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Wie krank ist Ihr Chef?

Von Andrea Möchel

Wirtschaft

Management kann die Gesundheit gefährden, behauptet Klaus Schuster in seinem neuen Buch "Manager-Krankheiten".


Das Rotkäppchen-Syndrom ist eine der typischen "Manager-Krankheiten".
© fotolia/olly

Wien. Sie halten sich für unfehlbar, demütigen Untergebene, nerven mit sinnlosen Meetings oder versprechen das Blaue vom Himmel - solche "verhaltensoriginelle" Führungspersönlichkeiten hat wohl jeder schon "genossen".

Für den deutschen Executive-Coach Klaus Schuster sind derart schlechte Angewohnheiten schlicht Symptome für schwere "Manager-Krankheiten", abseits von Burn-out oder Magengeschwüren. Denn: "Was die Ärzteschaft für Manager-Krankheiten hält, darüber können echte Führungskräfte nur lachen", behauptet Schuster in seinem neuen Buch. "Die echten Krankheiten, mit denen Manager ihre Karriere und das Weltfinanzsystem, ihre Unternehmen, den Jahresbonus und sich selbst ruinieren - die sind tabuisiert." Schuster bricht dieses Tabu pointiert und humorvoll und liefert zu jedem Krankheitsbild - von der "Alphatier-Tollwut" bis hin zur "Zampanitis" - auch gleich die passende Therapie.

Die Alphatiertollwut: Eigentlich haben Alphatiere im Management nichts verloren. "Alphatiere wollen nicht managen, sie wollen gewinnen", stellt Schuster klar. "Das empfinden sie unbewusst als so geil, so irre, dass sie nicht mehr damit aufhören können."

Anders als im Tierreich lösen Unterwerfungsgesten bei menschlichen Alphatieren statt Beißhemmung häufig einen Blutrausch aus. Fremdtherapie hilft hier also rein gar nichts. Schuster: "Dafür ist die Eigentherapie einfach. Man muss sich nur bewusst machen: Je heftiger einer prügelt, desto heftiger lässt er die Hose runter und gesteht: Ich hab’s nötig! Ich fühle mich nur dann groß, wenn ich andere kleinmachen kann!" Wird dem Alphamenschen das klar (gemacht), beißt er sich künftig lieber in den eigenen Hintern, als andere verbal zu zerfleischen.

Der Cäsaren-Wahn: Es ist Wochenende und Ihr Vorgesetzter bombardiert Sie trotzdem mit E-Mails? Dann leidet er höchstwahrscheinlich unter Cäsaren-Wahn, der Berufskrankheit im Management schlechthin, mit exorbitant hoher Ansteckungsgefahr. "Wer auch nur eine Woche das Kommando hat, ist danach zwangsläufig infiziert. Deshalb erwischt der Wahn auch viele Mütter, Väter, Lehrer, Trainer", warnt Schuster. Und: "Einem Cäsaren etwas weiszumachen funktioniert selten - siehe Nero." Also hilft auch hier nur Eigentherapie und Selbsterkenntnis. Zum Beispiel mittels folgendem Immun-Mantra: "Ein Großer, der einem Kleinen keinen Respekt zeigt, ist nicht wirklich groß."

Der Kaba-Komplex: "Kompetentes Auftreten bei Ahnungslosigkeit", kennzeichnet jene Manager, die im Brustton der Überzeugung völligen Unsinn von sich geben. Darüber hinaus ist Kaba auch ein gewichtiges Kriterium bei der Fehlauswahl von Führungskräften. Der Grund: "Wer am wenigsten Ahnung hat, tritt paradoxerweise am selbstbewusstesten auf und wird deshalb überdurchschnittlich oft und schnell befördert", erklärt Schuster. "Verlässt man seinen Wirksamkeitsbereich aber zu weit, ist Kaba der reinste Karriere-Selbstmord." Davor kann ein Coach oder Vertrauter bewahren, der einen vor Überschätzung warnt. "Erfahrene Führungskräfte nutzen dazu auch den Advocatus Diaboli, den Skeptiker vom Dienst unter ihren Mitarbeitern", weiß Schuster aus seiner Trainer-Praxis.

Morbus Machete: Voraussetzung ist jedoch immer, dass sich der Chef auch etwas sagen lässt und die Notwendigkeit von Verhaltenstherapie und Training einsieht. "Ich höre schon den Aufschrei der Manager!", ätzt Schuster. "Machete trainiert nicht, das sagte doch tatsächlich ein Abteilungsleiter dem Personalleiter, als dieser ihn wegen augenfälliger Defizite beim Leadership zum Training schicken wollte." Seine Begründung: "Echte Manager trainieren nicht. Die haben das einfach drauf."

Das Rotkäppchen-Syndrom: Ein weiteres absolutes No-Go unter Führungskräften ist die Frage: "Hilfst du mir, mein aktuelles Projekt gedanklich durchzuspielen?" "Das würde sofort als Schwäche ausgelegt", weiß Schuster. "Doch jeder Mensch braucht einen Sparringspartner, um nicht wie Rotkäppchen einsam im Wald zu stehen."

Gefährdet sei grundsätzlich jeder. "Gib einer Gruppe einen Gruppenleiter und du kriegst ein Rotkäppchen", postuliert der Autor. Der Grund: "Bestimmte Fragen kann ein Gruppenleiter mit seiner Gruppe, aus der er hervorgegangen ist, nicht mehr besprechen." Hierarchische Vereinsamung liege aber nicht nur am Solistentum vieler Führungskräfte, sondern auch an der herrschenden Unternehmenskultur. In der gilt: "Was fragen Sie uns? Sie sind der Boss, Sie entscheiden!"

Subscriptio praecox: Eine besonders fatale Folge dieser Einstellung ist der "vorzeitige Tintenerguss". "In der österreichischen Telekom-Affäre wurde ein Vorstand zu ein paar Jahren Haft verurteilt, weil er unterschrieben hatte, was er nicht hätte unterschreiben dürfen", schildert Schuster. "Er entschuldigte sich vor Gericht damit, dass man als Manager täglich so vieles unterschreibe, da könne man schließlich nicht alles immer so genau wissen." Als Therapie helfe hier nur die "Niemals-ohne-Durchlesen-Verstehen-Hinterfragen-Therapie". "Die Alternative ist blindes Vertrauen in das Zeugs, das die Mitarbeiter anschleppen", warnt Schuster eindringlich. "Wie toll blindes Vertrauen ist, können Sie jene Manager fragen, die "wegen vorzeitigen Signaturergusses" im Knast sitzen."

Buchtipp
Klaus Schuster: "Manager-Krankheiten: von A wie Alphatier-Tollwut bis Z wie Zampanitis", Redline Verlag, ISBN: 978-3-86881-540-5