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Verlagerung der Konfliktzone

Von Matthias Nagl

Wirtschaft

Streit um den Salzburger Flughafen ist nur vordergründig abgeflaut.


Salzburg. Rund um Weihnachten muss so mancher an seine Grenzen gehen. Das hat nicht immer mit Geschenkeinkäufen und familiären Verpflichtungen zu tun, sondern kann angesichts der Reisefreudigkeit zu den Feiertagen auch Infrastruktureinrichtungen betreffen. Der Salzburger Flughafen ist so ein Fall.

Kaum einmal wird er so stark beansprucht wie an den Reisetagen rund um den Jahreswechsel. Rund 100 Landungen hat er an den Samstagen in der Weihnachtszeit zu verkraften. Für einen Flughafen mit einer einzelnen Start- und Landebahn ist das nicht mehr weit weg von der Grenze der Belastbarkeit. Am vergangenen Wochenende kamen vor allem Gäste aus Großbritannien und Skandinavien. Sie werden abgelöst von Russen und Ukrainern, die Weihnachten erst am 6. und 7. Jänner feiern.

Die Tourismusorte in Salzburg und Tirol nehmen diese Gäste dankbar an, sie sorgen für volle Auslastung in der Weihnachtszeit und darüber hinaus. Und sie bescheren auch dem Salzburger Flughafen einen Anstieg der Landungen, höhere Einnahmen, in weiterer Konsequenz allerdings auch eine Auseinandersetzung mit bayrischen Anrainern, die sich in den vergangenen Wochen nur vordergründig beruhigt hat.

Verordnung liegt auf Eis

Der Anstieg der Flugbewegungen, der besonders die Weihnachtsferien, letztlich aber die gesamte Wintersaison betrifft, ist eines der Hauptargumente der Anrainer auf der deutschen Seite der Grenze. Diese ist nur wenige Kilometer vom Flughafen entfernt, weshalb das deutsche Verkehrsministerium den Flugbetrieb über die deutsche Seite per Verordnung massiv einschränken wollte.

Derzeit liegt die Verordnung auf Eis, das deutsche Außenministerium hat vom Verkehrsministerium Gespräche mit Österreich eingefordert. Das verschafft dem Salzburger Flughafen Zeit, sorgt aber nur medial für Entspannung. "Ich sehe das noch nicht als Entwarnung. Die Verordnung ist geschrieben und gedruckt", sagt der Salzburger Bürgermeister Heinz Schaden (SPÖ).

Dass die überwiegende Mehrheit der Flüge wie bisher über Nordwesten und damit über Deutschland abgewickelt wird, wird langfristig nicht weitergehen. Wie ein heimischer Luftfahrtexperte der "Wiener Zeitung" bestätigt, spricht die rechtliche Situation für Deutschland: "Sie sind juristisch im Recht." Dass Peter Ramsauer, der aus der Region stammt, im neuen Kabinett nicht mehr deutscher Verkehrsminister ist, entspannt die Situation nur unwesentlich. "Es ist die CSU und das Pferd ist aus dem Stall", erklärt der Experte.

Warnbeispiel Zürich

Salzburg droht nun das, womit sich Zürich seit einem guten Jahrzehnt abmüht. Auch dort wurde der Großteil der Flugbewegungen über Deutschland abgewickelt, auch dort setzten sich die deutschen Anrainer zur Wehr. Das geschah bedeutend früher als in Salzburg. Der Streit ist auch nach zehn Jahren noch nicht gelöst. Das Thema hat Potenzial zum Dauerbrenner.

Zwar wurde zwischen der Schweiz und Deutschland ein neuer Staatsvertrag verhandelt, seit eineinhalb Jahren spießt es sich aber an der Ratifizierung. Dabei ist die Situation in geografischer Hinsicht in Zürich wesentlich einfacher als in Salzburg, wo zwar theoretisch die Mehrzahl der Flüge auch über Süden abgewickelt werden könnte, doch dort steht mit Tennengebirge, Göll-Massiv und Untersberg der nördliche Anfang der Alpen im Weg. Wäre nur mehr dieser Südanflug möglich, wäre Salzburg flugtechnisch einer der am schwierigsten anzufliegenden Flughäfen. Die Salzburger Seite ist sich sicher: Wirtschaftlich wäre das für den Flughafen das Aus. "Das Salzachtal ist viel zu schmal", sagt der Luftfahrtexperte.

Aufwendige Umrüstung

Dazu kommen die vorherrschenden Windverhältnisse, die ebenfalls den Nordanflug begünstigen. Eine Lösung wird darauf hinauslaufen, dass der Anteil des Nordanflugs auf 70 Prozent verringert wird und die Zahl der täglichen Flüge gedeckelt wird. Aktuell spricht die bayrische Seite davon, dass 93 Prozent der Flüge über ihr Gebiet führen.

Die Schulung der Piloten für den Südanflug sowie die technische Aufrüstung wird seine Zeit brauchen und die Fluglinien Geld kosten, das ist aber nicht das einzige Problem, das dem Salzburger Flughafen daraus entsteht. Denn wenn Anflugrouten verändert werden, ist das Problem damit nicht gelöst, sondern nur verschoben. Zumal der Salzburger Süden mindestens genauso dicht besiedelt ist, wie das bayrische Grenzgebiet.

Und der Süden beherbergt Salzburgs noblere Wohngegenden. Im Stadtteil Aigen, in Grödig und Anif wohnen Menschen mit Geld und Einfluss. Sie werden mit stärkerem Flugverkehr gerade an den Wochenenden wenig Freude haben, dem Salzburger Anrainerschutzverband winkt reger Zulauf. Dort hätten verärgerte Bürger bis vor kurzem eine prominente Unterstützerin gefunden.

Doch seit Grünen-Chefin Astrid Rössler in der Landesregierung sitzt, hat sie ihren Vorsitz im Anrainerverband zurückgelegt. Als Landeshauptmann-Stellvertreterin ist sie nun für Umweltverträglichkeits-Verfahren zuständig. Die Landtagsopposition aus SPÖ und FPÖ schäumte über diesen Rollenwechsel und forderte, Rössler diese Kompetenzen für Verfahren, die den Flughafen betreffen, zu entziehen. Erfolglos.

Die Vorwürfe, dass Rössler als Anrainervertreterin für die Eskalation des Streits mitverantwortlich ist, blieben freilich. Rössler vermied es in ihrer neuen Rolle schließlich, sich auf die Seite der bayrischen Anrainer zu stellen. "Ich halte diese Verordnung in der Sache für weit überzogen", sagt Rössler. Ihre Kritik am Management des Flughafens hielt sie aber aufrecht. Die berechtigten Anliegen der Anrainer seien einfach nicht ernst genug genommen worden, deshalb die Eskalation, sagt Rössler. Eine Eskalation, die vielleicht schon bald auch den Süden von Salzburg erreicht.