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Der Bankkunde als Channel-Hopper

Von Andrea Möchel

Wirtschaft
Rund um die Uhr Finanzgeschäfte erledigen wollen immer mehr Kunden.
© fotolia/v.poth

Der Vertrieb von Finanzdienstleistungen steht vor einem Umbruch. Die Banken müssen auf neue Kundenwünsche reagieren.


Wien. "Es ist damit zu rechnen, dass bis 2020 jede fünfte Bankfiliale und jede vierte klassische Versicherungsagentur aufgegeben wird." Zu diesem Schluss kommt die Managementberatung Horváth & Partners. Sie befragte für ihre aktuelle Studie "Multikanalvertrieb in Zeiten der Digitalisierung - online, offline und hybrid" rund hundert Banken- und Versicherungsmanager in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Schuld am Filialschwund sind die geänderten Ansprüche der Kunden. "Immer mehr Kunden wollen rund um die Uhr Finanzgeschäfte tätigen können und selbst entscheiden, wann und auf welchem Weg sie mit ihrem Finanzdienstleister in Kontakt treten", bringt es Marco Adelt von Horváth & Partners auf den Punkt. "Und sie möchten dazu nahtlos zwischen Online- und Offline-Kanälen wechseln können."

Doch wie reagieren heimische Banken auf diese Herausforderung? "Wir steuern diesen Umbruch in der Finanzbranche sehr aktiv mit dem fortlaufenden Umbau unseres Geschäftsmodells in Richtung einer Multikanal-Bank", betont Helmut Bernkopf, UniCredit Bank Austria-Vorstand für Privat- und Firmenkunden. "Dazu gehören zukunftsweisende Online-Services, wie unser neuer Online-Shop, in dem alle wesentlichen Produkte angeboten werden ebenso wie das gesamte Beratungsangebot einer modernen Universalbank." Mehr als 100 Millionen Euro investiert die Bank Austria dafür in ein neues Filialkonzept, in die technische Ausstattung bestehender Filialen und in den Ausbau ihrer Online-Filiale "SmartBanking".

"Multikanal" heißt das allgegenwärtige Zauberwort, wenn es darum geht, die Banken fit für die Zukunft zu machen. "Banken und Versicherer müssen künftig kanalübergreifend denken, handeln und steuern. Gefragt ist eine integrierte Multikanalstrategie statt unabhängiger statischer Einzelstrategien in den Vertriebswegen", betonen auch die Experten von Horváth & Partners.

Peter Bosek, Privatkundenvorstand der Erste Bank, sieht das pragmatisch: "Kunden denken nicht in Kanälen, die wollen ihre Bank erreichen - egal wie." Die Erste Bank setze daher auf einen Mix aus unterschiedlichen Kontaktmöglichkeiten. Bosek: "Ob persönlich in der Filiale, online, mobil, telefonisch oder schriftlich, wir stellen die Rahmenbedingungen zur Verfügung, sodass jeder seine Bankgeschäfte so erledigen kann, wie er will."

Moderne Filialen

Schon jetzt informiert sich ein Großteil der Kunden online über Finanzdienstleistungen. Der Anteil jener, die auch online Verträge abschließen, wird laut Horváth & Partners künftig massiv steigen. Die Folge: Knapp drei Viertel der befragten Banker gehen von einem teils deutlichen Bedeutungsverlust der physischen Filiale und einem Bedeutungszuwachs von modernen Formen der Interaktion wie Chat oder Videokonferenz aus. Zwei Drittel der Teilnehmer aus dem Bankensektor erwarten eine steigende Akzeptanz reiner Onlinefilialen. Bestehende Standorte werden entweder verschwinden oder sie erfinden sich neu.

Laut einer aktuellen Studie des österreichischen Gallup Institutes ist der Besucherfrequenz in Bankfilialen hierzulande um 22 Prozent gesunken. Bemerkenswertes Detail: Für 42 Prozent der Befragten hat der persönliche Bankberater trotzdem weiterhin eine wichtige Bedeutung. Und genau hier setzt die Bank Austria an: "Die wesentliche Funktion der ‚Filiale neu‘ besteht in der Intensivierung der Beratung durch spezialisierte Teams für Veranlagung und Finanzierung vor Ort", skizziert Bernkopf die Stoßrichtung. "Zusätzliche Experten für Leasing, Fonds- oder Versicherungsberatung können per Videokonferenz dazu geschaltet werden."

"Bei der neuen Filialstrategie der Erste Bank ist wesentlich, dass die Filiale zugänglicher wird", beschreibt Peter Bosek seine Anforderungen an eine moderne Bankfiliale. "Öffnungszeiten von 9 bis 18 Uhr, ein offener Raum, in dem die Verbindung von Selbstbedienungs- mit dem Beratungsbereich gegeben ist und eine angenehme Atmosphäre gehören da ebenso dazu, wie eine Erste-Theke, wo die Kunden schon beim Reinkommen rasch versorgt werden." Auch die Bank Austria hat mit der Verlängerung der Öffnungszeiten auf die neuen Kundenbedürfnisse reagiert: "Wir haben in einem ersten Schritt bei 30 Filialen in Wien verlängerte Öffnungszeiten eingeführt und dadurch die Kundenzufriedenheit deutlich erhöht", so Bernkopf.

Bleibt die Frage, welche digitalen Trends den Bankensektor künftig dominieren werden. "Das ist ganz schwer zu sagen" räumt Bosek ein. "Wer weiß schon, welche Geräte in den nächsten Jahren noch auf den Markt kommen. Das Schöne ist, wir haben mit unserer neuen Plattform für Online-Banking ‚George‘ ein derart flexibles System geschaffen, dass wir auf künftige Trends leicht reagieren können."

Bei der Bank Austria setzt man mit dem "SmartBanking" verstärkt auf die persönliche Beratung via Internet. "Damit unterscheiden wir uns ganz klar von reinen Online-Banken", erklärt Bernkopf. "Und wir entwickeln ein ‚Mobile Wallet‘, das es möglich machen wird, mit dem Handy kontaktlos zu bezahlen."

Angst vor Google & Co?

Wappnen muss sich der österreichische Bankensektor auch gegen die Begehrlichkeiten branchenfremder Unternehmen, die ebenfalls Finanzdienstleistungen anbieten, darunter die Internetgiganten Google und Facebook. "Bereiche, in denen wir etwas von den Internet-Riesen lernen können, sind Design, smarte Oberflächen und einfache Bedienung bei Web-Applikationen und Apps", ist Peter Bosek überzeugt. "Mit der Plattform ‚George‘ haben wir es geschafft, die Sicherheit der Bank mit einem smarten Interface zu verbinden."

Apropos Sicherheit: "Jeder sollte sich sehr gut überlegen, wem er seine sensiblen Bankdaten anvertrauen will", rät Bernkopf zur Vorsicht. "Google, Amazon und Facebook sind ja auch dadurch groß geworden, dass sie Kundendaten extensiv nutzen. Das ist bei uns - schon rein rechtlich - ausgeschlossen." Nachsatz: "Was wir unseren Kunden bieten, ist in erster Linie Sicherheit."