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Retouren kommen Händler teuer

Von Sophia Freynschlag

Wirtschaft

Jedes zweite Kleidungsstück wird zurückgesendet - ist Ware getragen oder beschädigt, kann sie nicht weiterverkauft werden.


Wien. Wird das T-Shirt in Größe 38 oder 40 passen? Ist Rot oder Schwarz schöner? Egal - man kann ohnehin beide Kleidergrößen und Farben zur Auswahl bestellen. Online-Einkäufer sind es gewohnt, Ware problemlos zurückschicken zu können. "Schrei vor Glück - oder schick‘s zurück" lautete das Versprechen des Online-Händlers Zalando. Mittlerweile heißt der Slogan nur mehr "Schrei vor Glück": Denn viele Kunden nahmen den Spruch wörtlich - und viele Produkte landeten wieder beim Händler. Kolportiert wurde eine Retourenquote von 70 Prozent - laut Angaben von Zalando hat sich die Quote nun bei rund 50 Prozent eingependelt.

Getragene Kleidung,kaputtes Geschirr

Besonders Modeanbieter haben mit hohen Retourenquoten zu kämpfen. Bei Otto, Universal und Quelle werden 40 und 50 Prozent der Textil-Produkte retourniert. Wie eine Umfrage der KMU Forschung Austria ergeben hat, haben 49 Prozent der Käufer von Kleidung im Online- und Versandhandel sowie über Teleshopping zumindest einzelne Kleidungsstücke wieder zurückgeschickt. Bei Schuhen und Lederwaren haben 27 Prozent der Kunden Ware retourniert. Knapp jeder Vierte weiß schon beim Bestellen, dass er einen Teil wieder zurückschicken wird. Frauen senden übrigens Ware häufiger zurück als Männer - laut Studie liegt das daran, weil sie häufiger Mode bestellen. Besonders der Kauf auf Rechnung verlockt dazu, eine Auswahl zu bestellen und nicht alle Produkte zu behalten.

Die Retouren verursachen den Anbietern hohe Kosten und "senken Deckungsbeiträge massiv", sagt Reinhard Einwagner, Head of Online Marketing bei Smarter Ecommerce in Linz. Zwar können Händler seit Inkrafttreten der EU-Verbraucherrechterichtlinie am 13. Juni das Porto der Rücksendung auf Verbraucher abwälzen. Die meisten großen Händler, darunter Amazon, Otto und Zalando, verzichten aber darauf.

Doch nicht nur für den Versand fallen Kosten an: "Dazu kommen Handlingkosten für das Prüfen und Aufbereiten oder das Entsorgen der Ware", sagt Einwagner. Da kann eine Retoure schon einmal 20 Euro kosten. Hat der Kunde bereits bezahlt, muss der Betrag zurückerstattet werden. Auch eine Reinigung kostet Geld. Denn Kleidung kommt mitunter mit Make-up-Flecken am Kragen oder getragen - oft erkennbar an Falten in Knie und Armbeugen - zurück, Porzellan kann beim Transport zerbrechen.

Im Durchschnitt ist bei jeder zehnten Retoure die Ware nicht mehr verwendbar, wie eine Studie von IBI Research an der Universität Regensburg ergeben hat. Umtauschbetrug, sogenanntes "Wardrobing", stellt für zehn Prozent der Unternehmen ein ernstzunehmendes Problem dar, zeigt eine Umfrage des Instituts für Handelsforschung Köln.

Versuche zum "Umerziehen" der Kunden sorgten für Unmut

Kunden "umzuerziehen" sei schwierig, sagt Einwagner, und gibt Beispiele: Amazon sperrte Konten von Kunden, die nur wenig von ihrer bestellten Ware behielten. Zalando bat Kunden mit "auffälligem Retourenverhalten" eine Zeit lang per E-Mail um Mithilfe, Retouren zu vermeiden. Beide Male machten betroffene Kunden ihrem Ärger im Internet Luft.

Um die Retouren zu senken, sind genaue Produktinformationen ein erster Schritt, so Einwagner: Mit Beschreibungen, Fotos, Videos und Kundenbewertungen (etwa "Fällt größer aus", "Fällt kleiner aus") können sich Online-Shopper ein besseres Bild vom Produkt machen. Denn der häufigste Grund für Retouren ist das Nichtgefallen. Außerdem können Kunden ihre Maße angeben, damit die passende Kleidergröße ermittelt wird. Entscheidend ist eine schnelle Lieferzeit: Denn wartet ein Kunde lange, überlegt er sich den Kauf vielleicht noch einmal. Mittels Empfehlungen können Händler ebenfalls die Retourenquote senken - indem sie zurückgeschickte Produkte analysieren und Kunden nur Ware mit geringer Retourenwahrscheinlichkeit anbieten, weiß Einwagner.

Outfittery und Modomoto: Einkaufen für Einkaufsmuffel

Die Retourenquote mit jeder Bestellung senken wollen Anbieter wie Modomoto und Outfittery. Stylingexperten stellen nach den im Online-Fragebogen geäußerten Kundenwünschen Outfits zusammen, die nach Hause geschickt werden. "Der Wert einer Box mit 12 bis 15 Teilen beträgt 800 bis 1000 Euro", sagt Kristina Hellhake von Modomoto. Kunden können auch "No-Gos" und eine Preisspanne angeben, nach jeder Box werde ein Feedbackgespräch geführt. Bei der ersten Box werden 70 Prozent zurückgeschickt. "Nach der zweiten Box entsteht das Retourenproblem gar nicht mehr", so die Modomoto-Sprecherin. Das 2011 gegründete Berliner Unternehmen verschickt seit Dezember 2012 auch nach Österreich, Outfittery folgte im April 2013. Seit Juni ist der Berliner Online-Händler auch mit einem 15 Quadratmeter großen Geschäft am Hamburger Flughafen vertreten. Männer können sich dort kostenlos Outfits zusammenstellen lassen, die zum Probieren nach Hause geschickt werden.

Stellt sich noch die Frage, warum beide Anbieter nur auf männliche Kunden zielen? Von Outfittery heißt es dazu: "Männer shoppen eher zweimal im Jahr, dafür dann aber ausgiebig und neigen eher nicht zu Spontankäufen. Der weibliche Stil und die Vorstellungen weiblicher Kunden sind mit einem solchen Service nur schwer zu bedienen." Retouren wären also vorprogrammiert.