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Elternzeit hält geistig fit

Von Andrea Möchel

Wirtschaft
Große Pause: Wer eine Zeit lang beim Kind zuhause bleibt, tut dem Gehirn etwas Gutes.
© Foto: fotolia

Unterbrechungen im Lebenslauf haben unterschiedliche Wirkungen.


Wien. Menschen, die sich im Laufe ihrer Karriere eine Jobpause gönnen, können damit - unter gewissen Umständen - in ihre spätere geistige Fitness investieren. Zu diesem Schluss kommt eine aktuelle Studie der Universität Luxemburg. Befragt wurden Menschen der Generation 50-plus in 13 Ländern.

Ein interdisziplinäres Forscherteam unter der Leitung der Psychologin Anja Leist hat die Interviews mit 18.000 Studienteilnehmer ausgewertet, bei denen neben biografischen Daten wie Schulbildung, Herkunft, Gesundheitszustand und Einkommen vor allem jene Lebensabschnitte beleuchtet wurden, in denen die Probanden keiner Erwerbsarbeit nachgingen. Zugleich wurden die aktuellen geistigen Fähigkeiten der Befragten unter die Lupe genommen.

Das zentrale Ergebnis der Studie: Ob die Erwerbsunterbrechung der geistigen Fitness im Alter eher förderlich ist oder nicht, hängt direkt mit dem Grund für die Auszeit zusammen. Demnach wirken sich Unterbrechungen aufgrund von Weiterbildungs- und Elternurlaub eindeutig positiv aus.

Chefs leiden stärker

unter Arbeitslosigkeit

"Die Untersuchungsergebnisse stimmen mit anderen Studien überein, die darauf hindeuten, dass geistig stimulierende Aktivitäten die kognitive Reserve vergrößern und kognitive Beeinträchtigungen im Alter hinauszögern können", bestätigt Studienleiterin Anja Leist, Mitglied der Forschungseinheit Inside der Universität Luxemburg.

Unfreiwillige Jobpausen wegen Arbeitslosigkeit und Krankheit sind hingegen mit einem höheren Risiko kognitiver Beeinträchtigungen verbunden und reduzieren die geistige Fitness langfristig. Besonders Arbeitnehmer in Berufen mit höheren geistigen Anforderungen, zum Beispiel Führungskräfte, erleiden bei Arbeitslosigkeit und Krankheit stärkere Einschränkungen ihrer Denkfähigkeit als andere.

"Eine mögliche Erklärung könnte sein, dass höher gebildete Mitarbeiter im Vergleich zu weniger gebildeten Kollegen, die Berufe mit weniger geistigem Anspruch ausüben, einen größeren Verlust geistiger Anregung erleben, wenn sie den Arbeitsmarkt verlassen müssen", heißt es in der Studie. Sie belegt weiter, dass zeitweilige Auszeiten vom Erwerbsleben keineswegs ein Minderheitenprogramm sind.

Mehr als jeder zweite Befragte hatte im Alter zwischen 25 und 65 Jahren mindestens einmal sechs Monate oder länger nicht gearbeitet. Knapp 16 Prozent gaben an, arbeitslos gewesen zu sein. Jede fünfte Frau hatte Elternurlaub und sieben Prozent der Probanden eine Fortbildung absolviert. Rund acht Prozent waren längere Zeit krank, ein Drittel hat sich temporär um den Haushalt gekümmert.

Babypause und Fortbildung sind gut fürs Denken

Jeder zehnte Studienteilnehmer wies zur Zeit der Befragung eine kognitive Beeinträchtigung auf, die als Vorbote einer Demenz-Erkrankung gewertet werden kann. Vor allem jene Befragten, die aus Krankheitsgründen längere Zeit nicht arbeiten konnten, aber auch jene, die als Hausfrau oder -mann zu Hause geblieben waren, zeigten später überdurchschnittlich oft Einschränkungen im Erinnern oder bei sprachlichen und mathematischen Fähigkeiten.

Wer in seinem Lebensverlauf mindestens ein halbes Jahr durchgehend arbeitslos war, hat ebenfalls ein erhöhtes Risiko für eine kognitive Beeinträchtigung. Nationalität, Alter, Geschlecht oder das Bildungsniveau beeinflussen hingegen die Denkfähigkeit im Alter nicht, wie die Studie belegt.

Bei jenen Probanden, die ihre Jobpause für eine Weiterbildung genutzt hatten, traten geistige Beeinträchtigungen nur bei drei Prozent der Befragten auf. Auch Frauen, die nach der Geburt eines Kindes sechs Monate oder länger dem Job ferngeblieben waren, wiesen nur halb so oft kognitive Einschränkungen auf wie zeitweilig Arbeitslose. Elternzeit und Fortbildung scheinen demnach einen gewissen Schutz gegen Demenz-Erkrankungen zu bieten, zumindest aber das Zeug zu haben, den kognitiven Abwärtstrend zu verlangsamen.

"Für mich war es eine spannende Hypothese, dass Erwerbsunterbrechungen möglicherweise die kognitive Reserve während des Berufslebens vergrößern können", resümiert Leist. Das Phänomen, dass intellektuell stimulierende Jobpausen eine Art "geistige Reserve" für das Alter anlegen, erklärt sich die Psychologin so: "Weiterbildungsperioden können später unter anderem zu einem höheren sozioökonomischen Status führen, während die Elternzeit den Stress, familiäre und berufliche Verpflichtungen zu vereinen, verringern kann." Um das Zusammenwirken der verschiedenen Mechanismen in ihrer ganzen Komplexität zu verstehen, seien allerdings weitere Untersuchungen nötig.