen, darunter viele sehr kleine. Wir sind in einer Spirale, in der Preise und Qualität sinken. Im internationalen Vergleich sind wir kreativ nicht einmal mehr durchschnittlich.

Wie gehen die Mitarbeiter mit dem zunehmenden Druck um?

Die Anforderungen und der Druck auf jeden einzelnen Beschäftigten sind enorm geworden. Nimmt der Druck zu, mehr in derselben Zeit zu erledigen, passieren schneller Fehler. Viele Mitarbeiter gehen heute zu Auftraggebern in Handel und Industrie, weil dort mittlerweile mehr bezahlt wird. Manche machen sich selbständig. Für viele kleine Teams ist es aber nicht leicht, in dieser Branche zu bestehen, wenn die Werbebudgets nicht steigen.

Was raten Sie jungen Menschen, die in der Werbebranche arbeiten möchten?

Die Werbebranche ist nach wie vor spannend, weil sie täglich neue Herausforderungen bietet: heute eine Bank als Auftraggeber, morgen eine Düngemittelmarke. Junge Menschen sind fachlich gut ausgebildet, haben aber tendenziell noch immer eine sehr romantische Vorstellung von Werbung. Sie sind zu wenig darauf vorbereitet, sich unter Druck durchzusetzen. Eine Arbeit in einer Agentur ist weder Verwaltungsjob noch Streichelzoo für kreative "Spinner", jedenfalls kein 9-to-5-Job.

Zur PersonAlfred Koblinger startete 1987 als Geschäftsführer der Agentur Ogilvy & Mather Direct. 1991 gründete er Palla, Koblinger & Partner (PKP), die er später an das weltweite Agenturnetzwerk BBDO verkaufte. Seither ist er Geschäftsführer von PKP BBDO. Als erster Österreicher war er 2005 Jurypräsident bei den Cannes Lions am Werbefestival in Cannes.