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Wenn das Postfach einfach leer bleibt

Von Rosa Eder-Kornfeld

Wirtschaft
Gestresst - und das gleich am ersten Tag nach dem Urlaub. Die volle Mailbox ist ein Dauer-Ärgernis.
© Ian Lishman/Juice Images/Corbis

Die Belastung durch Dauererreichbarkeit im Job lässt sich verringern: Arbeitgeber beginnen umzudenken.


Wien. Der erste Arbeitstag im Büro nach einem längeren Urlaub: Es gibt kaum jemanden, dem nicht davor graut. Ein Blick in den E-Mail-Eingangsordner reicht, und die gute Laune schwindet. Manche brauchen Tage, um die Flut, die sich in die Mailbox ergossen hat, abzuarbeiten und die Spreu vom Weizen zu trennen. Alternativ dazu checken viele auch im Urlaub ihre elektronische Post, damit sich von vornherein nicht zu viel aufstaut.

Vereinzelt haben bereits Unternehmen den Druck erkannt, der dadurch auf ihrer Belegschaft lastet, und neue Spielregeln geschaffen, damit die Mitarbeiter im Urlaub richtig abschalten können und danach wieder lange Energie haben. Nägel mit Köpfen macht etwa der deutsche Autobauer Daimler: Alle rund 100.000 Daimler-Mitarbeiter mit eigenem E-Mail-Postfach können ihre elektronische Post im Urlaub einfach automatisch löschen lassen. Der Abwesenheitsassistent "Mail on holiday" teilt dem Absender mit, seine E-Mail werde umgehend gelöscht, weist allerdings auch auf die zuständige Vertretung hin, sodass wichtige Anliegen dennoch bearbeitet werden können.

Beschäftigte des Autobauers sollen bei ihrer Rückkehr aus dem Urlaub "mit einem sauberen Schreibtisch" starten, also mit null Mails im Posteingang, betont Personalvorstand Wilfried Porth. Das Angebot ist freiwillig, ob es jemand nutzt oder nicht, werde vom Unternehmen nicht registriert, heißt es.

Arbeiterkammer: "Vorbildhaft"

Als "vorbildhaft" kommentiert Irene Holzbauer, Arbeitsrechtsexpertin der Arbeiterkammer Wien, die E-Mail-Löschaktion von Daimler, zumal die Aufarbeitungsarbeiten nach dem Urlaub nicht zu unterschätzen seien. Bei immer knapper werdenden Personalressourcen sei es dem Einzelnen oft nicht mehr möglich, sich nach einer längeren Abwesenheit ein oder zwei Tage in Ruhe wieder einzugewöhnen. Im Gegenteil: "Meistens habe ich noch nicht einmal die Koffer weggeräumt, da bin ich schon wieder urlaubsreif", beschreibt ein im Marketing eines mittelgroßen Unternehmens Angestellter gegenüber der "Wiener Zeitung" seine Situation in der ersten Zeit nach dem Urlaub.

Tatsächlich ist es so, dass der Stress der ersten Arbeitstage aufgrund des starken Kontrastes als belastender empfunden wird als im normalen Arbeitsalltag, sagt der Psychologe und Erholungsforscher Gerhard Blasche. Ein, zwei Tage, um wieder "reinzukommen", seien also durchaus zu empfehlen. Sich im Urlaub mit der Arbeit zu beschäftigen und die Mailbox täglich zu checken - und auch wenn es nur eine halbe Stunde pro Tag ist -, verringert jedenfalls den Erholungseffekt.

Aus arbeitsrechtlicher Sicht ist die Lage eindeutig: "Im Urlaub bin ich von meinen Dienstpflichten befreit und muss auch keine E-Mails lesen", sagt Irene Holzbauer. Der Arbeitnehmer kann sich also ruhigen Gewissens ausklinken. Es sei auch nicht Sache des Arbeitnehmers, sich um eine Vertretung zu kümmern. Dies sei eine Organisationsaufgabe, die der Arbeitgeber zu erledigen habe.

Dem stimmt auch Wolfgang Kinner, Arbeitsrechtsexperte und Anwalt bei Dorda Brugger Jordis, zu: "Wenn die Arbeit normalerweise auf zehn Personen verteilt ist und drei gehen auf Urlaub, muss sie der Arbeitgeber anders verteilen." Das falle unter seine Fürsorgepflicht. Oft gibt es aber keine Vertretung, und die Arbeit bleibt liegen. Dann könne der Chef aber auch nicht verlangen, dass das aufgestaute Arbeitspensum in zwei Tagen aufgearbeitet ist, sondern müsse dem Arbeitnehmer die notwendige Zeit dafür zugestehen, betont Kinner und verweist darauf, dass Mehrarbeit, die über die vereinbarte wöchentliche Normalarbeitszeit hinausgeht, im Rahmen des Zulässigen bleiben müsse.

Den Weg, den Daimler beschreitet, findet er ebenfalls lobenswert, da in diesem Fall das Unternehmen seine Pflicht, für das Wohlergehen der Mitarbeiter Sorge zu tragen, erfüllt. Denn die Dauererreichbarkeit im Job über E-Mails und Handy führt bekanntlich immer öfter zu psychischen Erkrankungen.

Beim deutschen Volkswagen-Konzern ist schon länger Schluss mit der totalen Erreichbarkeit. Dort hat der Betriebsrat durchgesetzt, dass bei Firmen-Blackberrys nach Feierabend die E-Mail-Funktion abgeschaltet wird. Erst eine halbe Stunde vor Arbeitsbeginn am nächsten Tag werden die Server wieder eingeschaltet.