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In die weite Welt hinaus

Von Simon Rosner

Wirtschaft

Kein Land in der EU hängt bei seiner Handelsbilanz so stark von einem anderen ab wie Österreich von Deutschland - derzeit ist das ein Segen.


Wien. Die Schwäche des Euros ist die Stärke Österreichs. Zum vierten Mal hintereinander konnte 2014 ein Exportrekord aufgestellt werden, das Handelsbilanzdefizit, das in Folge der Finanzkrise aufgegangen war, beginnt sich wieder zu schließen. Von 4,9 Milliarden Euro 2013 wurde es im Vorjahr auf 1,8 Milliarden gedrückt. Für Wirtschaftsminister Reinhold Mittlerlehner Grund genug, die "Stärke und Wettbewerbsfähigkeit der heimischen Exportbetriebe" zu preisen - und auch Eigenlob zu betreiben. Denn auch die gemeinsam mit der Wirtschaftskammer betriebene Exportinitiative "go international" habe zu diesem Ergebnis beigetragen.

Hinter dieser Initiative steckt einerseits die Idee, neue Exportmärkte zu erschließen, andererseits aber auch etwas mehr Diversifizierung in den Außenhandel zu bekommen. Denn Österreich ist extrem auf Deutschland angewiesen, auf das 29,8 Prozent aller Exporte entfallen. Das ist in etwa so viel wie auf alle Länder außerhalb der Europäischen Union. "Man kann die Exportstruktur nicht so schnell umstellen. Dennoch ist die Diversifizierung ein unheimlich wichtiger Punkt", sagt Elisabeth Christen vom Wifo.

Streben nach neuen Märkten

Derzeit ist die Abhängigkeit von Deutschland jedenfalls ein Segen, kein Fluch, denn die deutsche Wirtschaft, vor allem die deutsche Exportwirtschaft, entwickelt sich sehr positiv, und Österreich kann gewissermaßen im Beiwagerl bequem mitfahren, nach China, in die USA, nach Frankreich und Großbritannien. "Durch die Zuliefererindustrie profitieren wir stark vom deutschen Export", sagt Christen. "Für kleine Volkswirtschaften ist der Exportradius enger." Doch es gibt kein Land in Europa, das so eine extreme Abhängigkeit unterhält wie Österreich von Deutschland, nicht Zypern und Griechenland, nicht Irland und Großbritannien, nicht Belgien und Frankreich und Holland. Bei den Importen ist die Abhängigkeit sogar noch deutlicher.

Im Jahr 2014 hat sich nun gezeigt, dass die Bestrebungen der heimischen Wirtschaft nach Diversifizierung Früchte tragen. Vor allem die Exporte in die Vereinigten Staaten und nach China haben wieder angezogen, nachdem es im Vorjahr dort nahezu Stagnation gab. "Die Stärke des Dollars hilft uns", sagt Franz Rössler von der Außenwirtschaft Austria. Bis Herbst war er selbst österreichischer Wirtschaftsdelegierter in Chicago.

Exportgewinn dank Red Bull

Die Exporte in die USA haben um 10 Prozent zugenommen, und sie übertreffen auch die Importe deutlich. Während bei Deutschland ein Handelsbilanzdefizit steht, kann Österreich beim Handel mit den USA auf eine positive Bilanz verweisen. Allerdings betragen die Exporte nur ein Fünftel von jenen nach Deutschland.

Von den großen heimischen Unternehmen sind rund 80 Prozent auch in den USA vertreten, vor allem der Maschinen- und Anlagensektor ist in Übersee gut positioniert und profitiert vom Aufschwung des US-Industriesektors. Doch ein Großteil des Exportzuwachses dürfte einer einzigen österreichischen Firma geschuldet sein: Red Bull.

Durch einen Streitfall hat Red Bull im Jahr 2013 seine US-Exporte aus einer Produktionsstätte in der Schweiz bestritten, dürfte nun aber wieder in Österreich befüllte Dosen nach Übersee verschiffen, wie die Außenwirtschaft Austria kraft ihrer Daten bereits vor einem halben Jahr vermutete. Laut Rössler geht es hier um ein Volumen von 400 Millionen Euro, das allein von Red Bull geschultert wird. Das entspricht rund fünf Prozent der gesamten Warenexporte in die USA. Red Bull wollte dies gegenüber der "Wiener Zeitung" nicht bestätigen.

Potenzial am Westbalkan

Die gestiegenen Exporte nach China (plus 7,8 Prozent) dürften zu einem Gutteil auch auf den starken Dollar zurückzuführen sein, da auch China den Dollar als Leitwährung heranzieht. Durch die Exportgewinne in diese Länder konnte Österreich auch das satte Minus in der Handelsbilanz mit Russland ausgleichen. Dass sich an den Sanktionen etwas ändert, ist derzeit nicht absehbar. Deshalb ist es für die rund 50.000 exportierenden Betriebe wichtig, neue Märkte zu erschließen.

Doch welche? In Osteuropa hat sich das Wachstum eingetrübt und die Schwellenländer sind nicht mehr der große Hoffnungsmarkt von einst. Ökonomin Christen sieht mittelfristig gute Chancen für Österreich am Westbalkan, sollte für diesen das Tor zur EU aufgehen. "Da könnte Österreich profitieren", sagt die Ökonomin. Die Beziehungen zu diesen Ländern sind eng, nicht zuletzt dank der ex-jugoslawischen Diaspora. Noch findet sich Serbien aber bei den Exporten unter ferner liefen, knapp vor Malaysia.