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Unterbezahlt im Tankstellenshop

Von Sophia Freynschlag

Wirtschaft

Der Oberste Gerichtshof gab einer Tankstellenshop-Mitarbeiterin, die auf Anstellung nach dem Handels-Kollektivvertrag klagte, recht.


Wien. Sind zahlreiche Tankstellenshop-Mitarbeiter dem falschen Kollektivvertrag (KV) zugeordnet? Eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofes (OGH) lässt annehmen, dass viele Beschäftigte in Tankstellen mit angeschlossenem Shop zu schlechteren Konditionen arbeiten, als ihnen aufgrund ihrer Tätigkeiten zusteht. Eine Hiobsbotschaft für viele Tankstellenbetreiber, deren Eigenkapitaldecke ohnehin schon dünn ist.

Im konkreten Fall klagte eine Mitarbeiterin einer Selbstbedienungstankstelle samt Waschanlage, Shop, Bistro und Paketannahmestelle ihren Arbeitgeber: Sie vertrat die Ansicht, dass sie nicht dem KV für die Arbeiter der Garagen-, Tankstellen- und Servicestationsunternehmungen, sondern dem für sie günstigeren KV für Handelsangestellte unterliege. Der OGH gab ebenso wie die Vorinstanzen der Klägerin recht.

Tankstellen als Nahversorger

Ausschlaggebend für die Einstufung in den Handels-KV ist der Entscheidung (9ObA81/14y) zufolge, dass die Beschäftigte nicht nur kassierte, sondern durchaus verantwortungsvolle kaufmännische Tätigkeiten ausübte, etwa indem sie Waren selbständig bestellte und den Wareneingang anhand der Lieferscheine zu prüfen hatte. "Die Grenzziehung zwischen kaufmännischen Diensten und untergeordneten Verrichtungen ist einzelfallbezogen", halten die Richter fest. Sie verweisen darauf, dass sich die Tätigkeit der Beschäftigten durch das Shopkonzept der Tankstelle jener in einem gewöhnlichen Handelsbetrieb sehr stark angenähert hat.

Durch die zahlreichen neu eröffneten Tankstellenshops - neben den Viva-Shops bei OMV sind auch Supermarktketten von Billa über Merkur bis Spar mit Shops präsent - haben sich die Anforderungen an die Mitarbeiter geändert. Stand früher das Kassieren im Vordergrund, betreut das Personal nun Shops mit Produkten vom Apfel bis zur Zahnbürste.

Das bestätigt auch Manfred Wolf von der Gewerkschaft GPA-djp: "Immer mehr Tankstellen treten als Nahversorger auf, daher sollten bestimmte Mitarbeiter auch als Handelsangestellte beschäftigt werden." Die OGH-Entscheidung gehe für die Gewerkschaft in die richtige Richtung.

Auch den Arbeitgebern ist das Problem der korrekten Einstufung bewusst. Einen Tankstellen-KV gibt es derzeit aber nur für Arbeiter, nicht für Angestellte. "Wir planen, einen eigenen Angestellten-KV zu verhandeln, damit es mehr Rechtssicherheit gibt", sagt Werner Sackl, Obmann des Fachverbands der Tankstellenunternehmungen in der Wirtschaftskammer Österreich. Die Verhandlungen mit der Gewerkschaft GPA-djp starten am Dienstag. Über die geforderten Eckpunkte eines neuen Angestellten-KVs halten sich beide Seiten noch bedeckt, bevor es erstmals an den Verhandlungstisch geht. "Wir wollen eine saubere Gesamtlösung, von der alle profitieren", sagt Wolf.

Die Wirtschaftskammer schätzt, dass ein paar hundert der insgesamt 10.000 bis 12.000 Tankstellen-Mitarbeiter, beispielsweise Tankstellenleiter, derzeit nach dem Handels-KV angestellt sind. Die Gewerkschaft geht von 1000 Angestellten aus. Wie viele Beschäftigte insgesamt als Angestellte eingestuft werden müssten, weil sie etwa für Warenbestellung und Wareneingangskontrolle verantwortlich sind, ist derzeit nicht abzuschätzen.

Knackpunkt Sonntagszuschläge

Die Verhandlungen nächste Woche drehen sich nicht nur um die Brutto-Löhne. Spießen könnte es sich an den Zuschlägen: Angestellte im Handel bekommen Zuschläge, wenn sie abends ab 18.30 Uhr oder samstags ab 13 Uhr arbeiten. Für Sonntagsarbeit (sofern diese erlaubt ist) erhalten sie 100 Prozent Zuschlag und Zeitausgleich. Im Tankstellen-KV gibt es derartige Zuschläge nicht, für Nachtarbeit zwischen 22 und 6 Uhr sind 1,10 Euro brutto pro Stunde vorgesehen.

Werden im neuen KV Zuschläge für Sonntagsarbeit fixiert, würde das die Personalkosten der Tankstellenshopbetreiber angesichts der längeren Öffnungszeiten empfindlich verteuern. Und das in Zeiten, in denen mit Treibstoff kaum mehr etwas zu verdienen ist. In den letzten drei Jahren haben 250 unrentable Tankstellen zugesperrt. Die Zahl der Automatentankstellen ist rasant auf fast 600 von insgesamt 2500 Tankstellen (ohne Betriebstankstellen) gestiegen. Umsatzbringer sind die Shops. Bei der Gewinnspanne pro Liter Treibstoff ist Österreich unter den Schlusslichtern Europas - nur in Großbritannien liegt sie noch niedriger. Im ersten Halbjahr sind die Margen für Eurosuper weiter abgesackt, bei Diesel blieben sie stabil. Der Nettogewinn liegt nun laut Sackl bei ein bis zwei Cent je Liter Treibstoff, teilweise auch darunter.