Von Papier ins Internet: Die EU forciert die Online-Abwicklung von Auftragsvergaben. - © fotolia/Marco2811
Von Papier ins Internet: Die EU forciert die Online-Abwicklung von Auftragsvergaben. - © fotolia/Marco2811

Wien. (sf) Ob Schulbau, Lieferung von Wurst oder Werbekampagne: Öffentliche Auftraggeber müssen für die Beschaffung bald elektronische Vergabeplattformen nutzen, das schreibt eine heuer veröffentlichte Richtlinie der EU vor. Die Zeit drängt: Wer sich noch nicht mit elektronischer Vergabe befasst hat, für den werde es eng, sagte Gregor Stickler von der Kanzlei Schramm Öhler Rechtsanwälte vergangenen Donnerstag beim Kundentag der Online-Plattform für Vergabestellen lieferanzeiger.at, die zur Wiener Zeitung GmbH gehört.

Die Umstellung in der EU läuft stufenweise: Ab April 2016 müssen öffentliche Auftraggeber Ausschreibungsunterlagen elektronisch zur Verfügung stellen. Ab April 2017 müssen zentrale Beschaffungsstellen (im Auftrag öffentlicher Auftraggeber tätige öffentliche Auftraggeber wie die Bundesbeschaffungsgesellschaft) Aufträge über 100.000 Euro - von der Bekanntmachung bis zur Vergabe - online abwickeln. Ab Oktober 2018 gilt diese Pflicht für alle öffentlichen Auftraggeber.

Zeitersparnis und
Schutz vor Manipulation

Derzeit können Auftraggeber freiwillig eine elektronische Vergabe durchführen oder die Unterlagen online bereitstellen. Für die Abwicklung gibt es derzeit mehrere Anbieter in Österreich, zum Teil seien die Plattformen aber unausgereift, so Matthias Öhler von Schramm Öhler Rechtsanwälte.

Mit der elektronischen Vergabe können sich Auftraggeber Zeit ersparen, zudem biete sie einen hohen Schutz gegen Manipulationen. Das hat ein Praxistest von lieferanzeiger.at durch die Wiener Rechtsanwaltskanzlei ergeben.

Auch die Kommunikation zwischen Auftraggeber und Bieter läuft über die Plattform ab, diese wird ebenso wie der Abgabezeitpunkt und der Inhalt der Angebote in einem eigenen Verfahrensprotokoll erfasst. Bereits während der Ausschreibungsphase sieht der Auftraggeber, wie viele Interessenten es gibt und wie viele davon ein Angebot in Arbeit oder abgeschickt haben. Das System lässt mit Ende der Abgabefrist automatisch keine Angebote mehr zu.

Angebote werden mit einem Code versehen, wodurch Rechtsstreitigkeiten über verspätete Abgaben oder eingereichte Dokumente der Vergangenheit angehören sollten, erwarten Juristen. Auch die Öffnungssitzung kann über den Computer erfolgen - entweder mit physisch anwesenden Bietern oder via Skype. Ist das Vergabeverfahren beendet, können sämtliche Daten des Verfahrens in Form einer ZIP-Datei archiviert werden.

Im EU-Vergaberechtsreformpaket finden sich nicht nur Fristen für die E-Vergabe, es beinhaltet auch zahlreiche weitere Neuerungen: Unter anderem wird bei den Zuschlagskriterien das wirtschaftlich günstigste Angebot um Qualitäts-, Umwelt- und Sozialaspekte erweitert. Beispielsweise können Auftraggeber einen Nachweis verlangen, der Kinderarbeit in der Produktion von Arbeitskleidung ausschließt. Es werde interessant zu beobachten sein, inwieweit Auftraggeber solche Kriterien einbeziehen, sagte Michael Holoubek von der Wirtschaftsuniversität Wien, klar sei: "Für Auftraggeber wird es dann teurer."

Neu ist auch die "Einheitliche Europäische Eigenerklärung", mit der Bieter die Eignungsvoraussetzungen bestätigen. Mit der Bevorzugung der Losvergabe gegenüber großvolumigen Aufträgen sollen Klein- und Mittelbetriebe gefördert werden. Die Mitgliedstaaten müssen die Richtlinie bis April 2016 in nationales Recht umsetzen.

Elektronische Signatur ist Voraussetzung fürs Mitbieten

Voraussetzung für das Mitbieten auf Online-Plattformen ist die qualifizierte elektronische Signatur, und gerade da sehen die Experten noch großen Nachholbedarf. Möglich ist die Signatur mit freigeschalteter E-Card, A-Trust-Karte oder via Mobiltelefon. Bei einer Signatur mit Karte ist ein Kartenlesegerät und Signatursoftware nötig, beim Mobiltelefon eine Internetapplikation, bei der sich die Person registrieren muss. Aktiviert werden kann die Signatur über finanzonline.bmf.gv.at, persönlich in einer der Registrierungsstellen oder mittels eingeschriebenem RSa-Brief.

Angebote müssen von vertretungsbefugten oder bevollmächtigten Personen elektronisch signiert werden. Firmenchefs brauchen eine Signatur - sonst müssen sie einem Mitarbeiter die Vollmacht erteilen und dieses Dokument mit dem Angebot auf die Plattform hochladen.