Zum Hauptinhalt springen

Spindeleggers teuerster Haarschnitt

Von Karl Leban

Wirtschaft

Die Verfassungsrichter kippen das Hypo-Gesetz und damit den ersten "Haircut", von dem ein Teil der Gläubiger betroffen war.


Wien. Mit Blick auf das vor einem Jahr beschlossene Hypo-Sondergesetz haben etliche Rechtsexperten von Anfang an von einem Murks gesprochen. Nachdem die betroffenen Gläubiger der Kärntner Problembank gegen das Gesetz, , das auf den früheren Finanzminister Michael Spindelegger zurückgeht, Sturm gelaufen sind, ist nun auch von höchstrichterlicher Stelle bestätigt, dass seine Bestimmungen juristischer Pfusch sind. Laut dem am Dienstag verkündeten Spruch des Verfassungsgerichtshofes ist das sogenannte Hypo-Sanierungsgesetz "verfassungswidrig". Reparaturfrist gibt es keine. Das Gesetz "wird zur Gänze aufgehoben", so der VfGH.

Im Fall der Hypo (nunmehr Heta) kippt das Höchstgericht damit den ersten "Haircut" bei nachrangig gestellten Anleihen im Volumen von 890 Millionen Euro und bei Forderungen der früheren Hypo-Mehrheitsaktionärin BayernLB in Höhe von 800 Millionen Euro. In dem Schuldenschnitt, der die Gläubiger unterschiedlich behandelt hätte, sieht der Verfassungsgerichtshof einen Verstoß gegen das "Grundrecht auf Schutz des Eigentums".

Wesentlich in seinem Erkenntnis ist vor allem auch: Der Gesetzgeber kann Landeshaftungen (im konkreten Fall die von Kärnten) im Nachhinein nicht für wertlos erklären. Ein Haftungsschnitt bei der Gruppe der Nachrang-Gläubigern, also nur bei einem Teil der Gläubiger, ist laut VfGH-Spruch "unverhältnismäßig" und "verfassungswidrig" - zumal die Haftungen für alle anderen Heta-Gläubiger weiter bestehen. Selbst innerhalb der Gruppe der Nachrang-Gläubiger habe das Hypo-Gesetz ungleich behandelt, wie die Verfassungsrichter feststellten. Forderungen, die vor dem Stichtag 30. Juni 2019 fällig werden, galten laut dem Gesetz als erloschen (zu 100 Prozent), danach fällige jedoch nicht. Mit der kompletten Aufhebung des Gesetzes, die das Finanzministerium am Dienstag "zur Kenntnis genommen" hat, ist nun auch diese Ungleichbehandlung beseitigt.

Somit haben sich jene nachrangig gestellten Gläubiger, bei denen ihr gesamter Kapitaleinsatz auf dem Spiel stand, mit ihren Beschwerden durchgesetzt. Geklagt hatten in- und ausländische Investoren aus der Finanzbranche - auf internationaler Seite etwa die Deutsche Bank und eine Tochter der Weltbank, auf österreichischer Seite zum Beispiel die Uniqa-Versicherung und Tochterfirmen der Vienna Insurance Group ("Städtische"). Sie sehen sich mit dem jetzigen VfGH-Urteil in ihrer Rechtsauffassung bestätigt.

In- und ausländischeAnleger wittern Morgenluft

Die Uniqa kündigte am Dienstag an, dass sie auch weiterhin alle Rechtsmittel ausschöpfen werde, um zu ihrem Recht zu kommen. Dies gelte vor allem für das im März von der Finanzmarktaufsicht (FMA) verhängte und bis Ende Mai 2016 befristete Schuldenmoratorium bei der Heta, aber auch "etwaige sonstige Abwicklungsmaßnahmen der FMA - wie etwa einen Schuldenschnitt".

Das Nein des VfGH zum ersten Schuldenschnitt aus 2014 weckt auch bei deutschen Finanzinstituten, die mit Forderungen von insgesamt mehr als sieben Milliarden Euro zu den größten Gläubigern der Hypo-Nachfolgerin Heta zählen, Hoffnung auf mehr. "Die Entscheidung ist ein klares Stoppsignal, das nun auch zum Umdenken beim immer noch fortbestehenden Moratorium anregen sollte", zitiert die Nachrichtenagentur Reuters Liane Buchholz, die Chefin des deutschen Landesbankenverbandes VÖB.

Ähnlich äußerte sich der deutsche Bankenverband BdB, in dem große private Institute wie Deutsche Bank und Commerzbank organisiert sind. Hauptgeschäftsführer Michael Kemmer, einst Chef der Bayerischen Landesbank, erklärte: "Wir haben schon frühzeitig darauf hingewiesen, dass das Hypo-Alpe-Adria-Sondergesetz gegen die EU-Kapitalverkehrsfreiheit und gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz verstößt. Gleiches gilt aus unserer Sicht auch für das Moratorium über die Heta."

VfGH-Präsident Gerhart Holzinger sagte am Dienstag, das Erkenntnis sei "von ganz grundlegender Bedeutung". Es zeige Grenzen auf, die dem österreichischen Gesetzgeber durch die Grundrechte in der Bundesverfassung gesetzt seien. Vor allem wenn es um das Erlöschen privater Forderungen aus einem Darlehensvertrag gehe - und, noch wichtiger: wenn es um Haftungen eines Bundeslandes oder anderer Gebietskörperschaften gehe. Forderungen, die durch solche Haftungen besichert seien, hätten einen besonders hohen Stellenwert, so Holzinger in einer Pressekonferenz. Sie seien mündelsicher, Versicherer dürfen sie für den Deckungsstock verwenden.

Rechtsexperte Funk:"Absehbar, dass es teurer wird"

Der Spruch des VfGH gilt somit als richtungsweisend - nicht nur was die weiteren Pläne der Regierung für die Gläubigerbeteiligung an den Heta-Abbaukosten betrifft, sondern auch die Werthaltigkeit öffentlicher Haftungen. Der Verfassungsrechtler Bernd-Christian Funk sieht nach dem Fall des Hypo-Gesetzes nun höhere Kosten auf den Staat zukommen. "Es ist absehbar, dass es teurer wird", sagte Funk, Professor am Institut für Staats- und Verwaltungsrecht der Uni Wien, im ORF-Radio. Es gehe nun in Richtung eines Totalschadens für die Steuerzahler.

Die Regierungsparteien sehen das nicht so. Für sie sind das Moratorium und der danach geplanten Schuldenschnitt, dessen Ausmaß die FMA im Frühjahr 2016 fixieren wird, durch das Bankenabwicklungs- und Sanierungsgesetz (BaSAG) rechtlich gedeckt. Dem mit 1. Jänner 2015 in Kraft getretenen BaSAG liegt eine entsprechende Richtlinie der EU zugrunde. Die weitere Abwicklung der Heta sehen ÖVP und SPÖ "nicht behindert".

Kärntens Finanzreferentin Gabriele Schaunig reagierte gelassen auf die Aufhebung des Hypo-Gesetzes. Für das Land habe sich "unmittelbar nichts geändert", die Verhandlungsposition gegenüber den potenziellen Haftungsgläubigern sei auch nicht geschwächt worden, meinte sie. Die Forderungen der BayernLB würden durch den Generalvergleich mit der Republik Österreich geregelt. Österreich zahlt an Bayern mindestens 1,23 Milliarden Euro, das sind 45 Prozent der Streitsumme. Im Übrigen gelten diese 45 Prozent auch als Richtschnur für das Ausmaß des geplanten Schuldenschnitts.

Noch ein Detail zu den Nachrang-Gläubigern: Nach dem Urteil des VfGH leben ihre Forderungen zwar wieder auf, ihre Bonds werden jedoch weiter nicht bedient, weil sie nun unter das noch gut neun Monate laufende Moratorium fallen. Aktuell erwachsen der staatlichen Heta daher keine Zahlungspflichten nach dem Spruch des Höchstgerichts.

VfGH-Urteil färbt Heta-Bilanz blutrot

Für die Bilanz der Heta zum ersten Halbjahr 2015 bedeutet das VfGH-Urteil jedoch nichts Gutes. Wie die "Hypo-Bad-Bank" in einer Aussendung mitteilte, werde daraus ein Verlust von rund 800 Millionen Euro resultieren. Inklusive allfälliger Zinseffekte könnte das Minus in Summe zirka 900 Millionen Euro ausmachen.

Mehr zum Thema Hypo im Dossier