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Urlaub in der Grauzone

Von Sophia Freynschlag

Wirtschaft
Sich an fremden Orten wie zuhause fühlen: Auf Onlineplattformen wie Airbnb, Wimdu und 9flats vermieten Privatpersonen Zimmer oder ganze Unterkünfte an Reisende.
© Airbnb

Immer mehr Touristen steigen in Wohnungen von Einheimischen ab.


Wien/Berlin. Von der "entzückenden" Ferienwohnung in Wien über ein Baumhaus mit Aussicht auf San Francisco bis zur Dachgeschoßwohnung mit Blick auf den Canal Grande in Venedig: Für ihren Aufenthalt an fremden Orten buchen immer mehr Reisende über Internetplattformen wie Airbnb, Wimdu und 9flats, wo Privatpersonen Unterkünfte oder Zimmer in ihrer eigenen Wohnung an Touristen vermieten. Auf Airbnb finden sich beispielsweise bereits Unterkünfte in 192 Ländern, 3500 in Österreich.

Nicht nur junge Menschen, sondern auch Geschäftsreisende, Gruppen an Freunden und Familien steigen gerne in Privatunterkünften ab: "Gäste, die über unsere Seite buchen, wollen eine Stadt auf eine gänzlich andere Art als der typische Tourist erleben: Sie wollen in einer lokalen Nachbarschaft wohnen und suchen mehr als Sightseeing", sagt Christopher Oster, Co-Gründer der Plattform Wimdu, die vor drei Jahren in Berlin gegründet wurde und mehr als 300.000 Unterkünfte anbietet, bei einer Podiumsdiskussion in Berlin. Familien würden den Komfort von Privatunterkünften schätzen, weil sie nicht mehrere Hotelzimmer buchen müssten.

Als U-Boot an fremden Orten

Für die Buchung treten Reisende mit dem Gastgeber über das Internet in Verbindung. Willigt dieser ein, ist die Unterkunft reserviert und der Betrag wird abgebucht. Auch Zeitpunkt und Ort der Schlüsselübergabe wird vorher ausgemacht. Das Einstellen einer Unterkunft auf den Portalen ist kostenlos, kassiert wird bei Abschluss einer Buchung. Die Portale kassieren dabei bis zu 15 Prozent des Preises der Unterkunft als Provision.

Die Portale sehen ihr Angebot nicht als direkte Konkurrenz zur klassischen Hotellerie: Viele Gäste in Privatunterkünften würden sonst gar nicht kommen oder kürzer bleiben - dadurch werde der Kuchen an Nächtigungen laut Anbietern insgesamt größer.

In der Statistik scheinen diese Übernachtungen allerdings nicht auf, denn die Touristen füllen normalerweise keinen Meldezettel bei ihrem Gastgeber aus. Das ruft die Hoteliers auf den Plan: Das Geschäftsmodell reize den rechtlichen Graubereich samt Meldegesetzen bewusst aus, die Vermieter "ersparen sich Ortstaxen, umgehen das Gewerberecht und sparen sich sämtliche Vorschriften", kritisiert die Österreichische Hoteliervereinigung (ÖHV).

Wimdu bietet auf seiner Website laut eigenen Angaben Unterkünfte um 30 Prozent günstiger als ein Hotelzimmer mit gleichem Standard an - ein großes Problem für die Hotellerie: "Privatpersonen beherbergen Gäste zu nicht konkurrenzfähigen Preisen und zahlen häufig keine Steuern und Abgaben. Das ist eine fatale Kombination und ein massiver Nachteil für heimische Klein- und Mittelbetriebe, die den Großteil der österreichischen Hotellerie ausmachen", sagt ÖHV-Sprecher Martin Stanits. Außerdem müssen Hotels eine Reihe an Sicherheits- und Hygienevorschriften einhalten, die bei Privaten nicht kontrolliert werden. Rechtlich bewegen sich viele Vermieter in einer Grauzone, die laut ÖHV die Städte jedes Jahr Steuereinnahmen, Ortstaxen, Arbeitsplätze und Wohnraum kosten. Die Chefs der Buchungsplattformen sehen sich jedoch nicht in der Verantwortung, sondern appellieren an ihre Vermieter: "Der Gastgeber muss sich erkundigen, welche Regelungen für ihn gelten", heißt es vom deutschen Standort des US-Unternehmens Airbnb auf Anfrage der "Wiener Zeitung".

Probleme mit Vermietern

Der typische Airbnb-Gastgeber vermiete die Unterkunft nicht hauptberuflich. Wimdu-Gastgeber verdienen laut der Website pro Monat im Durchschnitt 900 Euro. Die deutsche Plattform 9flats.com mit mehr als 113.000 Unterkünften weltweit macht den Großteil ihres Umsatzes mit professionellen Vermietern, so 9flats-Geschäftsführer Roman Bach. Zum Teil werden Zweitwohnungen, geerbte Immobilien oder eigens für die Weitervermietung angemietete Wohnungen auf die Plattformen gestellt. Deshalb werden die Portale für steigende Mieten und Wohnraumknappheit in Städten verantwortlich gemacht, was diese jedoch zurückweisen: Nur ein Bruchteil der angebotenen Immobilien würde auf den Wohnungsmarkt kommen, wenn sie nicht mehr an Touristen weitervermietet werden dürften. Immer wieder werden Fälle bekannt, bei denen Gastgeber ihre Mietwohnung ohne Wissen des Vermieters an Touristen weitervermietet haben.

Auch in anderen Ländern ist die Hotellerie alarmiert: "Die Plattformen sind kein Gemeinschaftskonsum, sondern ein großes Geschäft", sagt der Generalsekretär der spanischen Hotelvereinigung, Ramón Estalella Halffter. Der Schweizer Hotellerieverband fordert Waffengleichheit: "Privatvermieter sollen Marketingabgaben und Ortstaxe zahlen. Derzeit fühlt sich aber niemand verantwortlich für die Kontrolle der Regeln", so Thomas Allemann, Mitglied der Geschäftsleitung von hotelleriesuisse.

Die Tourismus-Branche sollte sich das Urlaubserlebnis in Privatquartieren als Vorbild nehmen, heißt es vom Zukunftsinstitut im Tourismus-Report 2014: "Anstatt krampfhaft zu versuchen den kollaborativen Tourismus verbieten zu lassen, sollte diese neue ,Schattenökonomie‘ als Herausforderung, etwas besser zu machen, angenommen werden."