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Die nächste Baustelle

Von Reinhard Göweil

Wirtschaft

Volksbanken laufen 2015 in veritable Kapital-Probleme - EU drängt Österreich zum Handeln.


Wien. In der heimischen Banken-Szene rumort es gewaltig, und Stein des Anstoßes ist das Finanzministerium. Bei den Volksbanken etwa ist man (inoffiziell) sauer darüber, von der Bankenaufsicht ein Mindest-Eigenkapital von 13,6 Prozent vorgeschrieben bekommen zu haben. Denn dies wird Anfang 2015 zu veritablen Problemen führen. Die von der Europäischen Zentralbank durchgeführte Prüfung der Vermögenswerte dürfte - so ist aus europäischen Aufsichtskreisen zu hören - zu einem zusätzlichen Abwertungsbedarf im Sektor führen. Gleichzeitig dürfen manche Kapital-Kategorien ob ihrer Schwäche nicht mehr eingerechnet werden. Und es tritt gleichzeitig die Bankenunion in Kraft, die zusätzliche Bankenhilfe des Staates verbietet. Diese Gemengelage bedroht nicht nur die Volksbank AG (ÖVAG), sondern den gesamten Sektor.

Wer deckt Kapitallücke?

Sowohl in Frankfurt als auch in Brüssel ist zu hören, dass Österreich das daraus resultierende Volksbanken-Problem unterschätze. Denn gemäß der Vereinbarung über die Bankenunion müssen Banken mit Kapitalbedarf zuerst versuchen, am Finanzmarkt Geld aufzutreiben. Das ist für die Volksbanken derzeit unmöglich. Danach müssen Aktionäre und Gläubiger (Anleihezeichner) zur Kasse gebeten werden. Das würde die 49 Volksbanken und etliche Bankkunden treffen - und ebenfalls Schockwellen im heimischen Finanzsystem auslösen. Im Volksbankensektor selbst wird der mögliche Kapitalbedarf offiziell nicht beziffert, Bankenaufseher sprechen von "mehreren hundert Millionen Euro".

Derzeit kommt der Volksbanken-Sektor, der von den Aufsichtsbehörden nur noch als Einheit betrachtet wird, auf 14,6 Prozent Eigenkapital - die vorgeschriebene Quote wird also übererfüllt. Das wird sich aber 2015 massiv nach unten verändern. Der heurige Verlust der ÖVAG wird auf 150 bis 200 Millionen Euro geschätzt, die einzelnen Volksbanken verdienen in etwa gleich viel. Auch der bis 2015 versprochene Verkauf der Banktochter in Rumänien beinhaltet noch etliche Risiken für die Bilanz.

Volksbanken läuft Zeit davon

Der Volksbanken-Sektor selbst versucht nun, sich so zu strukturieren, dass er kapitalmarktfähig wird. Aus 50 sollen etwa 12 Volksbanken werden, die heutige ÖVAG wird wenig mehr als eine Abteilung, die den Liquiditätsfluss steuert. Darüber sollte es dann eine Holding geben, die private Aktionäre ansprechen kann. Das dauert aber etwa drei Jahre, und bis 2018 muss die Republik ihren Anteil von 43 Prozent ohnehin verkaufen. Der wurde erworben, als die ÖVAG 2008 in massive Schieflage geriet. Derzeit hat die Republik 1,4 Milliarden Euro Steuergeld in der ÖVAG stecken. Sie hat selbst seit 2011 ihr Geschäftsvolumen von 43 auf unter 20 Milliarden reduziert und viele Beteiligungen verkauft.

"In der jetzigen Situation kann es eintreten, dass die Volksbanken diese Zeit nicht mehr haben. Wenn sie 2015 Kapital benötigen, aber gemäß den Bestimmungen der Bankenunion keines auftreiben, wird es für Österreich schwierig", ist aus EU-Kommissionskreisen in Brüssel zu hören.

Denn der Streit mit der damaligen Finanzministerin Maria Fekter in Sachen Hypo Alpe Adria ist in der EU-Kommission noch überaus präsent, es gibt wenig Lust, Österreich bei der ÖVAG erneut entgegenzukommen. Im Finanzministerium wird das Problem heruntergespielt, Minister Michael Spindeleggers jüngste Aussage zu den Volksbanken lautet, dass es kein weiteres Steuergeld mehr geben werde.

Das allerdings würde im Ernstfall bedeuten, den Volksbanken-Sektor in eine Kapital- und Liquiditätsfalle tappen zu lassen, aus der es kein Entrinnen gibt. Wie die "Wiener Zeitung" in Erfahrung bringen konnte, gibt es bei den Volksbanken ein Notfall-Programm, das die ÖVAG an die Seite der Hypo Alpe Adria stellen würde: eine Abbaubank, die dann unter staatlicher Kontrolle abgewickelt würde. Für den Steuerzahler wäre dies eine herbe Sache, denn bis zur Abwicklung wären dann weitere Staatshilfen notwendig. Auf diesem Weg würden aber auch einige Volksbanken auf der Strecke bleiben. Und die verbleibenden Volksbanken müssten sich dann ein neues Spitzen-Institut suchen, etwa die RZB oder die Erste.

Druck auf Kärnten

"Unter allen Modellen wäre dieses das teuerste. Am gescheitesten wäre es, wenn die Regierung noch 2014 eine Entscheidung trifft, sobald die Ergebnisse der EZB-Prüfung vorliegen", ist aus EU-Aufsichtskreisen zu hören.

Das Finanzministerium hat allerdings noch die Hypo Alpe Adria am Hals. Die Abbaubank wird nicht bei der ÖIAG angesiedelt, sie könnte nun doch beim Finanzministerium bleiben. Das wollte Spindelegger eigentlich vermeiden. Und der Finanzminister hat nun die Sozialpartner am Hals, da er - so die Darstellung Kärntens - eine Kreditaufnahme für das Land durch die staatliche Bundesfinanzierungsagentur verzögert. Dadurch soll Kärnten gezwungen werden, sich an der Hypo-Abwicklung finanziell zu beteiligen. "Rechtlich unzulässig und moralisch verwerflich", lautete die erste Reaktion von Kärntner Arbeiterkammer, Wirtschaftskammer und Industriellenvereinigung. In der Bundesfinanzierungsagentur versucht man zu beruhigen: Es fehle ein Tilgungsplan für die Schulden. Stimmt nicht, kontert die Landesregierung, es würden alle Pläne vorliegen.

Jedenfalls sorgt die Sache auf Bundesebene für erneuten Streit zwischen SPÖ und ÖVP. "Das würde sich Spindelegger bei einem ÖVP-geführten Bundesland niemals trauen", ist aus der SPÖ zu hören.