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"Die Frustration ist sehr groß"

Von Sophia Killinger

Wirtschaft
"Als Freiwilliger alleine gelassen" fühlt sich Sepp Schellhorn, der in einem Mitarbeiterheim 36 Flüchtlingen Unterkunft bietet.
© Pertramer

Hotelier und Neos-Mandatar Sepp Schellhorn über "Tourismus-Bashing" und seine Erfahrungen als Quartiergeber für Flüchtlinge.


Wien. Touristiker ächzen nicht nur unter der Steuerreform: Mit welchen Baustellen die Branche noch kämpft und warum eine 35-Stunden-Woche keine zusätzlichen Jobs schaffen würde, erklärt der Salzburger Hotelier und Gastronom Sepp Schellhorn, Nationalratsabgeordneter der Neos.

"Wiener Zeitung": Hotellerie und Gastronomie haben heftig gegen die Steuerreform protestiert. Wo sehen Sie die kritischsten Punkte?Sepp Schellhorn: Der kritischste Punkt ist die Erhöhung der Mehrwertsteuer auf Beherbergung von 10 auf 13 Prozent. Das Gesamtpaket zielt auf den Tourismus und auf Klein- und Mittelbetriebe im umliegenden Bereich. Viele Betriebe überlegen es sich, zu investieren. Davon betroffen sind auch Bauunternehmer, die über die Stimmung klagen, die verbreitet wurde - weil es ein Tourismus-Bashing war und die Frustration sehr groß ist. Bei der Abschreibung hat man noch immer keine Klarheit, die Belastung wird weiter nach oben gefahren, und es gab keine Lohnnebenkosten-Entlastung.



Wie stehen Sie zur Registrierkassenpflicht gegen Steuerbetrug, die 900 Millionen Euro in die Staatskasse spülen soll?

Ich finde eine Registrierkassenpflicht normal, Steuerbetrug sollte bekämpft werden. Ob sie das angestrebte Volumen hereinbringen wird, ist allerdings stark zu bezweifeln. Wenn man von der Registrierkasse spricht, sollte man auch Nachhilfestunde, Pflege und Reinigungskraft diskutieren.

AK-Präsident Rudolf Kaske will "Trittbrett-Fahren" bestrafen und fordert, dass Betriebe die Kosten für das Arbeitslosengeld bei Wiedereinstellung innerhalb von drei Monaten übernehmen.

Als Unternehmer bin ich dazu verpflichtet, ein Unternehmen betriebswirtschaftlich zu führen. Wenn die Lohnnebenkosten so hoch sind, dass es sich nicht mehr auszahlt, muss ich zusperren. Die Pflicht der Regierung ist es, die Kosten so niedrig zu halten, dass es sich für Unternehmen auszahlt. Wenn wir zu Weihnachten 600.000 Arbeitslose haben, dann muss ich das hinterfragen, da läuft einiges falsch.

Warum ist es im Tourismus so schwierig, Mitarbeiter durchgehend zu beschäftigen?

Durch die Zwei-Saisonalität haben Betriebe im April und im November schwierige Monate. Der durchschnittliche Zwei-Saisonen-Betrieb hat achteinhalb Monate geöffnet. Wenn Firmen die Saison verlängern und sich Arbeitgeber und AMS eineinhalb Monate lang die Kosten für Mitarbeiter teilen, kann sie der Betrieb ganzjährig beschäftigen. Die höhere Fluktuation, die der Branche immer wieder angekreidet wird, ist Realität, weil die Lohnnebenkosten so hoch sind. Es gibt pro Jahr in der Hotellerie 180.000 Beschäftigte und 390.000 An- und Abmeldungen.

Werden die Tourismusbetriebe ihre Investitionen zurückfahren?

Das zeigt sich jetzt schon. Wenn Hoteliers es sich nicht mehr leisten können zu investieren, und in den nächsten drei Jahren wird sicher die Auftragslage einbrechen, dann haben auch die Handwerker ein Problem.

Laut Tourismusminister Reinhold Mitterlehner wird die Steuerreform dem Tourismus nützen - weil die Kaufkraft der Österreicher steigt.

Der Binnenmarkt ist ausgeschöpft und kann nicht mehr zulegen. Die höhere Kaufkraft wird wahrscheinlich an der Bar in Griechenland mit zwei Ouzos weggetrunken werden, mehr bleibt da nicht über. Die Nächtigungszahlen sind zwar leicht gestiegen, aber das ist ein Vergleich auf schiefer Ebene. Wir haben Realverluste von zehn Prozent in den letzten Jahren. Die Preise und die Realeinnahmen sind nicht gestiegen, dafür aber die Kosten.

Sie haben bereits die steigende Zahl an Arbeitslosen angesprochen. Die Gewerkschaft fordert eine 35-Stunden-Woche bei Lohnausgleich, um mehr Jobs zu schaffen. Würde diese Rechnung aufgehen?

Das ist eine Milchmädchenrechnung. Wenn die Lohnkosten gleich bleiben, das Unternehmen aber mehr Beschäftigte braucht, hat es am Ende höhere Kosten - das heißt, es kann noch weniger Mitarbeiter beschäftigen. Das ist ein Arbeitsplätze-Vernichtungsmodell. Aufgrund der Nachtruhe dürfte ich beispielsweise keine Hochzeit mehr ausrichten. Wenn ich nicht mit einem Fuß im Kriminal stehen will, müsste ich um
1 Uhr sagen, jetzt ist Schluss, weil ich brauche die Mitarbeiter am nächsten Tag um 11 Uhr. Das ist völlig absurd.

Aber die Unternehmen profitieren doch auch, wenn Mitarbeiter aufgrund kürzerer Arbeitszeiten zufriedener und seltener krank sind.

Mir ist wichtig, dass meine Mitarbeiter zufrieden sind. Es bilden sich aber neue Arbeitswelten, und in diese Richtung muss eine Arbeitszeitflexibilisierung und -adaptierung gehen. Die Gewerkschaft denkt leider noch wie vor 30 Jahren. Jüngere wollen vielleicht nur drei oder vier Tage pro Woche arbeiten, aber dann muss die Entlohnung dementsprechend adaptiert sein. Für das Unternehmen muss sich der Betrieb am Ende des Tages auszahlen.

Sie haben Asylwerber in Ihrem Mitarbeiterheim in Bad Gastein untergebracht. Welche Erfahrungen haben Sie dabei gemacht?

Man wird als Freiwilliger alleine gelassen. Seit zehn Tagen sind die 36 Männer zwischen 17 und 46 Jahren im Mitarbeiterheim untergebracht. Die Männer aus Syrien, dem Iran, Afghanistan, Pakistan und Somalia kamen von der Zeltstadt in Salzburg und hatten nur ein Sackerl mit zwei Äpfeln und einer Orange in der Hand, nicht einmal Turnschuhe. Sie wurden vom Buschauffeur ausgeladen, und ich musste einen Zettel unterschreiben, ähnlich einem Lieferschein.

Ich unterstelle Bund und Land, dass sie es nicht sehr fördern wollen, dass sich Freiwillige melden. Es ist an der Zeit, dass die Zivilgesellschaft agiert und sich im Sinne der Humanität bereiterklärt, etwas zu tun, wenn die Regierung versagt, und nicht auf den populistischen Trip aufspringt.

Die Herausforderung ist nun, die Männer zu beschäftigen. Ab Juli planen wir sie auszubilden, dass sie im Sinne der Gemeinnützigkeit für sich selber kochen.

Zur Person

Sepp Schellhorn

ist Unternehmer und Nationalratsabgeordneter der Neos, für die er in den Bereichen Wirtschaft, Landwirtschaft und Tourismus spricht. Der Salzburger (Jahrgang 1978) betreibt neben dem Hotel "Der Seehof" in Goldegg ein Restaurant in Salzburg und drei Skihütten im Gasteinertal. Von 2003 bis 2013 war Schellhorn Präsident der Österreichischen Hoteliervereinigung (ÖHV).