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Schuldenfalle Jobverlust

Von Sophia Freynschlag

Wirtschaft

Arbeitslosigkeit ist immer häufiger Ursache für Schulden - Budgetberatung soll Finanzproblemen vorbeugen.


Wien. Der Arbeitsplatz ist weg, die Fixkosten für Miete, Strom und Handy bleiben aber gleich. Wer mehr ausgibt, als er verdient, gerät schnell in die Schuldenfalle. Die Umwälzungen am Arbeitsmarkt machen sich bei Schuldnerberatungen bemerkbar: "Der erste Jobverlust ist der Hauptgrund für Überschuldung", sagt Hans W. Grohs, Geschäftsführer der ASB Schuldnerberatungen, der Dachorganisation der zehn staatlich anerkannten Schuldnerberatungen. Ein geringeres Einkommen ist eine zunehmende Ursache für Überschuldung: Rund 44 Prozent der Klienten von Schuldnerberatungen geben Arbeitsplatzverlust oder Kurzarbeit als Grund an, vor fünf Jahren waren es 33 Prozent. 31 Prozent der Berufstätigen, die von Schuldnerberatungen unterstützt werden, gelten als "Working Poor".

70.600 Euro Schulden im Durchschnitt

56.400 Personen suchten im Vorjahr Rat bei Schuldnerberatungen, so viele wie noch nie. Sie sind schlechter ausgebildet und haben ein wesentlich geringeres Einkommen zur Verfügung als die Gesamtbevölkerung, wie der Schuldenreport zeigt. 30 Prozent der Klienten müssen mit dem Existenzminimum (837 Euro monatlich) oder weniger auskommen, vor drei Jahren lag dieser Anteil bei 20 Prozent. "Ein geringeres Einkommen erschwert den Entschuldungsprozess", so Grohs.

27 Prozent der im Vorjahr beratenen Klienten waren 30 Jahre oder jünger, durchschnittlich haben sie 27.900 Euro Schulden angehäuft. Über alle Altersgruppen haben Klienten im Durchschnitt 70.600 Euro Schulden, der Großteil bei Banken. Besonders die ehemaligen Selbständigen haben hohe Schulden. Das Scheitern als Unternehmer ist der zweithäufigste Grund für Schulden, vor dem falschen Umgang mit Geld. "Immer mehr Schuldner scheitern bereits im ersten Jahr der Selbständigkeit", sagt Grohs.

Nachbesserungen wünscht sich Grohs beim Privatkonkurs: Die Mindestquote von zehn Prozent stelle bei geringem Einkommen oder bei hohen Schulden eine unüberwindliche Hürde dar. Mit einer Verfahrensdauer von sieben Jahren sei Österreich Schusslicht in Europa. Seit der Einführung 1995 sind 120.000 Personen in Privatkonkurs gegangen. Rund zwei Drittel haben ihn positiv abgeschlossen.

Damit es erst gar nicht zur Überschuldung kommt, soll die Budgetberatung der Schuldnerberatungen die Haushaltsfinanzen optimieren. "Dabei wird das Budget bei einem geringen Einkommen oder einer Einkommensverschlechterung kalkuliert", sagt Grohs. Besonders Personen vor einer Scheidung oder vor dem Pensionsantritt müssen mit weniger verfügbarem Geld rechnen - und ihre Ausgaben durchforsten. Bei der Beratung könne man auch überprüfen, ob sich der Traum vom Eigenheim finanzieren lässt. "Wir bieten ein kostenfreies Angebot ohne Verkaufsabsichten", sagt Herndler.

Die Budgetberatung wird derzeit nur in Oberösterreich offensiv angeboten. "Das Ziel ist, bis 2018 Budgetberatung flächendeckend anzubieten", sagt Grohs, der auf das Bekenntnis zum bundesweiten Ausbau der Schuldnerberatung im Regierungsprogramm verweist. Für den Start in allen Bundesländern brauche es 2,4 Millionen Euro an Mitteln. Die öffentlich finanzierten Schuldnerberatungen hatten im Vorjahr 12 Millionen Euro zur Verfügung. Damit habe man sich Transferleistungen in Höhe von 63 Millionen Euro erspart, so Grohs.

Kontoüberziehung ist teuer

"Die Einstiegsfalle Nummer eins ist der Kontoüberzug, oft schon in jungen Jahren", sagt Ferdinand Herndler, Geschäftsführer der Schuldnerhilfe Oberösterreich. Zudem werde der Kauf auf Raten zum "Massenproblem", etwa wenn Elektrogeräte oder der Sommerurlaub auf Raten abgestottert werden. "Bevor die Reise abbezahlt ist, steht schon der nächste Urlaub an", sagt Herndler.

Auf eine Umschuldung bei der Bank folgt oft ein neuerliches Minus am Konto. Wer wartet, gerät in eine Kosten-Zinsen-Spirale, warnt Herndler: "In vier Jahren verdoppeln sich die Außenstände." Dazu kommen Rechtsanwalts- und Inkassokosten, die nicht zu unterschätzen seien.

Wer sein Girokonto überzieht, muss mit hohen Überziehungszinsen rechnen: Bei der Bank Austria sind beispielsweise mindestens 9,5 Prozent fällig, bei der Bawag P.S.K. betragen die Sollzinsen zwischen 8,5 und 13,25 Prozent pro Jahr, bei der Raiffeisenbank Niederösterreich-Wien zwischen 8,5 und 12,5 Prozent. Angesichts der niedrigen Leitzinsen fordert die Arbeiterkammer seit längerem ein Sinken der Zinsen.

Wird der vereinbarte Überziehungsrahmen überschritten, werden zusätzlich Überschreitungszinsen verrechnet - bei der Raiffeisenbank NÖ-Wien betragen diese beispielsweise fünf Prozent. In Deutschland hat die Ing-Diba die Überschreitungszinsen beim Sprengen des Rahmens gestrichen, die Sparda-Bank schafft sie mit Juli ab. In Österreich ist das Streichen der Zinsen bei Überschreitung des Überziehungsrahmens derzeit für die Banken kein Thema, wie es auf Anfrage heißt. "Eine Kontoüberziehung dient nicht der längerfristigen Finanzierung. Der Überziehungsrahmen sollte daher nur sehr kurzfristig und in überschaubarem Maß in Anspruch genommen werden", heißt es von der Bawag P.S.K. Kunden mit größeren und längerfristigen Überziehungen empfehle man proaktiv, einen kostengünstigeren Konsumkredit aufzunehmen.

Grohs spricht sich dafür aus, dass eine Kontoüberziehung schriftlich vereinbart werden muss. Derzeit ist das nicht nötig: Mit einer Kontoüberziehung deckt der Kunde ohne weitere Rückfrage bei der Bank einen kurzfristigen Liquiditätsbedarf ab. Damit wird das Konto zu überziehen allerdings oft nicht als Schulden machen empfunden.