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Kein Fest für Händler

Von Marina Delcheva und Sophia Freynschlag

Wirtschaft

Der Einzelhandel profitiert immer weniger von den Ausgaben für das Fest.


Wien. Leere Einkaufsstraßen sehen anders aus. Schon am frühen Montagvormittag tummeln sich hunderte Menschen auf der Mariahilfer Straße. Manche tragen volle Einkaufstaschen, andere bleiben vor den glitzernden Vitrinen stehen, schauen in die üppig geschmückten Auslagen - und gehen weiter. "Das Geschäft läuft schwächer als vor zwei, drei Jahren. Früher hatten wir im Dezember drei bis vier Mal mehr Umsatz. Jetzt sind wir froh, wenn es doppelt so viel wird wie in anderen Monaten", sagt Marion Lischke, Betreiberin des Juwelier Gotsch in der Wiener Mariahilfer Straße. "Die Menschen haben weniger Geld und das geben sie natürlich nicht für Luxus aus."

Handel hofft auf Umsatz

Für Montag, 8. Dezember, hat die Wiener Wirtschaftskammer 120.000 Einkäufer in den Geschäftsstraßen und Einkaufszentren erwartet. Ingesamt rechnete die Wirtschaftskammer mit rund 530.000 Menschen, die das lange Wochenende zum Geschenkekauf nutzten. 65 Millionen Euro sollte das allein vergangenes Wochenende den Wiener Händlern einbringen, wie eine Konsumentenbefragung der Wiener Wirtschaftskammer ergeben hat.

Nach einem durchwachsenen Jahr hoffen die heimischen Einzelhändler, den Vorjahresumsatz im Weihnachtsgeschäft von 1,53 Milliarden Euro halten zu können, sagt Roman Seeliger, stellvertretender Geschäftsführer der Bundessparte Handel in der Wirtschaftskammer Österreich (WKO). "Mit etwas Glück erreichen wir auch ein kleines Plus auf 1,6 Milliarden Euro." Bisher war "heuer eine gewisse Konsumzurückhaltung spürbar. Wir hoffen, dass diese im Weihnachtsgeschäft nicht zu spüren ist". Unter dem Weihnachtsgeschäft wird jener Umsatz verstanden, der im Dezember über dem Umsatz eines Durchschnittsmonats liegt.

Optimistisch stimmt Seeliger, dass die Österreicher aufgrund von Spontankäufen vor Weihnachten mehr ausgeben, als sie geplant haben: "Da wird noch oft eine Kleinigkeit für jemanden gekauft, dem man eigentlich nichts schenken wollte." Laut einer Umfrage des Marktforschers GfK wollen die Österreicher durchschnittlich, wie im Vorjahr, 387 Euro für Weihnachtsgeschenke springen lassen. Besonders spendabel sind die über 60-Jährigen, während die unter 30-Jährigen "nur" 211 Euro eingeplant haben.

Anlass zum Feiern wird es für die Händler wohl keinen geben: Um die Inflation bereinigt wird heuer im Weihnachtsgeschäft ein Minus übrig bleiben. "Wir merken schon, dass das Geschäft leicht rückgängig ist", erzählt die Floristin Bettina Müller-Krisch. Sie betreibt ein kleines Blumengeschäft in der Neubaugasse. Aber auch das Kaufverhalten hat sich geändert. Die Kunden kaufen heuer viel mehr "auf den letzten Drücker". Sie geht davon aus, "dass an den Tagen vor Weihnachten noch einiges kommt".

Der Standortberater Regioplan rechnet mit einem nominellen Umsatzplus von 1,3 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Das Wirtschaftsforschungsinstitut (Wifo) prognostiziert ein nominelles Plus von 1,5 Prozent - dieses wird allerdings von der ebenso hohen Teuerung aufgefressen. An das Niveau von Dezember 2010 ist das Weihnachtsgeschäft in den vergangenen Jahren ohnehin nicht mehr herangekommen. Am häufigsten werden Gutscheine, Bücher, Spielwaren, Schmuck und Uhren sowie Bargeld verschenkt. Für viele Branchen bleibt der Dezember nach wie vor der wichtigste Monat.

Kleine Betriebe leiden mehr

Im Spielwarenhandel und im Uhren- und Schmuckhandel beträgt das Umsatzplus im Dezember laut Wifo 130 Prozent im Vergleich zum Durchschnitt der anderen elf Monate. Der Buchhandel setzte im Dezember 2013 fast doppelt so viel um wie in den übrigen Monaten. In absoluten Zahlen profitieren der Bekleidungs-, der Elektro- und der Lebensmittelhandel am meisten vom Fest.

Vom fehlenden Kaufrausch der Kunden merken internationale Handelsketten weniger: "Es läuft weder schlechter noch besser", sagen die Verkäuferinnen bei Palmers. "Es ist sogar mehr los", sagt Maria M., Angestellte bei der internationalen Parfümerie-Kette Douglas. "Alles minus 15 Prozent", "1+1 gratis" - große Handelsketten locken mit großzügigen Rabatten Kunden ins Geschäft. "Diese Preisschlacht vor Weihnachten ist ganz schlecht. Früher hat man das nach den Feiertagen gemacht, um das Lager leer zu bekommen", sagt Lischke. Vor allem kleine Familienbetriebe geraten zunehmend in der Schlacht der Sonderangebote unter Druck. Viele können es sich nicht leisten, ihre Ware vor Weihnachten billiger zu verkaufen.

Im langjährigen Vergleich schwindet die Bedeutung des Weihnachtsgeschäfts: Während das Zusatzgeschäft im Dezember je nach Berechnungsart in diesem Jahr zwischen 2,4 und 3 Prozent vom Gesamtjahresumsatz ausmachen wird, lag der Anteil in den 1950er Jahren noch bei zehn Prozent. "Früher haben die Konsumenten mit größeren Anschaffungen wie einem Wintermantel bis Weihnachten gewartet. Das ist heute nicht mehr der Fall", sagt Seeliger. Außerdem hat sich auch die Art der Geschenke verändert, sagt Regioplan-Geschäftsführer Wolfgang Richter: Es werden immer mehr Reisen, Wellness- oder Bildungsangebote - also Dienstleistungen - geschenkt.

Online: Hälfte geht ins Ausland

Immer mehr Österreicher meiden das Gedränge auf Einkaufsstraßen und in Shoppingcentern und bestellen die Präsente lieber im Internet. Mittlerweile werden laut Seeliger zehn Prozent des Weihnachtsgeschäfts online abgewickelt. Allerdings profitieren vom zunehmenden Einkauf im Netz vor allem ausländische Händler: "Jeder zweite Euro wird in ausländischen Onlineshops ausgegeben." Das trifft wieder kleine Händler stärker, die keine Möglichkeit haben, ihre Ware online anzubieten. "Das Internet nimmt uns Gassengeschäften auf jeden Fall die Kundschaft", klagt Lischke. Manche Konsumenten lassen sich gar im kleinen Fachhandel ausgiebig beraten und bestellen dann die Ware im Internet, weil sie dort billiger ist.

Die Bestellflut vor Weihnachten bringt auch Post und Paketdienste an ihre Grenzen, zumal etwa bei Amazon Streiks drohen. Der weltgrößte Online-Versandhändler stellt in Deutschland für das Weihnachtsgeschäft tausende Saisonkräfte ein, deren Vertrag am 31. Dezember endet. Die Post AG beförderte am 17. Dezember 2013 insgesamt 429.026 Pakete - ein Allzeit-Rekord. An einem Durchschnittstag werden 250.000 Pakete zugestellt. Beim Versandhändler Unito (Otto, Universal und Quelle) läuft das Feiertagsgeschäft schon seit Mitte November. Wer Geschenke online besorgt, muss sich beeilen: Rechtzeitige Lieferung vor Weihnachten wird bei Unito zum Beispiel nur für Bestellungen bis 18. Dezember garantiert. Bei Amazon endet die reguläre Bestellfrist am 19. Dezember, bis dahin müssen auch Pakete bei der Post aufgegeben sein.