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Die fetten Ost-Jahre sind vorbei

Von Marina Delcheva

Wirtschaft

Kaum ein anderes europäisches Land hat so sehr von der Ost-Erweiterung profitiert wie Österreich. Und kaum ein anderes Land trifft die Wirtschaftsflaute dort so hart wie Österreich.


Wien. Geht es Osteuropa gut, geht es auch der heimischen Wirtschaft gut. Macht sich dort allerdings eine Wirtschaftsflaute breit, wie etwa in den letzten Jahren seit der Finanzkrise 2008, trifft das Österreich besonders hart. Das macht sich auch im derzeit sehr schwachen Wirtschaftswachstum bemerkbar.

Fritz Breuss vom Wirtschaftsforschungsinstitut beziffert den jährlichen, bisherigen Effekt der EU-Erweiterung auf die heimische Wirtschaft in einer Studie mit zirka plus 0,2 Prozent des Bruttoinlandprodukts. "Diese 0,2 Prozent wird es künftig nicht mehr geben. Es sieht so aus, als würde sich das abflachen", sagt Breuss zur "Wiener Zeitung". Künftig erwartet er einen Wachstumseffekt von "vielleicht der Hälfte". Aber der Reihe nach.

Im Osten zu Hause

Auf zahlreichen Hausfassaden in der bulgarischen Hauptstadt Sofia glänzt das Raiffeisen-Logo in kyrillischen Lettern. In der Prager Innenstadt leuchtet das "S" der Erste Group immer wieder auf. Kaum ein anderes Land hat von der Ostöffnung nach 1989 und von der EU-Ostererweiterung so sehr profitiert wie Österreich. Allein in Bulgarien haben 400 heimische Unternehmen einen Firmensitz. In acht osteuropäischen Ländern war Österreich 2012 Nummer-eins-Investor.

Ab den Nuller-Jahren bis zur Wirtschaftskrise 2008 herrschte eine regelrechte Goldgräberstimmung. Heimische Banken, Versicherungen, Textil- und Produktionsbetriebe sind in Richtung Osten gegangen, um am damaligen Wirtschaftsaufschwung mitzunaschen. "Vor der Wirtschaftskrise hatten die zentral-, ost- und südeuropäischen Länder Wachstumsraten von durchschnittlich vier bis fünf Prozent", erklärt Breuss.

Zahlreiche österreichische Betriebe haben massiv vom Infrastrukturausbau und dem steigenden Konsum auf der einen Seite und niedrigen Löhnen und Produktionskosten auf der anderen Seite profitiert - und von der Privatisierungswelle in den vielen ehemals sozialistischen Ländern. 2004 erhielt die OMV den Zuschlag für den damals staatlichen, rumänischen Öl-Riesen Petrom. Die Bank Austria erwarb Anfang der Nuller-Jahre die staatliche bulgarische Biochim, um nur ein paar Beispiele zu nennen.

Kater-Stimmung

Aber jetzt ist in den meisten osteuropäischen Ländern fast alles privatisiert. Und einige Ost-Märkte haben sich noch immer nicht von der Wirtschaftskrise erholt. "Die Auslandsinvestitionen von Österreich in die CEE-Region haben sich seit der Krise 2008 halbiert", erklärt die Wirtschaftsforscherin Daniela Grozea-Helmenstein vom Institut für Höhere Studien (IHS). Wobei das ein globaler Trend sei. Auch eine aktuelle Studie der Erste Group zeigt, dass die Auslandsinvestitionen in den meisten CEE-Ländern an Bedeutung verlieren.

Das Wirtschaftswachstum in der Region liegt laut Breuss vom Wifo auch noch unter dem Vorkrisenniveau bei rund drei Prozent. Heimische Banken verzeichnen nicht mehr ganz so üppige Gewinne in den östlichen Märkten und mussten in Ländern wie Ungarn und der Ukraine große Verluste schlucken.

Das alles belastet, neben zahlreichen anderen Faktoren, auch die heimische Wirtschaft - für heuer wird ein BIP-Wachstum von 0,5 bis 0,8 Prozent erwartet. Denn anders als etwa Deutschland konzentriert sich Österreichs Außenwirtschaft sehr stark auf die Ostländer. Etwa 17 Prozent der heimischen Exporte gehen in die neuen EU-Beitrittsländer. Diese sind im Zuge der Krise eingebrochen.

Grund zur Hoffnung gibt die aktuelle Studie Erste Group. Diese zeigt zum einen, dass man nicht mehr allgemein von Osteuropa sprechen kann, weil sich die einzelnen Länder unterschiedlich entwickeln. Polen und die Slowakei etwa verzeichnen Wachstumsraten von über drei Prozent und sind auf dem Weg zum Vorkrisenniveau, ebenso Tschechien und Ungarn. Und das könnte auch dem heimischen Wachstum einen leichten Tritt verpassen.