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Sightseeing im Schnelldurchlauf

Von Sophia Freynschlag aus Berlin

Wirtschaft

Wasserkocher & Co: Wie sich Hoteliers auf chinesische Gäste einstellen.


Berlin. "Geben Sie chinesischen Gästen nach Möglichkeit kein Zimmer im 4. Stock oder Zimmer mit Nummern, die eine 4 enthalten. Denn diese Zahl wird mit Unglück und Tod in Verbindung gebracht", rät die Österreichische Hoteliervereinigung. Auch wenn nicht alle Touristen aus der Volksrepublik abergläubisch sind - heimische Hoteliers sollten sich auf sie einstellen. Denn Österreich erlebt derzeit "einen regelrechten Ansturm chinesischer Gäste", wie es von der Österreich Werbung (ÖW) heißt. Die Zahl der Chinesen, die ins Ausland reisen, wächst rasant - neben den Reichen will die wachsende Mittelschicht etwas von der Welt sehen.

Die Zahl der Nächtigungen von Chinesen in Österreich ist im Vorjahr um 14 Prozent auf rund 579.000 geklettert. Diese Zahl könnte heuer noch einmal kräftig steigen: Zu den fünf Direktverbindungen pro Woche zwischen Peking und Wien mit Austrian Airlines kommen ab Mai vier zusätzliche Flüge mit Air China auf der Route Peking-Wien-Barcelona hinzu. Zwar bleiben Chinesen durchschnittlich nur 1,4 Nächte in Österreich, sie gelten aber als ausgabefreudige Klientel. Ein durchschnittlicher Betrag von 1765 US-Dollar pro Reise macht das Reich der Mitte zur Nummer eins weltweit, wie der World Travel Trend Report der ITB (Internationalen Tourismusbörse) ergeben hat.

Kein Urlaub, sondern eine Investition ins Ansehen

"Den Chinesen geht es beim Reisen nicht um Urlaub. Es bedeutet für sie eine Investition in das eigene Ansehen", sagte Wolfgang Georg Arlt, Direktor des China Outbound Tourism Research Institutes, bei einer Podiumsdiskussion auf der weltgrößten Tourismusmesse ITB in Berlin. Bei Reisen durch mehrere Länder innerhalb weniger Tage werden so viele Sehenswürdigkeiten wie möglich besichtigt, der Aufenthalt in den einzelnen Destinationen ist kurz. Bei ihrem ersten Europaaufenthalt buchen viele Chinesen Touren, bei denen beispielsweise acht Länder innerhalb von zehn Tagen besucht werden, sagt Yufei Gu vom Unternehmen Caissa Touristik, das Reisen von und nach China organisiert: "An die Namen einzelner Länder oder Städte können sich viele nachher nicht mehr erinnern." Mittlerweile gebe es aber auch zunehmend reiseerfahrene Chinesen, die länger an einem Ort bleiben und das für dieses Reiseziel Typische entdecken wollen. In Österreich könnte man die Gäste mit Traditionellem wie Trachten, Volksmusik und Hüttengaudi begeistern, heißt es von der ÖW.

Sisi und Seen prägendas Bild von Österreich

Mit Österreich verbinden Chinesen vor allem Musik und imperiale Geschichte - Stichwort Sisi. Punkten kann die Alpenrepublik auch mit Kultur, ihrer Landschaft und Sauberkeit. In den Katalogen der Reiseveranstalter vor Ort werden häufig Seenlandschaften abgebildet. "Klischees werden für das Marketing wichtiger, je weiter man sich von Wien entfernt", sagt Norbert Kettner, Tourismusdirektor von Wien, das hierzulande mit 208.500 Nächtigungen die beliebteste Destination der Chinesen ist. Der Besuch der Bundeshauptstadt wird für intensives Einkaufen genutzt, das neben Sightseeing und der Teilnahme an Musikvorführungen ganz oben auf der Wunschliste steht. Gekauft werden vor allem teure Markenprodukte, die aufgrund hoher Luxussteuern in China hierzulande deutlich günstiger zu bekommen sind. Pro Einkauf haben die Chinesen im Vorjahr 590 Euro in Österreich ausgegeben - wegen des strengeren Antikorruptionskurses der Regierung in der Volksrepublik ist dieser Betrag allerdings gesunken.

"Chinesische Touristen haben Geld, aber keine Zeit. Sie wollen vieles in kurzer Zeit machen. Deshalb sollte man sie nicht warten lassen", rät Arlt. Chinesen erwarten Respekt: Dazu zählt beispielsweise, dass Hoteliers einen Wasserkocher am Zimmer und chinesisches Essen anbieten.

Außerdem sollten Informationen in der Muttersprache der Gäste zur Verfügung stehen - auch wenn diese Englisch sprechen. Für viele ist ein Internetzugang im Hotel Voraussetzung für eine Buchung: "Es kann durchaus vorkommen, dass Chinesen am gleichen Tisch sitzen und nicht miteinander reden, sondern die Fotos ihrer Reise in soziale Netzwerke hinaufladen, um zu zeigen, wo sie überall waren", sagt Gu.

Bei den Shangri-La-Hotels gehöre zum Mindeststandard, dass mindestens ein Mitarbeiter pro Hotel Mandarin spricht und die Urlauber vom Flughafen abgeholt werden, erzählt Darren Gearing, Manager der Luxus-Hotelkette mit Hauptsitz in Hongkong.

Nach wie vor verreisen wegen der Sprachbarriere die meisten Chinesen in größeren Gruppen und buchen über Veranstalter. Dazu kommt nun in einer zweiten Welle eine wachsende Anzahl an Gästen, die sich ihren Aufenthalt selbst organisieren und in kleinen Gruppen, als Familie oder als Paar wegfliegen. "Auslandsreisen haben in China keine Tradition. Die Bürger lernen, internationale Touristen zu sein, die sich außerhalb ihres eigenen kulturellen Hintergrunds befinden", sagt Arlt.

Als Fettnäpfchen im Umgang mit Chinesen gilt ein besserwisserisches Verhalten. Außerdem sollte man die Gäste nicht mit Japanern vergleichen und politische Themen vermeiden. Höfliche Bestimmtheit im Umgang mit Reklamationen sei Trumpf. Zudem sei Geduld und Toleranz gefragt, heißt es von der ÖW: Chinesen können und werden manche ihrer Angewohnheiten wie Rülpsen, Spucken, lautes Benehmen und Drängeln bei Auslandsreisen nicht "auf Knopfdruck" abschalten.