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Grauzone bei Preisabsprachen bleibt

Von Sophia Freynschlag

Wirtschaft

Kartellverstoß oder erlaubt? Bei Gesprächen zwischen Händlern und Herstellern bestehen Unsicherheiten.


Wien. "Minus 25 Prozent auf Bier" kündigten die Flugblätter zweier konkurrierender Handelsketten - Merkur und Spar - für das Wochenende an. Ist es Zufall, dass seit der "Aktion scharf" der Bundeswettbewerbsbehörde (BWB) in der Lebensmittelbranche an manchen Wochenenden Preisrabatte gleichzeitig von Mitbewerbern auf dieselbe Produktgruppe gewährt werden? Oder haben Händler und Produzenten nach den Hausdurchsuchungen das von den Wettbewerbshütern bei manchen Unternehmen beanstandete Verhalten in Einkaufsverhandlungen geändert?

Nach diversen verhängten Bußgeldern herrscht jedenfalls Verunsicherung in der Einzelhandelsbranche, wenn es um Einkaufsverhandlungen geht. Die BWB ist bei ihren Ermittlungen laut eigenen Angaben auf - zum Teil branchenweite - verbotene Vereinbarungen zwischen Produzenten und dem Handel gestoßen, die den Wettbewerb beschränken. Seit Donnerstag können Stellungnahmen zu einem überarbeiten Entwurf des Leitfadens abgegeben werden, dessen erste Version vor einem Jahr veröffentlicht wurde. Der Leitfaden ist nicht verbindlich. Die Behörde zählt darin auf, welche Vereinbarungen - ob mündlich oder schriftlich - sie auf alle Fälle als kartellrechtlich bedenklich einstuft und bei Kenntnis verfolgen wird.

Schmaler Grat bei Aktionen

"Viele Lieferanten und Händler sind sich nicht sicher, was zulässig und was nicht erlaubt ist. Das ist zum Beispiel bei Gesprächen über Preisaktionen wichtig, die eine große Bedeutung im Lebensmittelhandel haben", sagt Heinrich Kühnert von bpv Hügel Rechtsanwälte. Nach Auffassung der Wettbewerbshüter ist es zum Beispiel unzulässig, wenn Händler Druck auf Lieferanten machen, dass Produkte bei Mitbewerbern nicht zur selben Zeit in Aktion erhältlich sind.

Bei Gesprächen über Preisaktionen sei noch einiges aus kartellrechtlicher Sicht offen, sagt Rechtsanwalt Martin Stempkowski von Haslinger/Nagele & Partner in Wien. Aus Sicht der BWB sind Gespräche über die Ausgestaltung von Aktionen nur in dem Ausmaß erlaubt, als es für die Mengenplanung des Lieferanten unbedingt erforderlich ist. "Für Aktionen werden große Warenmengen benötigt, sodass die Lieferanten in die Planung eingebunden werden müssen", sagt der Kartellrechtsexperte. Außerdem brauche es für manche Aktionen spezielle Verpackungen mit mehr Inhalt oder anderem Design.

Heikel sei es, wenn ein Händler vom Lieferanten eine Stützung für die Aktion verlangt, der Produzent diesen finanziellen Beitrag aber an einen Höchstpreis binden möchte, der während des Aktionszeitraumes gilt. "Hier muss man genau aufpassen, dass die Höchstpreisempfehlung nicht auf einen Fixpreis hinausläuft", sagt Stempkowski.

"Der Teufel liegt im Detail"

Unverbindliche Preisempfehlungen sind erlaubt - eine weitere heikle Frage ist allerdings, wann eine "unverbindliche Preisempfehlung" nicht mehr als unverbindlich gilt, weil Druck auf das Gegenüber ausgeübt wird. "Hier gibt es noch eine Menge Grauzonen", sagt Stempkowski. "Erlaubt ist die Festsetzung von Höchstpreisen und unverbindlichen Verkaufspreisen - ohne Druck und Anreize, diese einzuhalten", sagt Kühnert. Hersteller dürfen die Positionierung ihres Produktes und die Gründe für die Preisempfehlungen erklären. Die gezielte und wiederholte "Bearbeitung" von Händlern mit dem Ziel einer möglichst einheitlichen Einhaltung einer Preisempfehlung verlässt aber nach Ansicht der BWB den Rahmen der Unverbindlichkeit. Für die Einhaltung bestimmter Verkaufspreise dürfen Händler keine Boni oder Rabatte erhalten, bei Nichteinhaltung dürfen keine Pönalen oder Lieferstopps verhängt werden. Umgekehrt dürfen Händler nicht rückwirkend einen niedrigeren Einkaufspreis zahlen, wenn Lieferanten nicht idente oder vergleichbare Preise bei der Konkurrenz durchsetzen.

"Der Standpunkt der BWB ist ein guter Ansatz. Er zeigt, wo die Behörde die Probleme sieht. Es sollte aber auch genauer herausgearbeitet werden, welche Verhaltensweisen zulässig sind", sagt Kühnert. Ähnlich sieht das Stempkowski: "Einige Graubereiche bleiben auch im neuen Standpunkt noch ungeklärt, weil die Ausführungen und Beispiele eher die ohnehin eindeutigen Fälle behandeln. Der Teufel liegt aber im Detail." Nachschärfungsbedarf sieht der Rechtsanwalt bei Richtlinien zu unverbindlichen Verkaufspreisen, Verhalten in Einkaufsgesprächen und Aktionspreisen, er schränkt jedoch ein: "Hundertprozentig treffsichere Checklisten für erlaubtes und unerlaubtes Verhalten wird es nie geben können." Zur Aufklärung und Bewusstseinsbildung könnte der BWB-Leitfaden allerdings einen Beitrag leisten.

Auch das von der BWB gegen Spar geführte Verfahren kann Klarheit bringen. Die Erfolgsaussichten der BWB sehen Experten differenziert: Bilaterale Preisvereinbarungen zwischen Händlern und Lieferanten können die Wettbewerbshüter erfahrungsgemäß leichter nachweisen. Sternkartelle, bei denen Händler Informationen über Lieferanten an den Mitbewerb weitergeben, gelten hingegen als schwerer nachweisbar.

Dem Handel droht Machtverlust

Mindest- oder Fixpreise sind besonders im Fall von hochkonzentrierten Branchen problematisch, weil sie den markeninternen Preiswettbewerb reduzieren oder sogar ausschalten können, heißt es von der BWB: "Starke und gut organisierte Händler können ihre Lieferanten dazu drängen, ihren Mitbewerbern überhöhte Weiterverkaufspreise vorzugeben, damit die marktstarken Händler ohne Marktanteilsverlust erhöhte Spannen erzielen können." Dadurch würden Endverkaufspreise und Marktanteile stabilisiert und der Gewinn von Marktanteilen durch preisaktive Mitbewerber behindert. "Die Lieferanten werden durch diese Praktiken doppelt benachteiligt", schreibt die BWB.

Die Konzentration im heimischen Lebensmittelhandel ist jedenfalls hoch: Rewe (mit Billa, Merkur, Penny, Adeg, Sutterlüty) kommt auf rund 35 Prozent Marktanteil, Spar hält 30 Prozent. Ein Experte meint: "Lassen sich Lieferanten nicht mehr auf Spielchen ein, schrumpft die Macht der Händler dramatisch."