Wien. (kle) Christoph Leitl nimmt kein Blatt vor den Mund. "Erschreckend" sind für den Chef der Wirtschaftskammer Österreich (WKO) die jüngsten Ergebnisse des Wirtschaftsbarometers seiner Organisation. "Solche Töne" habe es bisher in seinem Haus nicht gegeben: Die Konjunktur kühlt weiter ab, die Geschäftstätigkeit trübt sich ein, das Wirtschaftsklima ist negativ, Impulse fehlen und bei Investitionen herrscht Zurückhaltung. Nur die Aussichten für den Exportumsatz schätzen die Betriebe als positiv ein.

In den kommenden zwölf Monaten ist laut Analyse der Wirtschaftskammer keine eindeutige Belebung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung auszumachen. Jetzt gehe es darum, die Lage "schonungslos zu analysieren", so Leitl in einer Pressekonferenz am Mittwoch. "Im Kampf ums Wachstum" vertraue er "nicht auf Prognosen, sondern auf unsere Mitglieder". Derzeit liege Österreichs Wirtschaft auf dem Niveau von 2009, "dem Jahr des Absturzes". Zwar glaubt der WKO-Chef nicht, dass es 2015 zu einem Absturz kommt, aber auch nicht, dass "wir raufkommen".

Ein Drittel der Firmen denkt an Personalabbau

Aktuell sind die Erwartungen der Betriebe bei Umsätzen, Auftragslage und Investitionen so niedrig wie seit 2009 nicht mehr. Die Erwartungen für das Wirtschaftsklima sind bereits zum sechsten Mal in Folge negativ. Vier von zehn Firmen rechnen mit einer weiteren Verschlechterung des Wirtschaftsklimas in den kommenden zwölf Monaten.

Vor allem bei kleinen Unternehmen mit weniger als 50 Mitarbeitern hat sich die Stimmung respektive ihre Erwartungshaltung stark eingetrübt. 98,5 Prozent der Firmen in Österreich haben weniger als 50 Leute im Betrieb, sie sorgen für 40 Prozent der unselbständigen Beschäftigung.

Immerhin plant die Hälfte aller Unternehmen, die Beschäftigung konstant zu halten, während ein Drittel davon ausgeht, Mitarbeiter abzubauen. Nur 13 Prozent wollen Personal aufstocken.

Die Erwartungen in die Geschäftstätigkeit, die sich aus der jüngsten Befragung von 3650 Unternehmen abzeichnet, deuten lediglich eine geringe konjunkturelle Dynamik an. Gedämpft sind die Erwartungen sowohl im Produktionssektor als auch bei den Dienstleistungen.

Aufgrund der trüben Aussichten ist die Zahl jener Unternehmen, die sich von der Regierung steuerliche Maßnahmen als Anreiz für Investitionen wünschen, zuletzt gestiegen. Haben sich vor zwei Jahren 68 Prozent der befragten Firmen dafür ausgesprochen, sind es nun 73 Prozent. Gefordert werden aber auch Verwaltungsvereinfachungen sowie das Senken von Verwaltungskosten.

Christoph Matznetter, Präsidiumsmitglied in der WKO, befürchtet für Europa eine "japanische Krankheit" mit lang andauernder Seitwärtsbewegung. Ein "großartiges Signal" sei aber die positive Exporterwartung der heimischen Betriebe, so der ehemalige SPÖ-Finanzstaatssekretär. Somit könne der Standort Österreich nicht so schlecht sein, wie manche dies darstellten. Zumindest für die Industrie hält WKO-Vizechef Richard Schenz dem aber entgegen: "Die Frage ist, zu welchem Preis wir exportieren. Preislich ist jetzt nicht erwirtschaftbar, was in den vergangenen Jahren möglich war."

Leitl: Mit mehreren Maßnahmen gegensteuern

Damit die insgesamt nicht gerade rosigen Annahmen für die Konjunktur gar nicht erst eintreten, fordert WKO-Chef Leitl Maßnahmen auf Seiten der Politik - unter anderem die Anhebung der Grenze für geringwertige Wirtschaftsgüter von derzeit 400 auf 1000 Euro, um etwas teurere Anschaffungen im ersten Jahr und nicht über ihre Nutzungsdauer verteilt abschreiben zu können. Auch eine Investitionszusatzprämie hält Leitl für sinnvoll. Wer in den vergangenen Jahren wenig investiert habe und dies nun zusätzlich tue, solle einen Anreiz bekommen. Bei notwendigen Investitionsanreizen setzt der WKO-Boss aber auch auf das brandneue EU-Paket.

Ebenso seien neue Finanzierungsmöglichkeiten für den Mittelstand wie etwa Crowdfunding ein großes Thema in Gesprächen mit Finanzminister Hans Jörg Schelling, sagt Leitl weiter. Bei diesen Gesprächen gehe es auch darum, beim Handwerkerbonus, der aktuell ausgereizt ist (10 Millionen Euro), eine "Brücke" bis 2015 zu schlagen, wenn wieder Mittel (20 Millionen Euro) vorgesehen sind. Was ebenfalls auf der Wunschliste des Wirtschaftskammer-Präsidenten steht: "Vorhandenes Privatkapital soll verstärkt zu Investitions- beziehungsweise Risikokapital werden - auch dazu braucht es Anreize."