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Ungleicher Agrar-Wettbewerb

Von Sophia Killinger

Wirtschaft

Preisverfall durch Billigkonkurrenz und Überangebot setzt Landwirte unter Druck - Milch- und Schweinebauern machen Verlust.


Wien. Die Erzeugerpreise für Milch und Schweinefleisch rasseln seit einigen Monaten in den Keller - österreichische Bauern erhalten derzeit weniger, als sie die Produktion kostet. "Im Schweine- und Milchbereich ist die Situation mehr als prekär. Wenn es so weitergeht, werden tausende Betriebe zusperren müssen", warnt Bauernbund-Präsident Jakob Auer, der ein "Marktversagen" ortet.

Mit durchschnittlich 30 Cent netto je Kilo liegt der Bauernmilchpreis um ein Viertel unter dem Vorjahr, als er mit 40 Cent auf den höchsten Jahreswert seit dem EU-Beitritt stieg. Das Auslaufen der EU-Milchquote Ende März 2015 und das Russland-Embargo sorgen für ein Überangebot, das auf die Preise drückt. Für ein Kilo Schweinefleisch erhalten Landwirte 1,30 Euro, im Vorjahr waren es noch 1,60 Euro.

Die Produktionskosten steigen jedoch und liegen höher als in anderen europäischen Ländern. "Der Wettbewerb ist ungleich. Österreichische Bauern füttern mit gentechnikfreiem Futter, sollen aber am europäischen und am Weltmarkt mit anderen mithalten können. Außerdem gelten in Österreich schärfere Tierschutzvorschriften", so Auer. "Heimische Produktionssparten, die unter höherer Qualität und nach strengeren Auflagen produzieren, kommen unter Druck, weil niemand die Mehrkosten bei der Produktion bezahlen will."

Schweinebauern macht vor allem die Konkurrenz aus Deutschland zu schaffen. "Wir werden vom deutschen Markt völlig überschwemmt", sagt Auer. Während in den Supermarktregalen überwiegend heimische Ware angeboten wird, greifen Gastronomie und Großküchen häufig auf billigere Importware zurück. Die Zahl der Schweinehalter hat sich von 2003 bis 2013 auf 29.507 mehr als halbiert. Der durchschnittliche Schweinebestand pro Betrieb hat sich im selben Zeitraum von 52 auf 103 Tiere fast verdoppelt.

Bauernbund fordert Agrarmarkt-Kontrollstelle

Täglich geben mehr als sechs Landwirte österreichweit ihren Hof auf. Auch wenn der Trend hierzulande in Richtung weniger, aber größerer Betriebe geht, bleiben Österreichs Betriebe klein im Vergleich zu landwirtschaftlichen Schwergewichten in der EU wie Deutschland oder Frankreich. Ein österreichischer Milchbauer hält durchschnittlich 18 Kühe, ein deutscher rund 56 Milchkühe, in Brandenburg sind es sogar 224.

Ein Viertel des Schweinefleisches und ein Fünftel der Milchmenge in der EU entfällt auf Deutschland. Österreich produziert im Vergleich dazu 2,2 Prozent der Milchmenge in der EU, bei Schweinefleisch liegt der Anteil laut Eurostat bei 2,4 Prozent.

Die Bauern sehen "Preisdumping" durch den Handel. Eine große Supermarktkette verkauft Holzfällersteak vom Schwein dieser Tage zum Kilopreis von 3,49 Euro. "Der Handel diktiert den Verarbeitern die Preise nach unten und droht mit Auslistung. Die Verarbeiter diktieren wiederum den Landwirten die Preise. Wir schlucken das nicht mehr auf die Dauer kommentarlos", sagt Auer.

Der Bauernbund fordert daher eine Agrarmarkt-Control, die die Preisbildung von Milch, Fleisch, Getreide und Gemüse transparenter machen soll. Bis Jahresende soll die Stelle nach Vorbild der E-Control als Regulator eingerichtet werden und darstellen, wer wie viel vom Endpreis kassiert.

"Die Bauern stehen unter Druck. Alles, was zur Transparenz beiträgt, ist zu begrüßen", sagt Magdalena Rauscher-Weber, Sprecherin von Landwirtschaftsminister Andrä Rupprechter. Fragt sich nur, wo der Regulator angesiedelt werden sollte - im Landwirtschaftsministerium gibt man sich zurückhaltend, ein Andocken bei der AMA wünscht sich der Bauernbund nicht.

Die Bundeswettbewerbsbehörde könnte ein Monitoring für landwirtschaftliche Produkte, etwa für den Milchmarkt, durchführen, sagt ein Sprecher der Bundeswettbewerbsbehörde. Dazu benötige man aber mehr Ressourcen im Sinne von Personal. Für ein Wettbewerbsmonitoring gibt es eine gesetzliche Grundlage, bis vor einigen Jahren wurde die Entwicklung der Treibstoffpreise beobachtet.

EU-Agrarminister wollen am 7. September Soforthilfe fixieren

Eine verstärkte Marktbeobachtung durch die EU-Milchmarktmonitoringstelle, die 2014 gestartet ist, ist Thema bei einem Sondertreffen der EU-Landwirtschaftsminister am 7. September, heißt es aus dem Landwirtschaftsministerium. Rupprechter setzt sich für eine Unterstützung des Exports in Drittländer ein. Strafen, die Bauern heuer für das Überschreiten der Quote gezahlt haben (in Österreich 45 Millionen Euro), sollen für Absatzförderung am Milchmarkt verwendet werden.

Bei dem Treffen sollen Sofortmaßnahmen zur Hilfe von Bauern beschlossen werden. EU-Agrarkommissar Phil Hogan sagte am Mittwoch, dass Bauern vor allem in den neuen EU-Mitgliedsländern in der Mitte und im Osten Europas geholfen werden solle, insbesondere im Baltikum. Schriftliche Anfragen für Unterstützung gibt es laut einem EU-Experten von Landwirten unter anderem aus Polen, Tschechien, Ungarn, Litauen und Bulgarien.

Diskutiert werde, Direktzahlungen der EU an Landwirte früher auszuzahlen als üblich, also etwa schon Mitte Oktober statt Anfang Dezember, so der Experte. Jährlich fließen rund 56 Milliarden Euro aus dem EU-Budget in die europäische Landwirtschaft und die Nahrungsmittelbranche, so Hogan. Die Wiedereinführung einer Milchquote lehnt der irische Kommissar ab: "Wir stimmen alle überein, die Marktorientierung der gemeinsamen Landwirtschaftspolitik beizubehalten."

Gegen den Preisverfall protestiert haben Bauern in Frankreich, Deutschland, Belgien und Dänemark. In Frankreich, dem zweitgrößten Milch-Erzeugerland in der EU, haben Landwirte als Protest gegen Importware die Grenze zu Deutschland und Spanien mit Traktoren blockiert. Am 3. September wollen französische Bauern mit gut 1000 Traktoren nach Paris fahren. In Deutschland starten Traktor-Kolonnenfahrten, Ziel ist eine Protestkundgebung am
1. September in München.

Durchschnittlich 17.006 Euro öffentliche Förderung je Betrieb

Bei den Einkommen je Arbeitskraft erlebten die Landwirte in Österreich im vergangenen Jahrzehnt eine Berg- und Talfahrt. Im Vorjahr sind die Agrareinkommen der land- und forstwirtschaftlichen Betriebe, die eine Buchhaltung führen, das dritte Mal in Folge zurückgegangen. Das durchschnittliche Einkommen der Betriebe sank um fünf Prozent auf 23.370 Euro. Pro Arbeitskraft am Hof sind das 1350 Euro brutto bei theoretischen 14 Gehältern, ebenfalls ein Minus von fünf Prozent.

Für den Einkommensrückgang sind die schlechte Witterung, die sich etwa auf die Weinernte negativ auswirkte, niedrigere Preise für Getreide, Öl- und Hackfrüchte und Tafeläpfel sowie geringere Erträge aus der Schweinehaltung verantwortlich. Auch der Importstopp Russlands schlug sich nieder. Bergbauern steigerten ihr Einkommen dagegen um drei
Prozent, Biobetriebe um fünf Prozent.

Für die kleinstrukturierte heimische Landwirtschaft schaffen Ausgleichszahlungen über die erste Säule der Gemeinsamen EU-Agrarpolitik (GAP) sowie Förderungen über die zweite Säule der ländlichen Entwicklung Abhilfe. Wie die Landwirtschaftskammer vorab aus dem Grünen Bericht 2015 zitiert, erhielten Betriebe 2014 durchschnittlich 17.006 Euro öffentliche Mittel.