Wien. (kill/apa) Die Arbeitslosigkeit wird trotz eines zarten Konjunkturaufschwungs weiter steigen - in einer Form, wie es die Experten bisher nicht erwartet haben. Heuer steigt die Arbeitslosenrate nach nationaler Definition laut Wirtschaftsforschungsinstitut (Wifo) von 8,4 Prozent im Vorjahr auf 9,3 Prozent, 2016 wird eine Quote von 9,6 Prozent erwartet. Das Institut für Höhere Studien (IHS) rechnet mit jeweils 9,1 Prozent. "Am Arbeitsmarkt haben wir ein dringendes Problem", so Wifo-Chef Karl Aiginger, der die "zu hohe Inflation" und eine "zu geringe Produktivität" als Probleme anführt: "Wir brauchen Reformen, um unsere Spitzenposition fortsetzen zu können."
Das Angebot an Arbeitskräften steigt stärker als die Nachfrage. "Für eine Stabilisierung der Arbeitslosenquote ist das Wachstum bis 2016 zu gering", heißt es vom IHS. Aiginger rechnet mit 377.400 vorgemerkten Arbeitslosen im kommenden Jahr. 2008 - vor der Finanz- und Wirtschaftskrise - waren es 212.000 Arbeitslose.
Heuer setzt sich das schwache Wirtschaftswachstum das vierte Jahr in Folge fort. Das Wifo geht in der am Donnerstag präsentierten vierteljährlichen Prognose unverändert davon aus, dass die heimische Volkswirtschaft heuer real um 0,5 Prozent wächst, das IHS senkte seine Prognose leicht von 0,8 auf 0,7 Prozent. Damit wächst die heimische Wirtschaft das zweite Jahr geringer als die Eurozone. 2016 erholt sich die Konjunktur, weil die Auslandsnachfrage anzieht. Die Wirtschaftsforscher prognostizieren ein Plus von 1,3 Prozent (Wifo) beziehungsweise 1,8 Prozent (IHS).
Schlechtreden kann Standort verschlechtern
In der weiter steigenden Arbeitslosigkeit, der im Vergleich zu Deutschland zu hohen Inflation und einem Reformmangel bei Bildung, Forschung, Umwelt und den Staatsausgaben sehen Wifo und IHS die größten Probleme Österreichs. Die Wettbewerbsfaktoren seien für ein Spitzenland nicht geeignet. Helmut Hofer, wirtschaftspolitischer Sprecher des IHS, hofft auf "mäßige Lohnforderungen" der Arbeitnehmer infolge der Entlastung durch die Steuerreform. Das könnte Österreich wettbewerbsfähiger machen.
Angegangen werden sollten die Lohnnebenkosten, hier müsse man etwas machen, so Hofer. Denn durch die Steuerreform seien sie eigentlich gestiegen - nämlich durch die Erhöhung der Höchstbemessungsgrundlage. Auch deshalb sei die Stimmung bei den Unternehmern so schlecht; dort habe man "eigentlich den Eindruck, dass man nicht entlastet wurde". Das drücke auf die Investitionen. Durch dieses Schlechtreden verschlechtere sich der Standort Österreich womöglich wirklich, warnte Hofer. Aiginger: "Die Steuerreform muss verbunden werden mit einem glaubwürdigen Reformkurs, sonst wird sie sich als wirkungslos erweisen." Es brauche eine langfristige Strategie, es gehe um Ausbildung, Forschung, den Umweltsektor, das Gesundheitswesen, eine bessere Integration von Migranten entsprechend ihrer Qualifikation und Staatsausgaben.