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Sparweltmeister a.D.

Von Simon Rosner

Wirtschaft

Die Österreicher sparen immer weniger, sagt Statistik Austria. Doch was steckt dahinter, und: ist das schlimm?


Wien. Österreich, das ist nicht nur das Land der Berge, Hämmer, Äcker und Dome, es ist auch das Land, in dem eine Bank über viele Jahre mit einem mit Sparbüchern geschmückten Christbaum warb. Der Schilling war vor allem zum Sparen da, der Weltspartag der inoffizielle Nationalfeiertag und Österreich, wenn schon nicht Fußball-, so doch Sparweltmeister.

Diesen Titel hat Österreich längst eingebüßt, und laut Statistik Austria ist die Sparquote nun sogar auf einen historischen Tiefstand von 6,6 Prozent gesunken. In einem Land, das historisch zum Sparfetisch neigt, ist ein derartiger Rekord beachtlich.

Doch wollen die Österreicher nicht mehr sparen oder können sie nicht mehr? Die Antwort kann die Sparquote allein nicht geben, denn diese berechnet sich recht simpel durch das verfügbare Einkommen minus dem Konsum, der Rest ist dann das Ersparte. Allerdings wird bei dieser Rechnung das gesamte Einkommen herangezogen, also jenes aus Arbeit und jenes aus Vermögen. Und so hat eine sehr kleine Gruppe, nämlich jene ein, zwei Prozent der Österreicher, die mehr als die Hälfte des Vermögenseinkommens auf sich vereinen, einen sehr großen Einfluss auf die Sparquote.

"Der wesentliche Grund für die geringe Sparquote ist die schwache Entwicklung der Vermögenseinkommen", sagt auch Stefan Bruckbauer, der Chefökonom der Bank Austria. Laut den Statistikern stiegen die Einkommen aller Haushalte insgesamt nur um 1,1 Prozent, inflationsbereinigt ergibt das sogar ein Minus von einem Prozent. "Dabei waren die Tarifabschlüsse bei den Einkommen aus Arbeit gar nicht so schlecht", sagt Bruckbauer. Es ist vor allem die steigende Teilzeitquote, die auch in der Statistik die Entwicklung der Realeinkommen arg bremst.

Die niedrigen Einkommen haben auch den Konsum deutlich beeinträchtigt, der zwar um zwei Prozent zulegte, inflationsbereinigt aber ergab sich eine Stagnation. "Zum ersten Mal seit 1997", wie Bruckbauer betont. Wohin der Konsum geflossen ist, erzählen die Zahlen der Statistiker allerdings nicht, ebenso wenig, ob der nominelle Anstieg beim Konsum in gewisser Weise nicht auch "erzwungen" war, etwa durch höhere Gebühren, Energie- sowie Mietkosten.

Trend zu Sachwerten

Es deutet jedoch einiges darauf hin. Bruckbauer berichtet von einem "gewaltigen Rückgang der Konsumkredite" in den vergangenen fünf Jahren, zugleich gibt es einen stabilen Trend zu Realinvestitionen, etwa bei Immobilien. "Die Tendenz zu Sachwerten senkt die Sparquote", sagt der Bank-Austria-Ökonom. Laut einer Umfrage des Linzer Meinungsforschungsinstituts Spectra glauben mittlerweile sogar die meisten Österreicher, dass Immobilien die beste Anlageform sei - noch vor dem Sparbuch.

Gerade in den Ballungsräumen hat der Run auf Immobilien auch direkte Auswirkungen auf den Konsum, denn die Mieten sind gestiegen. Wird also weniger gespart, weil die Menschen mehr fürs Wohnen ausgeben müssen? "Es spielt schon eine Rolle", sagt Bruckbauer, schränkt aber ein: "Diese Entwicklung hat vor allem für niedrige Realeinkommen einen Effekt, doch es geht zulasten anderer Konsumgüter und ist ein Grund, warum sich etwa der Einzelhandel schwach entwickelt." Der Effekt auf die Sparquote ist vernachlässigbar, da die Geringverdiener ohnehin nicht sparen. In diesem Fall: sparen können.

Ist Sparen schlecht?

Dass das Einkommen relativ gesehen stärker in den Konsum als ins Sparschwein fließt, wird jene glücklich machen, die den Konsum als Treibstoff der Wirtschaft sehen. Allerdings muss ja vor Investitionen zuerst gespart werden. Was also bedeutet es, wenn bei Ex-Sparweltmeister Österreich kaum noch gespart wird?

Für Wifo-Ökonom Marcus Scheiblecker ist es kein Grund zur Besorgnis. "Das große Sparen war für Volkswirtschaften wichtig, die wenig Mittel aus dem Ausland bekamen und sich einen Kapitalstock aufbauen mussten." Auf Österreich traf das nach dem Krieg zu. Doch nun, erklärt Scheiblecker, bekomme man Kapital schnell aus dem Ausland, sollten die Österreicher zu wenig zur Seite legen. "Das Sparen wird heuer eher negativ gesehen, da es der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung schade", sagt der Wifo-Experte. Insofern: Wer braucht heute noch ein Land der Sparer?