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"Er hat aus mir einen Dieb gemacht"

Von Clemens Neuhold

Politik
Kellner Juraj Tatara geriet in eine skurrile Affäre.
© Facebook-Screenshot

Der slowakische Kellner Juraj Tatara über seine bittere Entlassung beim Nobelgastronomen Plachutta, | den Arbeitseifer der Osteuropäer und sein Leben zwischen Österreich und der Slowakei.


Wien. Wer Wind sät, wird Sturm ernten. Nobelgastronom Mario Plachutta feuerte einen Kellner, weil dieser in seiner Pause seine Erdbeeren mit Plachutta-Zucker staubte. Als die Arbeiterkammer (AK) dagegen klagte und vor dem Arbeitsgericht recht bekam, hielt Plachutta der AK auch noch vor, sich um einen Slowaken zu kümmern. Der Sturm, den er dafür erntete, war ein regelrechter "Shitstorm". So heißt die kollektive Empörung im Internet. Anlässlich des Tags der Arbeit am 1. Mai und den Zehn-Jahresfeiern zur Osterweiterung der EU um Länder wie die Slowakei sprach die "Wiener Zeitung" mit dem Opfer von "Zuckergate", dem slowakischen Kellner Juraj Tatara (43).

"Wiener Zeitung":Wie haben Sie die Zucker-Affäre erlebt?Juraj Tatara: Ich hatte eine reguläre Pause und habe meine privat mitgebrachten Erdbeeren gezuckert. Der Zucker stand dort wie auch der Pfeffer oder die Zahnstocher. Er ist persönlich vorbeigegangen, hat mich angeschrien und wörtlich gesagt, dass ich fristlos entlassen bin. Dann hat eine Mitarbeiterin aus seinem Büro angerufen, dass ich die Uniform abgeben soll.

Wie ging es Ihnen danach?

Ich wurde vorher nie entlassen. Im Gegenteil: Jeder Arbeitgeber hat gesagt, ich kann wiederkommen. Das bei Plachutta war eine große Überraschung. Ich wusste sofort, dass ich recht habe, dass das kein Kündigungsgrund sein kann. Und ich wusste auch: Für Herrn Plachutta möchte ich nie wieder arbeiten. Er ist ganz bestimmt ein guter Manager und ein erfolgreicher Mensch, niemand ist perfekt, aber auf der anderen Seite: So kann man mit Mitarbeitern nicht umgehen. Dann bin ich zur Arbeiterkammer gegangen und habe dann 2400 Euro brutto Entschädigung für das bekommen, was mir nicht ausbezahlt wurde.

Wie war Plachutta als Chef?

Der Job dort war gut, die Bezahlung auch, ich habe viel gearbeitet und das gerne gemacht. Aber trotzdem war er nicht zufrieden. Es gab immer Druck, Druck, Druck. Wir sollten mehr lachen und uns noch schneller bewegen, damit wir noch mehr Umsatz machen.

Wie sahen das die Kollegen?

Ich habe erfahren, dass das ganz normal ist bei ihm.

Hatten Sie das Gefühl, dass das von den Arbeitnehmerrechten her alles okay war?

Ja, rechtlich war das okay, aber von der menschlichen Seite her war es komisch.

Wo arbeiten Sie jetzt?

Entlassen wurde ich vor einem Jahr. Dann war ich vier Monate arbeitslos. Er hat aus mir einen Dieb gemacht, und wenn ich mich beworben habe, konnte ich wegen der Entlassung nicht lügen, falls sie bei Plachutta nachfragen.

Pendeln Sie?

Ja, ich bin fünf Tage in Wien und zwei Tage pro Woche in der Slowakei in Piestany bei meiner Familie. Das liegt im Norden von Bratislava.

Haben Sie schon immer in der Gastronomie gearbeitet?

Ja, ich habe die Hotelfachschule in der Slowakei und eine private Hochschule für Tourismus in Prag besucht. Ich bin seit zwanzig Jahren in deutschsprachigen Ländern und auf Kreuzfahrtschiffen mit deutschen Passagieren unterwegs, als Kellner und als Supervisor. Jetzt bin ich Kellner in einem Restaurant im 1. Bezirk.

Vor zehn Jahren ist die Slowakei der EU beigetreten. Jetzt wird viel darüber geredet, wie sich die Länder in Osteuropa entwickelt haben.

Es geht uns besser als vor einigen Jahren. Aber ich bin jetzt schon so lange im Ausland. Hier verdiene ich besser.

Muss man noch immer ins Ausland, um ordentlich zu verdienen?

Man muss nicht unbedingt ins Ausland gehen, in Bratislava und Umgebung kann man schon gut verdienen. Aber in der Mittel- und Ostslowakei gibt es noch Schwierigkeiten. Dort zieht es die Menschen ins Ausland.

Deswegen war die Angst groß vor einer Flut an Ost-Arbeitskräften.

Die Angst war umsonst. Nicht so viele sprechen Deutsch, können in der Gastro oder im Krankenhaus arbeiten.

In diesen Bereichen braucht Österreich seine Nachbarn. Warum?

Wenn wir gut verdienen, sind wir schnell zufrieden und wir sind es von der Vergangenheit her gewohnt, richtig hart dafür zu arbeiten. Egal, ob wir Überstunden machen müssen oder nicht, das ist keine Frage. Ich bin mir nicht sicher, ob das bei den Österreichern in diesen Bereichen genauso ist.

Wird die Slowakei bald sein wie Österreich?

Es gibt noch ganz große Unterschiede. Die Slowaken können nicht sparen. Sie verdienen und verbrauchen es sofort wieder.

Wollen Sie irgendwann wieder ganz zurück in die Slowakei?

Ich möchte in Wien arbeiten, mich weiterentwickeln, Restaurantleiter werden. Wenn ich einmal mehr Geld auf der Seite habe, dann mache ich in der Slowakei oder in Österreich mein eigenes Restaurant auf.