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Hinaus aus dem Schatten

Von Simon Rosner

Wirtschaft
Im Baugewerbe wird nach wie vor intensiv von Leiharbeit Gebrauch gemacht.
© Corbis/Xu Zijian/Xinhua Press

Die Personalvermittlungsbranche will künftig mehr Eigenständigkeit.


Wien. Aus der Geschäftsidee - made in the USA -, Personen zu beschäftigen, um sie für externe Projekte zu verleihen, ist auch in Österreich längst eine eigene Branche geworden, die aktuell rund 73.000 Menschen beschäftigt. Das entspricht etwa 2,2 Prozent aller Arbeiter und Angestellten. Das abgelaufene Jahr 2013 war für die Branche der Personaldienstleister und Arbeitskräfteüberlasser kein wirklich gutes, auch wenn sie sich nach der Krise 2009 deutlich erholt hat. Doch gerade in den vergangenen Wochen meldeten große Betriebe wie Magna und Lenzing den Abbau hunderter Stellen.

2013 war aber jedenfalls ein Jahr, in dem einige Neuerungen auf die Leiharbeits-Branche zugekommen sind. Ab 1. Jänner wird es nun eine weitere Änderung in Form eines Sozial- und Weiterbildungsfonds geben, der arbeitslos gewordene Leiharbeiter einmalig unterstützen wird. Der Fonds wird von den Überlassern gespeist, auch Beschäftiger, die trotz Stehzeiten die Leiharbeitskraft weiterbehalten, sollen aus Geldern des Fonds profitieren.

Leiharbeiter erhielten

2013 mehr Rechte

Die wesentlichsten Neuerungen betrafen aber vor allem die Rechte der Leiharbeiter, die seit diesem Jahr zwei Wochen vor dem Ende der Überlassung eine diesbezügliche Information erhalten müssen und bei Kantine, Arbeitskleidung, Sozialleistungen, Betriebspensionen und Benefits, wie einem betrieblichen Kindergarten, nicht mehr diskriminiert werden dürfen. Vor allem die Informationspflicht 14 Tage vor Ende der Leiharbeit hat bei den Betrieben für großes Murren gesorgt. "Das ist nicht gut für die Branche", sagt auch jetzt, ein Jahr danach, Erich Pichorner. Er ist Bundesvorsitzender des erweiterten Bundesausschusses der Personaldienstleister in der Wirtschaftskammer Österreich und Geschäftsführer von Manpower Österreich, dessen US-amerikanische Mutter die Leiharbeit Ende der 1940er Jahre erfunden hat.

Dass die Rechte der Leiharbeiter jenen des Stammpersonals angeglichen werden, dürfte für die Überlassungsfirmen jedenfalls mittelfristig kein Nachteil sein. "Die besten Erfahrungen machen wir dort, wo Leiharbeiter integriert sind. Alles andere ist nicht wirklich fruchtbringend. Bei der Frage, wie man mit Leiharbeitern umgeht, hat Österreich noch einen weiten Weg zu gehen, auch wenn es viele Unternehmen gibt, wo es gut funktioniert."

Dass die Branche aber nach wie vor gegen ihr schlechtes Image kämpft, liegt nicht zuletzt daran, dass es eben nicht überall gut funktioniert. Pichorner verweist zwar darauf, dass Zeitarbeitsfirmen von jenen besser beurteilt werden, die bereits Erfahrungen mit Leiharbeit gemacht haben, dennoch ist die Jobzufriedenheit in der Branche unterdurchschnittlich. Laut dem jüngsten Arbeitsklimaindex der Arbeiterkammer sind nur 48 Prozent der Leiharbeiter mit ihrem Leben zufrieden, jeder Zweite hält seinen Job für unsicher.

"Die dauerhafte Beschäftigung ist die Zukunft", sagt Pichorner. Er ist überzeugt davon, dass sich langfristig jene Überlasser durchsetzen werden, denen es gelingt, die Leiharbeiter in Beschäftigung zu halten. "Das Spezialistentum wird auch zunehmen." Bereits jetzt gibt es Personaldienstleister, die sich auf eine Nische konzentrieren, beispielsweise Kranführer.

Dauerhafte Beschäftigung

ist schwer erreichbares Ziel

Eine dauerhafte Beschäftigung ist für viele Zeitarbeiter freilich eine Illusion. Dass sich zwischen zwei Einsätzen Stehzeiten ergeben, ist prinzipiell das Risiko des Überlassers, doch dieses Risiko wird in einigen Fällen auf den Arbeitnehmer abgewälzt. Kündigungsfristen können umgangen werden, wenn sich beide Seiten auf eine einvernehmliche Vertragsauflösung verständigen. So richtig einvernehmlich sind solche Trennungen aber in der Regel nicht. Zwar kommt es dann immer wieder zu Wiedereinstellungen, für die Stehzeit muss dann jedoch die Allgemeinheit mittels Arbeitslosengeld aufkommen.

"Facharbeiter pendeln nicht ständig zwischen Arbeit und Arbeitslosigkeit", erklärt Pichorner. Tatsächlich profitieren die Überlasser von dem seit Jahren chronischen Mangel an qualifizierten Facharbeitern in Österreich. Die schlechte Wirtschaftslage hat die Situation zwar etwas entspannt, doch auf den Arbeitsmarkt strömen nach wie vor weniger qualifizierte Kräfte, als dieser bedarf, und mehr unqualifizierte, als dieser benötigt. Auch Pichorner sagt: "Bei niedrig qualifizierten Arbeitskräften wird es immer schwierig bleiben."

Leiharbeitsfirmen übernehmen Rekrutierung

Gerade bei größeren Personaldienstleistern wird die Vermittlung von Arbeitskräften bedeutsamer, wie Pichorner erzählt. "Diese Drehscheibenfunktion wird generell immer wichtiger." Die Zusammenarbeit mit dem Arbeitsmarktservice wird von beiden Seiten als gut beschrieben, doch im Gegensatz zum AMS haben Personalvermittler keinen sozialpolitischen Auftrag. Sie nehmen daher nur jene Arbeitskräfte auf, die auch gebraucht werden. Beschäftiger können so die Rekrutierung von neuen Arbeitnehmern gewissermaßen auslagern. Gerade bei ausländischen Beschäftigten fällt für Betriebe daher einiges an Administration weg.

Mittlerweile gibt es aber auch ausländische Überlasser, die Arbeitskräfte nach Österreich verleihen. Auch das wurde im vergangenen Jahr reglementiert, nun müssen sich auch ausländische Personaldienstleister an die hier geltenden Gesetze und Kollektivverträge halten, doch passiert dies nicht immer. Branchenobmann Pichorner berichtet von 1000 bis 2000 aus dem Ausland überlassene Arbeitskräfte, tatsächlich dürfen es aber fünfmal so viele sein.

Hohe Überstundenquote ist schlecht für die Branche

Facharbeiter werden da schon mit 20 Euro pro Stunde angeboten, während es in Österreich eigentlich doppelt so viel sein müsste. "Das ist verrückt", sagt Pichorner. Kontrollen gibt es zwar, aber offenbar sind diese nicht ausreichend. "Die Chance beim Roulette zu gewinnen ist größer, als hier erwischt zu werden", sagt Erich Glaser von der Wiener Wirtschaftskammer.

Nicht zuletzt deshalb, weil sich die Regierung darauf verständigt hat, das Pensionsantrittsalter zu erhöhen, könnte die Branche laut Pichorner verstärkt Ältere vermitteln oder sogar, wenn die Pension nicht reicht, Rentnern Chancen auf einen Wiedereinstieg ins Berufsleben bieten. "Da werden wir in Zukunft sicher eine Rolle spielen", sagt er.

Für seine Branche wünscht sich Pichorner künftig mehr Eigenständigkeit. "Je kürzer jemand beschäftigt ist, desto eher sollten unsere Regeln gelten, bei längeren Einsätzen die Regeln des Beschäftigers." Dass es keine einfache Gehaltstabelle für Leiharbeiter gibt, diese kaum wissen, wie viel sie verdienen werden, will der Branchenvorsitzende auch gerne geändert haben. Womit er sich auch auf einer Linie mit der Gewerkschaft wähnt. Generell dürften Zusammenarbeit und Kommunikation zwischen Branche und Arbeitnehmervertretern besser geworden sein. Zumal es auch ein gemeinsames Interesse gibt. Die Rufe nach einer weiteren Flexibilisierung der Arbeitszeit sind der Gewerkschaft ein prinzipielles Ärgernis, doch auch die Leiharbeitsfirmen profitieren von Regulierungen in diesem Bereich. "Sie helfen uns, auch wenn es dazu keine Studien gibt", sagt Branchenvorsitzender Pichorner.

Beispielsweise ein Handelsunternehmen, das in der Weihnachtszeit oder nun, in den ersten Jännerwochen, wenn der Run auf Ausverkaufsware beginnt, einen erhöhten Bedarf an Verkaufspersonal hat, müsste auf weniger Zeitarbeiter zurückgreifen, wenn Verkäuferinnen und Verkäufer kurzfristig deutlich länger arbeiten dürften. "Das Überstundenniveau in Österreich muss reduziert werden, das schafft auch Arbeitsplätze", sagt Pichorner. Mit dieser Ansicht ist er nicht weit von den Forderungen der Gewerkschaft entfernt.