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Stromriese ohne Saft und Kraft

Von Karl Leban

Wirtschaft

Der Verbund halbiert seine Gewinnprognose, die Verwerfungen am Strommarkt setzen dem Konzern schwer zu.


Wien. Die Serie der Gewinnwarnungen bei Österreichs börsenotierten Großkonzernen reißt nicht ab. Waren es erst vor kurzem die Telekom Austria, der niederösterreichische Energieversorger EVN und die Erste Bank, die ihre bisherige Ergebnisprognose für heuer drastisch nach unten schraubten, hat am Donnerstag nun auch der Verbund eine derartige Hiobsbotschaft abgesetzt.

Der größte Stromproduzent des Landes musste seine Prognose für den Nettogewinn mehr als halbieren. Statt bisher mit 150 Millionen Euro rechnet das mehrheitlich dem Bund gehörende Unternehmen für das Gesamtjahr 2014 jetzt nur noch mit rund 70 Millionen. Außerdem gab der Verbund den Aktionären in einer Pflichtmitteilung bekannt, dass das operative Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda) rund 690 Millionen Euro betragen werde und nicht wie ursprünglich erwartet 850 Millionen.

Stilllegen von Kraftwerken kostet dutzende Millionen

Grund für den deutlich geschmälerten Gewinnausblick sind vor allem Belastungen durch die Stilllegung unrentabler Kraftwerke. Wie bereits im Mai angekündigt, wird der Verbund zum einen seine drei Gaskraftwerke in Österreich und Frankreich einmotten - Mellach, Toul und Pont-sur-Sambre - und zum anderen das Steinkohlekraftwerk Dürnrohr (Niederösterreich) und das ölbefeuerte Fernheizkraftwerk Neudorf/Werndorf II (Steiermark) für immer schließen.

Damit verbunden sind Kosten, aber auch Abschreibungen. Die Effekte daraus beziffert der Verbund beim operativen Ergebnis mit 118 Millionen und beim Gewinn mit 36 Millionen Euro. Was die Gaskraftwerke betrifft, kann der Konzern diese derzeit wegen der hohen Gasbezugspreise und der anhaltend sinkenden Verkaufspreise für Strom nicht kostendeckend betreiben. Mit seiner temporären Stilllegung der Anlagen steht der Verbund in Europa nicht alleine da. Auch große deutsche Energiekonzerne wie RWE haben zuletzt angekündigt, Gaskraftwerke aus betriebswirtschaftlichen Gründen entweder zu schließen oder einzumotten.

Als weiteren Grund für die Gewinnwarnung führt der Verbund den niedrigen Wasserstand vieler Flüsse an. Das Unternehmen betreibt insgesamt 125 Kraftwerke in Österreich und Bayern - zum Beispiel an der Donau, dem Inn, der Drau oder der Enns - und ist daher von der Wasserführung abhängig (ungefähr 90 Prozent seines erzeugten Stroms gewinnt der Verbund aus Wasserkraft). Im abgelaufenen ersten Halbjahr lag die Wasserführung jedoch um sieben Prozent unter dem langjährigen Durchschnitt. Laut Verbund wird dies auf das Ebitda mit 45 Millionen und auf den Nettogewinn mit 16 Millionen Euro negativ durchschlagen.

Massive Überkapazitätenin der Stromerzeugung

Ebenfalls ein Grund, warum der Vorstand seine bisherige Gewinnprognose kippen musste, sind die Großhandelspreise für Strom, die aufgrund eines Überangebots am europäischen Markt immer tiefer fallen - und das schon seit Jahren. Ein Ende dieser Talfahrt ist nicht in Sicht. Vor allem Deutschland, neben Österreich der wichtigste Absatzmarkt für den Verbund, treibt die Situation auf die Spitze, weil dort wegen der massiven Subventionierung erneuerbarer Energien mehr Strom erzeugt als gebraucht wird.

Für die Verbundgesellschaft ist die jetzige Gewinnwarnung denn auch "die Folge eines nicht funktionierenden gesamteuropäischen Strommarkts". Die Verwerfungen in der Branche - auch der CO2-Markt funktioniere nicht - übten "enormen Druck auf die Profitabilität europäischer Energieversorger" aus, betont der Konzern.

Unabhängig von dem schwierigen Marktumfeld muss das Unternehmen in der Bilanz 2014 aber auch noch Vorprojektkosten für einen Windpark in Rumänien und einen Teil der Investitionen in die albanische Enerji Ashta abschreiben. In Summe belaste dies das Ebitda mit 45 Millionen und den Gewinn mit 41 Millionen Euro.

Auf die aktuellen Widrigkeiten hat der Verbund nicht nur mit der Restrukturierung seiner kalorischen Kraftwerke reagiert, sondern auch mit Kostensenkungsprogrammen und Investitionskürzungen. Der Kursverlust der Verbund-Aktie hielt sich am Donnerstag in Grenzen. Trotz Gewinnwarnung gab der Titel "nur" um 2,6 Prozent nach.