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Sonntagsöffnung bringt auch Verlierer

Von Sophia Killinger

Wirtschaft
Diskussion um Öffnungszeiten: Am Sonntag geöffnete Läden sind bisher eine Ausnahme.
© Wiener Zeitung

Würde Händler und Einkaufsstraßen außerhalb benachteiligen - Zusätzliches Umsatzpotenzial auf nur 20 Millionen Euro pro Jahr geschätzt.


Wien. Sonntag für Sonntag dasselbe Bild: Urlauber flanieren über den Graben und drücken sich ihre Nasen an den Schaufenstern platt. "Viele Touristen sind verdutzt, dass die Rollläden unten sind", sagt Oliver Schenk von der Österreichischen Hoteliervereinigung (ÖHV). Zahlreiche kaufkräftige Touristen aus China oder Russland würden ihren Aufenthalt gerne zum Einkaufen nutzen - auch am Sonntag. "Es ist in Weltmetropolen Standard, dass Geschäfte auch sonntags offen haben", sagt Schenk.

Eine Sonntagsöffnung würde vor allem in der Innenstadt "erheblich mehr Umsatz bringen", erwartet Klaus Puza, Geschäftsführer der Handelssparte in der Wirtschaftskammer Wien (WKW). Der 1. Bezirk ist eine von drei Tourismuszonen, die die WKW der Gewerkschaft vorgeschlagen hat - neben der inneren Mariahilfer Straße und dem Bereich rund um Schönbrunn mit der Hietzinger Hauptstraße und dem Hietzinger Platzl. Offen ist laut Puza, ob sonntags alle Geschäfte in diesen Gebieten offenhalten dürfen oder ob - wie derzeit etwa an Bahnhöfen und Flughäfen - nur bestimmte Produkte verkauft werden dürfen.

Heikle Abgrenzung: Mahü "ist keine Tourismuszone"

Aus Sicht eines Standortberaters wäre eine Sonntagsöffnung für Wien nützlich, so Wolfgang Richter von Regioplan. Allerdings sollte diese laut Richter eng auf Tourismuszonen beschränkt werden: "Dazu zählen die Kärntner Straße, der Graben, der Kohlmarkt und die Rotenturmstraße. Die Mariahilfer Straße ist keine Tourismuszone." Andere Einkaufsstraßen wurden benachteiligt werden.

Die Wirtschaftskammer hat als Grundlage für die Abgrenzung eine Studie über die Urlauberströme, die Tourismus-Hot-Spots und Hotelstandorte herangezogen. Laut Wirtschaftskammer Wien beherbergen der 6. und 7. Bezirk um die Mariahilfer Straße drei Top-20-Sehenswürdigkeiten Wiens und gut eine Million Übernachtungen und eignen sich daher "hervorragend" für die Errichtung einer Tourismuszone.

Die Grenzziehung, welche Gebiete als Tourismuszone deklariert werden, sei "heikel", sagt René Tritscher, Geschäftsführer der Bundessparte Handel in der Wirtschaftskammer Österreich: "Da kann es zu Härtefällen kommen."

Die in Wien wahlkämpfende Neos-Politikerin Beate Meinl-Reisinger fordert eine "faire Lösung für den gesamten Standort Wien und keine Bevorzugung einzelner Straßenzüge": Es sei nicht zu argumentieren, wieso Geschäfte am Stephansplatz oder in der Mariahilfer Straße sonntags aufsperren dürfen sollen, während Geschäfte in Ottakring oder Favoriten geschlossen bleiben müssten.

Außerhalb der vorgeschlagenen Tourismuszonen liegen jedenfalls Österreichs größtes Einkaufszentrum, die Shopping City Süd (SCS) in Vösendorf und das Donauzentrum als größtes Wiener Einkaufszentrum. Zwar sei die Nachfrage der Mieter nach einer Sonntagsöffnung "überschaubar", sagt Thomas Heidenhofer, Country Manager vom Konzern Unibail-Rodamco in Österreich, zu dem SCS und Donauzentrum gehören. "Es ist uns jedoch wichtig, dass es keine Wettbewerbsverzerrungen gibt und alle Betreiber die gleichen Rahmenbedingungen vorfinden. Das heißt, es kann nicht sein, dass einzelne Standorte bevorzugt werden."

Mehrumsatz für Wien in Höhe einer Interspar-Filiale

Schenk von der ÖHV sieht Tourismuszonen als ersten Schritt, an eine generelle Sonntagsöffnung im Handel in naher Zukunft glaubt man aber nicht. Nicht einmal die Wirtschaftskammer setzt sich dafür ein, dass Händler selbst entscheiden können, ob sie am Sonntag aufsperren. Laut Tritscher "besteht außerhalb von Wien kein Bedarf für eine generelle Sonntagsöffnung". Das Konzept der Tourismuszonen, die in diversen Urlaubsorten existieren, habe sich als sinnvoll erwiesen.

Eine Sonntagsöffnung würde dem Wiener Handel rund 800 neue Jobs und Mehreinnahmen von rund 140 Millionen Euro bringen, heißt es von ÖHV und Wirtschaftskammer. Standortberater Richter hält diese Umsatzdimension für übertrieben: Er geht von lediglich 15 bis 20 Millionen Euro Mehrumsatz pro Jahr für den Wiener Handel aus - "das entspricht dem Umsatz einer Interspar-Filiale". Basis für seine Schätzung sind die Ausgaben von Touristen für Bekleidung, Schuhe, Schmuck, Wäsche und Lebensmittel, die nicht auf einen anderen Tag verlagerbar sind und dem Handel aufgrund der geschlossenen Sonntage entgehen.

Eine Sonntagsöffnung bringt Händlern nicht automatisch mehr ein. "Das muss jeder Händler für sich und pro Standort beantworten", sagt Tritscher. Wenn sich Einkäufe, die sonst an anderen Tagen getätigt werden würden, auf den Sonntag verlagern, habe der Händler nur höhere Kosten.

Gewerkschaft hat "keine Eile"

Tourismuszonen werden vom Landshauptmann verordnet - in Wien also von Bürgermeister Michael Häupl (SPÖ). Dieser will aber erst die Sonntagsöffnung erlauben, wenn sich die Sozialpartner einig geworden sind.

Puza hofft, dass die Verhandlungen mit der Gewerkschaft im Herbst über die Bühne gehen. Eine Einigung vor der Wien-Wahl am 11. Oktober ist unwahrscheinlich. Einen Gesprächstermin gibt es bisher noch nicht. Die Gewerkschaft bremst: "Wir haben da überhaupt keine Eile. Wir werden den Vorschlag in den nächsten Wochen und Monaten prüfen", sagt Barbara Teiber, Regionalgeschäftsführerin der GPA-djp Wien. Nachsatz: "An unserer Haltung, dass wir in Bezug auf eine Sonntagsöffnung extrem skeptisch sind, hat sich nichts geändert." In einer Urabstimmung unter Wiener Handelsangestellten im Frühjahr haben fast 96 Prozent auf die Frage "Wollen Sie persönlich am Sonntag arbeiten?" mit "Nein" geantwortet.

"Die Arbeitszeiten sind jetzt schon extrem anspruchsvoll", sagt Teiber. Zuletzt haben zahlreiche Lebensmittelhändler ihre Öffnungszeiten auf die erlaubten 72 Stunden pro Woche ausgeweitet und halten nun in diversen Filialen von Montag bis Freitag bis 20 Uhr offen. Die Freiwilligkeit für das Arbeiten am Sonntag gelte oft nur "pro forma", sagt Teiber. Bei vielen Beschäftigten spiele die Angst vor einer Kündigung mit. Teiber: "Wenn man ein paar Mal Nein sagt, wird es schwierig."