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Franken-Spuk ohne Ende?

Von Karl Leban und Brigitte Pechar

Wirtschaft

Fremdwährungskredite: Erste Welle der Fälligkeiten beginnt schon heuer.


Wien. Die heimischen Banken sitzen auf einem Pulverfass. Hält der Höhenflug des Franken an, drohen ihnen Ausfälle bei jenen Krediten, die sie in dieser Währung bis 2008 in großem Stil vergeben haben. Im schlimmsten Fall sind auch neue Schieflagen im hiesigen Bankensektor nicht auszuschließen.

Allein hierzulande haften noch Franken-Kredite im Volumen von 29,5 Milliarden Euro aus. Die sind zwar schon seit Jahren unter Wasser, mit dem Absturz des Euro haben sie sich nun aber nochmals signifikant verteuert. Was die Situation für die Banken besonders brisant macht: Laut Finanzmarktaufsicht (FMA) beginnt die erste Welle der Fälligkeiten schon heuer, und sie reicht bis 2017.

Dennoch sieht die FMA, die betont, seit 2003 immer wieder vor den Risiken von Fremdwährungskrediten zu warnen, keinen Anlass, bei dem Thema erneut aktiv zu werden. Eine verstärkte Berichtspflicht der Banken gebe es bereits seit Langem, so FMA-Sprecher Klaus Grubelnik zur "Wiener Zeitung". Außerdem sei mit ihnen seit 2008, als die Neuvergabe von den als hochspekulativ geltenden Fremdwährungskrediten verboten wurde, vereinbart, dass sie die Risiken laufend beobachten und gemeinsam mit ihren Kunden individuelle Lösungen suchen, um die Risiken zu begrenzen.

Umsteigen auf Euro-Kredit

Gerade jetzt werden sich die Banken wohl verstärkt darum bemühen, Franken-Kreditnehmern den Umstieg auf einen Euro-Kredit nahezulegen. "Wer konvertiert, befindet sich jedenfalls im sicheren Hafen des Euro und hat Risiko reduziert", sagt Bank-Austria-Sprecher Matthias Raftl. "Das bedeutet häufig aber auch, bei der Konvertierung Verluste zu realisieren."

Seit der Finanzkrise 2008 sind laut FMA 45 Prozent aller aushaftenden Fremdwährungskredite in Euro-Darlehen umgewandelt worden. War vor mehr als sechs Jahren jeder dritte Kredit an einen Privathaushalt ein Kredit in fremder Währung, ist es zuletzt "nur" noch jeder fünfte gewesen.

Rund 220.000 Österreicher, darunter vor allem Häuslbauer, haben einen Franken-Kredit. Ihnen rät die Arbeiterkammer, mit ihrer Bank zu reden. Fest steht jedoch, und darauf verweist auch der Verein für Konsumenteninformation (VKI): Die Bank darf den Kredit nach geltender Gesetzeslage nicht zwangsweise in Euro konvertieren und auch nicht fällig stellen. Dem VKI zufolge darf sie für den Kredit auch keine zusätzlichen Sicherheiten verlangen.

Die Banken beteuern aber ohnehin, Kunden in keinem Fall unter Druck zu setzen, sie etwa gegen ihren Willen in einen Euro-Kredit zu drängen. "Wir haben nie Druck ausgeübt. Es ist immer die Entscheidung des Kunden, welche Maßnahme er ergreift", wird bei den Finanzinstituten betont. Auch bei der FMA heißt es: "Wir können den Konsumenten nicht entmündigen."

Während viele Privathaushalte wegen ihrer steigenden Schuldenlast noch mehr ins Schwitzen kommen, dürften Österreichs Gemeinden von der extremen Aufwertung des Franken kaum betroffen sein. Helmut Mödlhammer, Chef des Gemeindebundes, gibt Entwarnung: "Es sollte keine Gemeinde mehr geben, die einen endfälligen Franken-Kredit hat." Als 2010 die Genehmigungspflicht für Fremdwährungskredite eingeführt wurde, habe der Gemeindebund dringend empfohlen, endfällige Produkte umzustellen. "Die Banken waren damals sehr kulant." Laufende Fremdwährungskredite gebe es aber sicherlich noch einige. Da warnt der Gemeindebund-Präsident aber vor Schnellschüssen: "Es wäre das Dümmste, jetzt sofort zurückzuzahlen."

Einen Sonderfall stellen jedoch die Vorarlberger Gemeinden dar. Ihre Darlehen waren Ende 2012 zu mehr als 31 Prozent im Franken notiert: 96 Gemeinden hatten aushaftende Fremdwährungsdarlehen von insgesamt 205 Millionen Euro. Dazu kamen noch 73,8 Millionen Euro an Fremdwährungskrediten der Gemeinde-Immobiliengesellschaften. In Oberösterreich haben noch 16 Gemeinden laufende Kreditverbindlichkeiten in Franken, die sich auf eine Gesamtsumme von rund 200 Millionen Euro belaufen.

Bei den Städten sind vor allem Wien (Kredit über zwei Milliarden Franken) und Linz (Anleihe in Höhe von 97,5 Millionen Franken) betroffen. Auch in St. Pölten gibt es ein Franken-Darlehen, darüber wird aber mit Raiffeisen noch prozessiert.

Peter Biwald, Geschäftsführer des Zentrums für Verwaltungsforschung sagt zur "Wiener Zeitung", Städte und Gemeinden hätten derzeit gemeinsam 11,5 Milliarden Euro Finanzschulden plus 3,5 Milliarden Euro ausgelagerte Finanzschulden. Eine Erhebung im Jahr 2009 habe ergeben, dass etwa neun Prozent der Schulden in Fremdwährungskrediten seien. Wie das heute ausschaue, könne er nicht sagen. Aber auch Biwald geht davon aus, dass "das Risiko in Summe nicht so groß ist".

RBI-Kurs erstmals einstellig

Indes könnte der teure Schweizer Franken für Österreichs Großbanken vor allem auch in Osteuropa zu einem akuten Problem werden. Immerhin sind dort fast 14 Milliarden Euro an Franken-Krediten vergeben. Brenzlig könnte es insbesondere in Polen werden, ein guter Teil entfällt dort auf österreichische Banken: Die Raiffeisenbank International (RBI) etwa hatte per Ende September 2014 ein Franken-Exposure von stolzen 2,9 Milliarden in dem EU-Land.

Ihr Börsenkurs stand auch am Freitag massiv unter Druck. Im Handelsverlauf fiel die RBI-Aktie um rund fünf Prozent auf ein neues Rekordtief von 9,965 Euro. Kurzfristig notierte der Finanztitel damit erstmals im einstelligen Euro-Bereich (siehe Grafik).

Wie viele Franken-Kredite der gesamte Raiffeisen-Sektor in Österreich draußen hat, ist indes unklar. "Wir geben die Zahl nicht bekannt, waren aber in der Vergabe von Fremdwährungskrediten immer schon sehr restriktiv", sagt eine Sprecherin der Raiffeisenlandesbank NÖ-Wien. Auch die Bank Austria hält sich zum vergebenen Volumen bedeckt, sie beziffert lediglich die Zahl der Franken-Kreditverträge: rund 38.000. Die Erste Bank (ohne Sparkassen) hat laut eigenen Angaben 9000 Kunden mit Franken-Krediten, insgesamt haften hier 1,6 Milliarden Euro aus. Bei der Bawag sind es 2,5 Milliarden Euro.