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Druck auf Hersteller ist "gigantisch"

Von Sophia Freynschlag

Wirtschaft
Zu viel bezahlt haben die Österreicher jahrelang für eine breite Produktpalette - laut einer OECD-Studie verteuern Kartelle die Preise um 16 bis 27 Prozent.
© fotolia

Kartellwächter nehmen nun Preise in ganzer Lebensmittelbranche unter Lupe.


Wien. Die Österreicher haben jahrelang im Supermarkt zu viel für Produkte wie Milch, Bier und Mehl bezahlt - das Ausmaß der Absprachen in der Lebensmittelbranche wird immer klarer: "Der Fall betrifft den gesamten Lebensmittelhandel mit den wesentlichen Marktteilnehmern und die gesamte Produktpalette. Das heißt aber nicht, dass jedes einzelne Unternehmen in der Branche mitgemacht hat", sagt Stefan Keznickl, Sprecher der Bundeswettbewerbsbehörde (BWB).

Bei Spar hat die BWB diese Woche bei erneuten Hausdurchsuchungen - in Kärnten und in der Salzburger Zentrale - zusätzliche Unterlagen sichergestellt. Konkurrent Rewe (Billa, Merkur, Penny, Adeg) wurde wegen jahrelanger Absprachen im Mai zu 20,8 Millionen Euro Bußgeld verdonnert. Beim Branchendritten Hofer gab es bisher keine Hausdurchsuchung, bestätigte Keznickl.

"Wir kämpfen mit ungleichen Waffen"

Da die Supermärkte ein "Nadelöhr" auf dem Weg zum Konsumenten darstellen, sind die meisten Hersteller auf diesen Absatzweg angewiesen. "Der ökonomische Druck auf Lieferanten ist gigantisch", sagt Keznickl. Je höher der Marktanteil eines Händlers, desto bessere Karten hat er in den Einkaufsverhandlungen mit Herstellern. Problematisch kann das werden, wenn die Konzentration wie in Österreich hoch ist: Allein Rewe steht für 35 Prozent des Umsatzes im Lebensmittelhandel, Spar hält knapp 30 Prozent.

Die BWB-Ermittler sind im Lebensmittelhandel nicht auf ein klassisches Kartell zwischen Konkurrenten (also Händlern) gestoßen, sondern auf Absprachen zwischen Handelskonzernen und Lieferanten. Konkret sollen Händler von Herstellern Auskunft über Einkaufspreise und Aktionen von Mitbewerbern verlangt haben. Hersteller sollten sicherstellen, dass Aktionen (etwa minus 25 Prozent Rabatt auf eine Warengruppe wie Bier) nicht zeitgleich mit der Konkurrenz stattfinden. Offenbar gingen die Vereinbarungen so weit, dass Lieferanten mittels Kassenbons von Einkäufen im Supermarkt beweisen mussten, dass andere Händler ein Produkt im Regal nicht günstiger anbieten. Zudem haben Einkäufer von Handelsketten auch subtil - etwa in E-Mails - Druck ausgeübt, heißt es aus informierten Kreisen.

Mit der Handelskonzentration steigt der Druck auf Lieferanten, ist von einem heimischen Lebensmittelhersteller zu hören: "Kurzfristig die geforderten Produktmengen für Aktionen zu liefern, ist oft schwierig mit den Arbeitszeiten in der Produktion vereinbar. Noch dazu, wenn Händler unterschiedliche Verpackungen verlangen." Um weniger abhängig von den zwei großen Handelskonzernen zu sein, setze man auf Export. Auch der Diskont nimmt immer mehr Markenprodukte ins Sortiment auf, wie ein Getränkehersteller mitteilt. Für Konflikte sorgen auch teurere Rohstoffe: "Es ist die Frage, ob der Händler einen höheren Einkaufspreis akzeptiert oder ob der Hersteller höhere Rohstoffpreise schlucken muss", sagt ein Molkerei-Chef.

Das zunehmende Angebot an Eigenmarken, das Händlern höhere Margen bringt, ist für die Produzenten ein zweischneidiges Schwert: Einerseits dienen sie für Händler als zusätzliches Druckmittel gegenüber Lieferanten - denn neben Eigenmarken bleibt weniger Platz für Herstellermarken, schwache Produkte fliegen aus dem Regal. "Wir kämpfen hier mit ungleichen Waffen", sagt der Molkerei-Chef. Andererseits profitieren Produzenten, wenn sie selbst Eigenmarken herstellen.

Konsumenten zahlen drauf, Händler profitieren

"Die Einkaufsmacht kann ins Negative umschlagen", gibt Keznickl zu bedenken. Die Preise liegen bei einem Kartell um 16 bis 27 Prozent höher als unter normalen Wettbewerbsbedingungen, wie eine OECD-Studie ergeben hat - Verbraucher zahlen also drauf.

In erster Linie profitieren die Handelskonzerne von Absprachen, heißt es von Branchenkennern. Die Lebensmittelhändler sprechen selbst von sehr geringen Durchschnittsmargen zwischen ein und drei Prozent. Durch Absprachen und Druck auf Lieferanten könnten laut Insidern jedoch Milliarden an Gewinnen in den vergangenen Jahrzehnten von Produzenten hin zu Händlern verschoben worden sein.