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Preisabsprachen "mit System"

Von Sophia Freynschlag

Wirtschaft
© Fotolia/lvdesign

Spar muss wegen Absprachen mit Lieferanten von Molkereiprodukten ein Bußgeld von drei Millionen Euro zahlen.


Wien. Für jahrelange Preisabsprachen muss Spar nun zahlen: Der Handelskonzern wurde im ersten Kartellverfahren in der Lebensmittelbranche wegen Absprachen mit Lieferanten von Molkereiprodukten zu einer Geldstrafe von drei Millionen Euro verdonnert. Angesichts des Spar-Jahresumsatzes mit Lebensmitteln von zuletzt 5,8 Milliarden Euro erscheint die Strafe gering - allerdings betrifft das Urteil nur einen Sortimentsbereich. Für einen Bußgeldantrag zu 16 weiteren Produktgruppen hat die Bundeswettbewerbsbehörde (BWB) noch keine Beweise vorgelegt. Es handle sich daher um eine nicht unerhebliche Geldbuße, sagt Martin Eckel, Partner und Kartellrechts-Experte bei TaylorWessing enwc Rechtsanwälte.

Subtile Absprachen für einen einheitlichen Verkaufspreis

Bei der Verkündung des noch nicht rechtskräftigen Urteils erklärte Richterin Anneliese Kodek, dass "es sich nicht um isolierte Einzelhandlungen handelte, sondern es steckte ein System der Verkaufspreisabsprachen zwischen Händlern und Molkerei-Lieferanten dahinter". Spar habe zwischen Juli 2002 und März 2012 vertikal Kurant- und Aktionspreise für Molkereiprodukte abgesprochen. "Es handelte sich dabei nicht um klassische Verkaufspreisabsprachen, diese waren subtiler, dienten aber demselben Zweck: ein gleichartiges Preisniveau", führte Kodek aus.

Konkret sollten Lieferanten in Einkaufspreisverhandlungen mit Händlern Empfehlungen für Verkaufspreise abgeben - und diese auch gegenüber anderen Händlern vorgeben. Diese "Preismoderation" sei im Großen und Ganzen gelungen, so die Richterin. Sie verwies auch auf die hohe Marktkonzentration: "Im österreichischen Lebensmittelhandel herrscht ein starkes Ungleichgewicht zwischen Handel und Lieferanten."

Die großen Konzerne Rewe (Billa, Merkur, Penny, Adeg) und Spar teilen sich rund zwei Drittel des Lebensmittelhandels.

Seit Mai wurden neben BWB-Generaldirektor Theodor Thanner und Spar-Vorstand Gerhard Drexel zahlreiche Spar-Mitarbeiter als Zeugen befragt. Auf ein Settlement mit der BWB wollte sich Drexel nach den Hausdurchsuchungen bei Spar im Jänner, Februar und August 2013 nicht einlassen - und warf den Wettbewerbshütern unter anderem den Einsatz von Spionagesoftware vor. Drexel hatte betont, mit dem Verfahren Rechtssicherheit für die Branche schaffen zu wollen.

Seit die Wettbewerbshüter Absprachen zwischen Händlern und Lieferanten in der Lebensmittelbranche genauer unter die Lupe nehmen und zahlreiche Unternehmen Geldbußen zahlen mussten, herrscht Unsicherheit in der Branche. Erlaubt sind nur Gespräche über unverbindliche Verkaufspreise, dabei dürfen Lieferanten ihre Markenpositionierung und Marketingstrategie vorstellen, erklärt Eckel. Unzulässig ist aber sozialer und wirtschaftlicher Druck zur Einhaltung von Wiederverkaufspreisen. Wann etwa ein Anruf oder ein E-Mail als Druck gewertet wird, ist jedoch Auslegungssache. "Es ist derzeit schwierig, weil höchstgerichtliche Entscheidungen fehlen", sagt Eckel. Einen Graubereich stellen Absprachen über Aktionspreise und -zeiträume dar. Laut Eckel wäre es wünschenswert, wenn im schriftlichen Urteil des Kartellgerichts, das vor Weihnachten veröffentlicht wird, vor allem rechtliche Klarstellungen zu diesen Bereichen enthalten wären.

Eckel rechnet nicht mit vielen weiteren Kartellverfahren im Lebensmitteleinzelhandel. Denn Unternehmen sind mit einem Settlement besser dran, weil sie bei der Geldbuße mit einem Abschlag von bis zu 20 Prozent rechnen können.

"Vergehen von Rewe und Spar ist durchaus gleich zu werten"

Auch Rewe einigte sich im Mai 2013 ohne Gerichtsverfahren in einem Settlement mit der BWB und zahlte 20,8 Millionen Euro Strafe für Absprachen in 20 Produktgruppen. Die Höhe der Geldbuße für Spar habe sich an jener von Rewe orientiert, so Kodek: "Das Vergehen von Rewe und Spar ist durchaus gleich zu werten." Spar dürfe nicht schlechter behandelt werden, weil es eine Klärung durch ein Gericht wollte, betonte die Richterin. Bisher einigten sich nämlich alle betroffenen Unternehmen in der Lebensmittelbranche mit der BWB in einem Settlement. Berglandmilch musste 1,125 Millionen Euro, Emmi 210.000 Euro und Kärntnermilch 375.000 Euro zahlen.

Das Bußgeld - allein heuer und im Vorjahr waren es über alle Branchen mehr als 33 Millionen Euro - fließt ins allgemeine Budget. Silvia Angelo, Leiterin der Abteilung Wirtschaftspolitik der Arbeiterkammer, fordert eine Änderung: "Geldbußen, die Unternehmen wegen Kartellverstößen zahlen müssen, müssen zumindest zum Teil direkt in den Konsumentenschutz fließen. Das steht im Regierungsprogramm und muss jetzt rasch kommen."

Spar will das schriftliche Urteil abwarten und dann entscheiden, ob das Urteil der nächsten Instanz, dem Kartellobergericht (Oberster Gerichtshof) zur Prüfung vorgelegt werden soll, wie Anwalt Bernhard Kofler-Senoner nach der Urteilsverkündung sagte. Als Teilerfolg wertet der Handelskonzern, dass den Spar-Tochtergesellschaften SLL und Maximarkt nichts nachgewiesen werden konnte. Die Richterin betonte, dass Spar im Kartellverfahren "absolut kooperativ" war.

Kritik am Vorgehen der Bundeswettbewerbsbehörde

Die BWB begrüße die Entscheidung des Kartellgerichts, nehme aber auch die Kritik ernst, sagte BWB-Sprecherin Sarah Maria Fürlinger. Die Richterin kritisierte "befremdliches Vorgehen" der Wettbewerbshüter: Diese hätten zuerst ein Schuldeingeständnis vom Unternehmen gefordert.

Außerdem fand die Hausdurchsuchung bei Spar nur wenige Wochen vor Inkrafttreten einer Gesetzesnovelle statt, durch die eine Totalversiegelung von Unterlagen nicht mehr möglich ist. Derzeit liegen Unterlagen für einen Bußgeldantrag, der 16 weitere Produktgruppen betrifft, versiegelt bei Gericht. Kodek: "Die Schwierigkeiten, die die BWB aufgrund dieser Fehlentscheidung hat, muss sie sich selbst anlasten."