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Spar droht jahrelanger Rechtsstreit

Von Sophia Freynschlag

Wirtschaft

Absprachen in der Branche verteuerten betroffene Produkte um 15 bis 25 Prozent.


Wien. Spar könnte bald ein millionenschweres Bußgeld und ein langwieriges Gerichtsverfahren ins Haus stehen: Die Bundeswettbewerbsbehörde (BWB) plant nach den Hausdurchsuchungen zu Jahresbeginn nun eine Klage vor dem Kartellgericht gegen den Salzburger Einzelhändler, wie aus informierten Kreisen zu hören ist. Offenbar haben die Ermittler schriftliche Beweise für den Verdacht illegaler Absprachen mit Lieferanten beim Prüfen der mitgenommenen Unterlagen gefunden. Mit Rewe (Billa, Merkur) hat sich die BWB im Mai außergerichtlich auf ein Bußgeld von 20,8 Millionen Euro geeinigt - Spar sei jedoch nicht kooperativ, heißt es.

Ist ein Unternehmen nicht mit der Höhe des von den Wettbewerbshütern verhängten Bußgeldes einverstanden, müsste das Kartellgericht die Vorwürfe der BWB prüfen. "Das ist ein längeres und aufwändiges Verfahren, das mindestens ein Jahr dauert, oft auch deutlich länger", sagt Heinrich Kühnert von BPV Hügel Rechtsanwälte.

Künstlich hohe Preise für Käse, Bier und Tiefkühlkost

Offiziell bestätigen die Wettbewerbshüter die geplante Klage zwar nicht. "Ich kann es aber auch nicht ausschließen", sagt BWB-Sprecherin Veronika Haubner. Sowohl bei Rewe als auch bei Spar sei eine breite Produktpalette betroffen. Bis zu einem Ergebnis könne es noch dauern. Zum Vergleich: Bei Rewe sind zwischen Hausdurchsuchung und Bußgeld-Einigung 14 Monate vergangen, Spar wurde heuer im Jänner und Februar acht Tage lang gefilzt.

Spar-Chef Gerhard Drexel hat den Vorwurf der Preisabsprachen nach der Razzia zurückgewiesen: "Ich gehe davon aus, dass nichts Negatives herauskommt." Spar-Sprecherin Nicole Berkmann will die derzeit laufenden Ermittlungen nach den Hausdurchsuchungen nicht kommentieren, betont aber: "Die Sortimentsmanager und Einkäufer waren schon vorher geschult."

Hinweise auf Absprachen bei Spar könnten auch die Ermittlungen in der Causa Berglandmilch gebracht haben - die ebenfalls durchsuchte Molkerei hat im Jänner das von den Wettbewerbshütern vorgeschlagene Bußgeld in Höhe von 1,125 Millionen Euro wegen Preisabsprachen mit Händlern von 2006 bis 2012 akzeptiert. Die Molkerei hat sich mit österreichischen Händlern abgesprochen. Die Platzhirschen im heimischen Lebensmittelhandel sind Rewe und Spar.

Bei sogenannten vertikalen Preisbindungen stimmen Hersteller mit Händlern die Preise ab, die Händler von ihren Kunden verlangen. Vorgegebene Mindest- und Endverkaufspreise sind verboten, weil sie den Preiswettbewerb beschränken und damit Produkte für Verbraucher verteuern.

Die Preisabsprachen zwischen Händlern und Lieferanten haben Produkte um 15 bis 25 Prozent teurer gemacht, wie die Erhebungen der BWB laut Haubner ergeben haben. In der Causa Rewe hat die BWB mitgeteilt, dass der Lebensmittelhändler von 2007 bis zum Zeitpunkt der Hausdurchsuchungen 2012 Endverkaufspreise und andere Parameter wie Aktionszeiträume mit seinen Lieferanten abgesprochen hat. Betroffen waren viele Produkte von Käse über Bier, Tiefkühlkost und Tiernahrung.

Rewe-International-Vorstandsvorsitzender Frank Hensel betonte jedoch, dass "Konsumenten in keiner Form auch nur irgendwie geschädigt wurden". Der Händler akzeptierte die Strafe, "um ein langes Gerichtsverfahren zu vermeiden - trotz unterschiedlicher Rechtsauffassungen", sagt Rewe-Sprecherin Corinna Tinkler.

Arbeiterkammer kritisiert: Vieles bleibt im Dunklen

Den Trend zur vorzeitigen Verfahrensbeendigung ("Settlement") bei den jüngsten Kartellermittlungen sieht die Arbeiterkammer (AK) kritisch, weil vieles im Dunkeln bleibe: "Es werden keine Details veröffentlicht, nur eine knappe Meldung zur Einigung. Die Wettbewerbsbehörde muss umfassender und transparenter informieren", sagt Roland Lang von der AK Wien. Außerdem kritisiert der AK-Wettbewerbsexperte, dass der tatsächliche Schaden weit höher als die bisher verhängten Geldstrafen liege.

Höchstens zehn Prozent des Unternehmensumsatzes kann die BWB als Bußgeld vorschlagen. Berechnet wird die Höhe nach Marktgröße sowie nach Dauer und Schwere des Vergehens. Wenn das beschuldigte Unternehmen mit der Wettbewerbsbehörde kooperiert und Absprachen zugibt, fällt das Bußgeld bis zu 20 Prozent niedriger aus, sagt Rechtsanwalt Kühnert. Zusätzlich verringert kann die Geldstrafe werden, wenn das Unternehmen mehr Unterlagen und Beweise für sein Vergehen vorlegt. Die bisher höchste Kartellstrafe in Österreich, 75,4 Millionen Euro, fassten fünf Aufzughersteller 2008 aus.

Zugeknöpft gibt sich die BWB derzeit über Ergebnisse der Hausdurchsuchungen beim Tiroler Lebensmittelhändler Mpreis und bei der Vorarlberger Kette Sutterlüty, an der Rewe beteiligt ist, sowie bei einigen Molkereien wie NÖM und Kärntnermilch. Kärntnermilch-Chef Helmut Petschar, gleichzeitig Chef der Vereinigung Österreichischer Milchverarbeiter, ließ diese Woche mit der Aussage aufhorchen, dass in rund zwei Wochen der Milchpreis im Verkaufsregal um 5 bis 10 Cent steigen werde. "Woher weiß er das schon?", fragt sich Lang. "Die Molkerei darf mit dem Händler nicht über Endverkaufspreise sprechen."