Zum Hauptinhalt springen

Österreich wäre Sanktionsopfer

Von Reinhard Göweil

Wirtschaft

Bankenaufsicht bezeichnet mögliche Ausfälle als "verkraftbar".


Wien. In Tom Clancys Thriller "Command Authority" droht der "starke Mann Russlands" damit, ausländische Sach- und Geldvermögen in Russland einzufrieren. Auslöser im Roman ist ein Ukraine-Konflikt, der dem aktuellen beängstigend ähnlich sieht. "Wenn Clancy es wusste, wieso nicht die EU?", fragt "FAZ"-Herausgeber Frank Schirrmacher auf Twitter.

Ganz so martialisch wie die Agentenstory schaut die Wirklichkeit nicht aus, aber immerhin hat auch Russlands Präsident Wladimir Putin Konsequenzen angekündigt, sollte der Westen harte Sanktionen verhängen.

Für Europa geht es dabei ebenfalls um einiges, die Verflechtung mit Russland ist groß. Und Österreich verzeichnet in der EU mit 1,2 Milliarden Euro den höchsten Außenhandelsüberschuss mit Russland. (Allerdings sind in diesen Zahlen Energie- und Warenlieferungen, die über den Hafen Rotterdam nach Österreich gelangen, nicht berücksichtigt - sie werden von der EU den Niederlanden zugerechnet.)

Investor in Russland

Österreich ist nicht nur in der Ukraine, sondern auch in Russland ein bedeutender Investor. Das finanzielle Risiko der heimischen Banken liegt in der Ukraine derzeit bei 5 Milliarden Euro. In Russland sind es allerdings 15 Milliarden Euro (ohne UniCredit Bank Austria). Diese Zahlen wurden von der Finanzmarktaufsicht der "Wiener Zeitung" genannt.

In Aufsichtskreisen war zu hören, dass Ausfälle in beiden Ländern für die Banken "zwar hart, aber verkraftbar" wären. Das droht bei Eskalation des Konflikts. In der Auslage steht dabei Raiffeisen Bank International, die sowohl in der Ukraine als auch in Russland tätig ist. Die RBI-Aktie verlor am Freitag wieder knapp zwei Prozent. Der geplante Verkauf der Ukraine-Tochterbank ist derzeit eingefroren. Denn als potenzieller Käufer wird immer wieder die Alfa-Gruppe des russischen Geschäftsmanns Michail Fridman genannt. Sollte es tatsächlich zu einem Embargo Russlands kommen, wären wohl Finanztransaktionen davon betroffen - Fridman könnte im Ernstfall den Kaufpreis nicht nach Österreich überweisen. Die heimischen Banken haben in der Ukraine das - altbekannte - Problem der Fremdwährungskredite. Auch dort wurden Kredite in Euro und Dollar vergeben, und nicht in der Landeswährung Grwina. Die hat aber zuletzt stark an Wert verloren, die Ukraine steht ja am Rand der Zahlungsunfähigkeit. Nur die 11-Milliarden-Euro-Spritze der EU verhindert einen Bankrott des Landes. Das Geld floss noch nicht.

Schwieriger ist die Situation in Russland. Dort gibt es zwar - Dank eines Verbotes der russischen Zentralbank - keine Fremdwährungskredite der österreichischen Banken. Allerdings hat auch der Rubel schwer gelitten, er liegt 20 Prozent unter dem Niveau des ersten Halbjahres 2013.

Sollte Russland isoliert werden, würden den heimischen Banken allerdings die Ergebnisträger wegbrechen. Bei Raiffeisen kommen 500 Millionen Euro aus dem 700-Millionen-Euro-Gewinn der ersten neun Monate 2013 aus Russland. Die Zentralbank hat als Folge der Ukraine-Krise die Zinsen deutlich erhöht und die Wachstumsprognose stark zurückgenommen. Ohne Russland-Gewinn könnte allerdings die RBI viel weniger Dividende ausschütten - was bei der RZB und den Landesbanken als Eigentümer einige Sorge auslöst. Die Raiffeisen-Landesbanken brauchen die RZB-Dividende dringend.

Auch Industrie bangt

Nicht nur die Banken, auch die Industrie würde unter einer Eskalation der Ukraine-Krise enorm leiden. Wirtschaftssanktionen der EU wären für Russland eine Katastrophe. Die dortige Wirtschaft lieferte in den ersten neun Monaten 2013 mehr als Hälfte ihrer Gesamtexporte in die EU. In Zahlen sind dies 156 Milliarden Euro. Der Großteil davon entfiel auf Energie und Rohstoffe. Die EU exportierte Güter in Höhe von 90 Milliarden Euro. Dies allerdings in Form von Maschinen und Dienstleistungen, die von der russischen Industrie dringend zur Modernisierung benötigt werden.

Österreich ist nicht nur in der Ukraine, sondern auch in Russland ein bedeutender Investor. Sieben Milliarden Euro haben heimischen Unternehmen dort investiert. Ein großer Brocken entfällt auf die Papier- und Holzindustrie (Mondi, Kaindl).

Auch für Österreichs Tourismus ist Russland mittlerweile eine feste Größe. 515.000 Russen besuchen jedes Jahr Österreich - von den Superreichen unter ihnen leben Fremdenverkehrsorte und Luxus-Geschäfte. Sanktionen würden deren Reisetätigkeit einschränken. "Wenn der Konflikt eskaliert, und Russland isoliert wird, würde das Österreich besonders hart treffen", ist aus Regierungskreisen zu hören.