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Wie die Zentralbanken die Wirtschaft und ihre Länder retteten

Von Wolfgang Wolte

Wirtschaft

Gastbeitrag des Botschafters i. R. Wolfgang Wolte über Abwehrstrategien der Notenbanken.


1978 stürzte eine Ölkrise die Weltwirtschaft in Turbulenzen und verursachte in Österreich eine Zahlungsbilanzkrise. Die Österreichische Nationalbank stand vor der Frage: Sollen wir versuchen, das Leistungsbilanzdefizit durch eine Währungsabwertung zu retten und die Hartwährungspolitik dabei aufgeben, oder sollen wir den festen Wechselkurs zur D-Mark und zum Holland-Gulden beibehalten und die Leistungsbilanz durch eine Stärkung der Konkurrenzfähigkeit der österreichischen Außenwirtschaft sanieren? Mit entscheidender Unterstützung des Finanzministers Androsch und der politischen Rückendeckung durch ÖGB-Präsidenten Anton Benya konnte der Sanierungsweg, wie ihn Generaldirektor Heinz Kienzl entwickelt hatte, eingeschlagen werden. Nach einigen harten Jahren konnte sogar ein Handelsbilanzüberschuss erreicht werden.

In den 80er Jahren hatten die internationalen Finanzinstitutionen eine Illusion: Sie glaubten, dass die Sowjetunion für ihre Satellitenstaaten einspringen wird, wenn sich diese verschulden. Diese Illusion nannte man Regenschirm-Theorie. Als sie platzte, war auch für Österreich Feuer am Dach, denn auch wir waren Kreditgeber, vor allem für unsere Nachbarstaaten. Nun war es an der Nationalbank, eine Lösung zu finden. Stefan Koren, damals Notenbankpräsident, ergriff die Initiative, konnte den damaligen Finanzminister der BRD dafür gewinnen, der DDR mit 10 Milliarden D-Mark unter die Arme zu greifen. Dann zog Koren von einer internationalen Investorengruppe zur anderen. Im Direktorium deutete er seine Erfolge nur an, aber es gelang, die Oststaaten vor einem Absturz zu bewahren und damit auch Österreich zu retten.

Im August 1993 - Adolf Wala war Generaldirektor der OeNB - wurde die Bindung des Schilling an die D-Mark von Spekulanten heftig, letztlich aber erfolglos attackiert. Dieser Angriff erfolgte vor dem Hintergrund damals aufgetretener Turbulenzen im europäischen Währungssystem, die schlussendlich zu einer Neufestsetzung von Wechselkursrelationen führten. Die OeNB verteidigte den Wechselkurs durch Investitionen in der Höhe von 14 Milliarden Schilling. Banken, die von der OeNB fast zwei Milliarden D-Mark gekauft hatten, konnten die erforderlichen Schillingbeträge nicht mehr darstellen.

Das Problem wurde von der Notenbank durch technische Maßnahmen "geräuschlos" gelöst. Die Notenbankleitung brachte den Treasurern und Wertpapierhändlern der Großbanken darüber hinaus nachdrücklich zur Kenntnis, dass festgestellte Spekulationen auch in Zukunft keinesfalls durch nachträgliche Liquiditätsbereitstellung der OeNB alimentiert werden würden. Anfang 1994 wurden entsprechende Verhaltensregeln auch durch den Abschluss eines entsprechenden Gentlemen’s Agreement mit den wichtigsten Banken formell festgelegt.

Ende 2008 kam es zu heftigen spekulativen Attacken gegen praktisch alle mittel-, ost, und südosteuropäischen Länder (MOEL). Auch Österreich mit seinem hohen Exposure, insbesondere seiner Banken, in dieser Region kam unter Druck. Der Nobelpreisträger Paul Krugmann sprach sogar über die Gefahr eines Staatsbankrotts Österreichs. Der Europäische Rat beschloss im März 2008, nach intensivem österreichischem Lobbying, wobei die OeNB die Analysen lieferte, eine Erhöhung der Beistandsfazilität der EU für Zahlungsbilanzunterstützung auf 50 Milliarden Euro.

Andere folgten, wie der IMF, Japan, die USA, und so kamen, wie Franz Nauschnigg einer der wichtigsten Akteure, in der "Financial Times" berichtete, 1000 Milliarden zusammen. Die großen Gewinner dieser Beschlüsse waren die MOEL. Ein weiterer großer Gewinner war Österreich. Die Finanzmärkte wussten nun, dass IWF und EU ausreichende Mittel besaßen, um die Region zu stabilisieren. Wieder war die österreichische Wirtschaft auch durch die Initiative der OeNB gerettet.

Die Schweiz ist ein wichtiger Teil des internationalen Währungssystems, aber sie ist ein Einzelkämpfer, noch dazu galt der Schweizer Franken als sicherer Hafen bei Währungskrisen. Die Nervosität der Finanzmarktteilnehmer führte dazu, dass eine massive Flucht in den Schweizer Franken einsetzte. Hätte sich die Schweizer Nationalbank zurückgehalten und nichts unternommen, hätte der Franken gegenüber dem Euro so stark aufgewertet, dass die schweizerische Exportwirtschaft inklusive Fremdenverkehr zusammengebrochen wäre. Der damalige Chef der Schweizer Nationalbank, Philipp Hildebrand, traf eine mutige Entscheidung und plafondierte den Schweizer Franken bei 1,20 Euro. Die Schweizer Wirtschaft war gerettet, aber die Schweizer Nationalbank musste einen Verlust von 9 Milliarden Franken einstecken.

An der Eurorettung 2012 konnte die Österreichische Nationalbank, vertreten durch Ewald Nowotny, als Mitgestalter der Politik teilnehmen. Entscheidend war Mario Draghi, Chef der Europäischen Zentralbank. Die Rating-Agenturen hatten jahrelang mit ihren Bewertungen Unruhe in das ohnehin instabile Finanzsystem gebracht und mitgeholfen, den Zweifel am Euro, der in den USA nicht beliebt ist, zu schüren. Aber das Machtwort von Draghi, man lasse keinen Teilnehmer am Euro untergehen, brachte die Wende.

Niemand, der realistisch ist, kann annehmen, dass es gelingen wird, das internationale Finanzsystem so zu stabilisieren, dass nichts es erschüttern könnte. Der Schluss daraus: Wir brauchen starke, unabhängige Zentralbanken mit einer verantwortungsbewussten Führung.

Zur Person

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Defizitäre

Leistungsbilanz

Sowjetunion zahlt nicht

Attacken gegen D-Mark-Bindung

Südosteuropa im Visier

Bedrohung durch Ratings

Der Franken steigt und steigt

Wolfgang Wolte

war zwischen 1987 und 1993 Botschafter bei der Europäischen Gemeinschaft in Brüssel, danach im Außenministerium unter anderem stellvertretender Generalsekretär. Seit 1997 ist Wolte Mitglied des Vorstandes des Beirates der Österreichischen Gesellschaft für Europapolitik.