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Lkw-Verkehr und Verbauung sind unsere Baustellen

Von Rosa Eder-Kornfeld

Wirtschaft

"Wie geht’s Österreich?" - Bericht zum Nachdenken für Entscheidungsträger.


Wien. Bildet die Entwicklung des Bruttoinlandsprodukts (BIP) eins zu eins ab, wie es um Wohlbefinden und Fortschritt einer Gesellschaft bestellt ist? - "Nein", betonen Experten nicht erst seit der internationalen Wirtschafts- und Finanzkrise. Die rein ökonomische Betrachtung ist zu wenig, ein vollständiges Bild ergibt sich nur, wenn weitere Indikatoren herangezogen werden, lautete der Schluss nach zahlreichen intensiven Diskussionen. Im Rahmen des Projekts "Wie geht’s Österreich?" hat die Statistik Austria in Ergänzung zum BIP ein Set aus 30 Schlüsselindikatoren zusammengestellt, das den materiellen Wohlstand, die Lebensqualität und die umweltorientierte Nachhaltigkeit für Österreich gemäß einer fünfteiligen Skala abbildet. Zur besseren Darstellung werden Piktogramme (Sonne bis Gewitterwolken) verwendet.

Würde man die Frage stellen: "Wie geht’s?", dann würden Herr und Frau Österreicher mehrheitlich mit "Danke, gut" antworten. Konkret sind 79 Prozent der Bevölkerung mit ihrer gesamten Lebenssituation zufrieden oder sehr zufrieden, und das seit 2009. Das entsprechende Symbol für diesen Indikator: eine von einer Wolke leicht verdeckte Sonne. Zum Vergleich: Das österreichische BIP pro Kopf ist im Krisenjahr 2009 um 4,1 Prozent eingebrochen, hat sich 2011 wieder auf dem Niveau des Vorkrisenjahres eingependelt und ist 2012 um 0,4 Prozent gewachsen. Die Schere zwischen hohen und niedrigen Einkommen der unselbständig Erwerbstätigen ging im langfristigen Verlauf als auch in der Entwicklung seit 2008 weiter auf - dafür gibt es eine Gewitterwolke.

Die meisten Schlechtwettersymbole wurden in der Dimension "Umweltbezogene Nachhaltigkeit" vergeben. Besonders bedenklich sind laut den Experten die zunehmende Verbauung von Grünflächen und der steigende Lkw-Verkehr. So ist von 1995 bis 2011 die Lkw-Transportleistung um 67,5 Prozent gewachsen, das reale Bruttoinlandsprodukt jedoch nur um 39,3 Prozent.

Keine Handlungsanleitungen

Der 198-seitige Bericht "Wie geht’s Österreich?" enthält keine Handlungsanleitungen, betonte Konrad Pesendorfer, fachstatistischer Generaldirektor der Statistik Austria, vor Journalisten. "Vorschläge werden wir nicht machen, aber wir stehen für vertiefende Analysen zur Verfügung", sagte er. Oder, mit anderen Worten: "Wir können das Pferd zur Tränke führen, aber wir können es nicht zum Trinken zwingen."

BIP und mehr

Das aus den 1930er Jahren stammende Konzept des Bruttoinlandsprodukts (BIP), das die aggregierte Produktion eines Landes abbildet, wurde immer wieder kritisch hinterfragt. 2008 beauftragte die französische Regierung unter Nicolas Sarkozy eine Expertenkommission mit einer Untersuchung, mit welchen Mitteln sich Wohlstand und sozialer Fortschritt messen ließen, ohne sich einseitig auf Einkommensgrößen wie das BIP zu stützen. Vorsitzender war Wirtschaftsnobelpreisträger Joseph E. Stiglitz (USA), Wirtschaftsnobelpreisträger Amartya Sen (Indien) fungierte als wissenschaftlicher Berater, und die Koordination übernahm der französische Ökonom Jean-Paul Fitoussi. Der Abschlussbericht der Kommission wurde im September 2009 vorgelegt. Ihm zufolge reichen die bisherigen Messmethoden zur wirtschaftlichen Leistung nicht aus, um die tatsächliche Lage eines Landes zu beschreiben, das alte Konzept des BIP sollte durch eine Reihe von Indikatoren ergänzt werden.

Das oberste Statistikgremium der EU, der Ausschuss des Europäischen Statistischen Systems (ESSC), initiierte ein gemeinschaftliches Projekt mit dem Ziel, die Empfehlungen des Reports in konkrete Handlungsfelder zu übersetzen. Dazu wurde die sogenannte "Sponsor-ship Group on Measuring Progress, Well-Being and Sustainable Development" gebildet, in der hohe Repräsentanten der EU-Staaten - unter Teilnahme der Statistik Austria - zusammenarbeiteten.