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Eine unbekannte Größe

Von Cathren Landsgesell

Wirtschaft
Entwicklung des Schneckenrads beim Vorarlberger Betrieb Zimm: Kooperative Forschungsinstitute tragen zur Wettbewerbsfähigkeit mittelständischer Unternehmen bei.
© V-Research

Ein neues Buch zum österreichischen Innovationssystem beschreibt die Geschichte kooperativer Forschung.


Wien. Dass die Geschichte letztlich so und nicht anders verlaufen ist, ist zum Beispiel für die Zimm Maschinenelemente GmbH + Co KG ein Glücksfall: Das Vorarlberger Unternehmen für Antriebstechnik ist auf Spindelhubsysteme spezialisiert, die auf engstem Raum tonnenschwere Lasten präzise manövrieren können. Zimm verkauft die Spindelhubsysteme in die ganze Welt. Vor gut fünf Jahren sah sich das Unternehmen unter anderem durch steigende Rohstoffpreise zu einem weiter gehenden Innovationsschritt gezwungen: Es ging um die Entwicklung neuer Schneckenräder. Zimm fand in dem Vorarlberger Forschungsinstitut V-Research, das auf Tribologie, also Reibungsforschung, spezialisiert ist, einen kompetenten Partner, kam nach viereinhalb Jahren gemeinsamer - kooperativer - Forschung zu einem neuen Schneckenrad und konnte so seine internationale Wettbewerbsfähigkeit sichern. Zimm und V-Research wurden 2014 mit dem Kooperationspreis der Austrian Cooperative Research (ACR) ausgezeichnet.

Dass kleine und mittlere Unternehmen in Österreich Forschungsinstitute wie V-Research an ihrer Seite haben, ist nicht selbstverständlich. Das zeigen die Forschungen der beiden Wissenschaftshistoriker Rupert Pichler und Reinhold Hofer, die nun als Buch vorliegen. Pichler und Hofer sind vor allem an der forschungspolitischen Dimension der kooperativen Forschung, wie sie zum Beispiel V-Research anbietet, interessiert: Es geht in dem Buch in erster Linie darum, mit welchen Mitteln der Kampf um öffentliche Mittel für die außerhalb der Universitäten und Hochschulen angesiedelte Forschung ausgefochten wurde. Obgleich die außeruniversitären Institute für die KMU von großer Bedeutung waren, hatten sie in den Verteilungskämpfen immer schon die schlechteren Karten, wie Pichler und Hofer detailreich aufzeigen.

Zwischen den Stühlen

Eine nicht unerhebliche Rolle in diesen Kämpfen um knappe Finanzierung spielte (und spielt) die Teilung zwischen Grundlagenforschung auf der einen und angewandter Forschung auf der anderen Seite. Die (Groß-)Industrie ließ schon im 19. Jahrhundert an den Technischen Hochschulen forschen und unterstützte sie auch projektunabhängig finanziell. Die Hochschulen sahen die Aktivitäten der kooperativen Forschung mit entsprechendem Misstrauen. Die Universitäten, nicht in der Auftragsforschung aktiv, sahen die kleinen Institute wiederum als Konkurrenten um die begrenzten staatlichen Mittel. Die Kunden der kooperativen Einrichtungen wiederum konnten die Forschung allein nicht finanzieren. Diese Konstellation sehen die Historiker bis in die Gegenwart am Werk.

Zwar gelingt es den kooperativen Instituten 1954, ihre Dachorganisation neu zu gründen und ihre Aktivitäten zu bündeln, von einer Anerkennung ihrer Rolle im Innovationssystem sind sie noch weit entfernt. Die Kämpfe um die Etablierung einer Forschungsförderung sind in der Nachkriegszeit zunehmend parteipolitisch geprägt, der VKF, später ACR, gelingt es aber, ihre Rolle im Innovationssystem zu festigen und sich zugleich weiter zu internationalisieren. Die 1970er Jahre sehen die Etablierung von neuen staatlichen außeruniversitären Einrichtungen, gegenüber denen sich die kooperative Forschung als privater Akteur behaupten muss. Was ihr auch gelingt, so ein Resümee von Pichler und Hofer, die ihr Buch mit den 1980er Jahren enden lassen. Heute hat die ACR in ihrem Netzwerk von 19 kooperativen Forschungseinrichtungen einen Umsatz von 56,2 Millionen Euro. Die Basisfinanzierung durch den Bund liegt bei 2,5 Millionen Euro.