Zum Hauptinhalt springen

Der Fall Meinl - ein Fest für Anwälte

Von Karl Leban

Wirtschaft

Seit dem MEL-Anlegerskandal ist an vielen Fronten ein juristischer Großkampf im Gang.


Wien. Vielen Kleinanlegern fährt auch heute noch der Schreck in die Glieder, wenn sie den Namen Meinl European Land (MEL) hören. Tausende haben im Zuge der Börsenaffäre um die einst von der Meinl Bank gemanagte Immobilienfirma, die mittlerweile Atrium heißt, Geld verloren. Für den Chef des Interessenverbandes für Anleger (IVA), Wilhelm Rasinger, ist es der "größte österreichische Anlegerskandal".

Eine der Folgen der im Spätsommer 2007 aufgeflogenen Affäre war eine Flut von Schadenersatzklagen gegen die Bank von Julius Meinl. Am Höhepunkt dieser Klagswelle - Ende 2010 - gab es in Summe rund 2700 Zivilverfahren, nach einer Reihe von Vergleichen waren zuletzt noch 900 bis 1000 im Laufen.

Intransparente Geldflüssenach Kapitalerhöhungen

Aber auch die Staatsanwaltschaft ist in der Causa MEL aktiv - seit nunmehr acht Jahren. Sie ermittelt in Richtung Untreue und Anlegerbetrug. Konkret geht es in dem Fall um umstrittene Rückkäufe von MEL-Papieren, um intransparente Geldflüsse nach Kapitalerhöhungen, über die bei den Anlegern fast zwei Milliarden Euro eingesammelt wurden. Als die Rückkäufe 2007 ans Licht kamen, fiel der MEL-Kurs an der Wiener Börse ins Bodenlose.

Die Justiz geht von Malversationen aus und vermutet, dass Julius Meinl der Mastermind hinter den Wertpapier-Rückkäufen war. Ein Vorwurf, den der Spross der alten Handelsdynastie und seine Meinl Bank, wo er lange Zeit auch als Vorstandschef fungierte, neben allen anderen bestreitet. Für seinen Abwehrkampf hat Julius Meinl ein Heer teurer Top-Anwälte im Einsatz.

Schlagzeilen machte der Patriarch der steinreichen Meinl-Familie im April 2009, als er kurzzeitig in U-Haft saß. Gegen eine Kaution in der hierzulande noch nie dagewesenen Höhe von 100 Millionen Euro kam Meinl nach zwei Tagen auf freien Fuß. Das Oberlandesgericht Wien reduzierte die Kaution im März 2013 auf zehn Millionen Euro, bestätigte jedoch den dringenden Tatverdacht und die Fluchtgefahr.

Der juristisch hochbrisante Fall Meinl geht jetzt ins neunte Jahr. Bisher gibt es noch keine Anklage, was die eigentlichen Vorwürfe betrifft. In einer anderen Sache, einem Nebenschauplatz der strafrechtlichen Ermittlungen, hat die Staatsanwaltschaft im Dezember 2014 aber bereits Nägel mit Köpfen gemacht. Hier gibt es im Zusammenhang mit der Ausschüttung einer fragwürdigen Sonderdividende durch die Meinl Bank eine Anklage gegen Julius Meinl, die beiden Bankvorstände Peter Weinzierl und Günter Weiß sowie zwei weitere Personen.

Finanzmarktaufsichtberuft Meinl-Bank-Chefs ab

Alle fünf Beschuldigten haben die Anklage jedoch beeinsprucht. Ob es zu einem Strafprozess kommt oder nicht, dürfte noch heuer entschieden werden.

Die Justiz wirft Meinl & Co. Untreue vor. Denn durch die 2009 für das Geschäftsjahr 2008 ausgeschüttete Dividende von 225 Millionen Euro sei bei der Meinl Bank das Eigenkapital sowie der zur Befriedigung von Anlegeransprüchen eingerichtete Haftungsfonds zu stark ausgedünnt worden. Die Bankverantwortlichen haben dem entgegengehalten, dass die Dividendenausschüttung "bilanz- und gesellschaftsrechtlich korrekt" erfolgt sei. Der Haftungstopf der Bank bestehe "nach allen Regeln und innerhalb aller Gesetze und Regulierungen". Allfällige Anlegeransprüche seien mit ausreichenden Rückstellungen gesichert.

Das nächste Ungemach für Julius Meinl und sein Geldhaus kam dann im heurigen Juli in Form eines Bescheids der Finanzmarktaufsicht (FMA), mit dem die Behörde den gesamten Meinl-Bank-Vorstand abberufen hat. Der Bescheid umfasst mehr als 160 Seiten. Die Aufsicht wirft den beiden Vorständen Weinzierl und Weiß grobe Verfehlungen bei der Führung des Instituts vor. Unter anderem wird ihnen ein "ungeeignetes Persönlichkeitsbild" attestiert, im Bescheid ist von einem "bilanziellen Blindlug" die Rede. So seien etwa Wertberichtigungen nicht rechtzeitig erfolgt und Immobilientransaktionen "grob unrichtig verbucht" worden. Im Juni 2014 habe sich herausgestellt, dass die Meinl Bank seit fast einem halben Jahr das gesetzliche Eigenmittelerfordernis nicht erfülle.

Die FMA spricht sogar von einer "existenzbedrohenden Gefahrensituation". Es gebe "wesentliche Zweifel", dass das öffentliche Interesse gewahrt werde, wenn Weinzierl und Weiß die Bank weiter führen. Binnen drei Monaten, also bis Oktober, muss die Meinl Bank nun neue Vorstände gefunden haben. Sonst drohen ihr weitere behördliche Maßnahmen bis hin zum Konzessionsentzug.

Julius Meinl klagtRepublik auf 200 Millionen

Für die Meinl Bank ist die Abberufung ihrer Vorstände "rechtswidrig" und "unverhältnismäßig": "Offenbar soll alles versucht werden, um von der Erfolglosigkeit und Vorverurteilung im nunmehr bereits acht Jahre andauernden MEL-Verfahren abzulenken", ätzt das Wiener Geldinstitut.

Aus der Sicht seiner Anwälte hat der FMA-Bescheid den "Charakter einer parteiischen Schrift". Eine Beschwerde ist im August eingebracht worden, womit nun der Bundesverwaltungsgerichtshof am Wort ist. Aufschiebende Wirkung hat die Beschwerde allerdings nicht.

Dass Julius Meinl entschlossen ist, den Kampf gegen die Behörden juristisch bis zum Letzten auszufechten, zeigt auch eine Klage gegen die Republik Österreich, die er im Juli in den USA einbringen ließ. Geklagt - und zwar beim "International Centre for Settlement of Investment Disputes", einem privaten Schiedsgericht bei der Weltbank in Washington, D.C. - hat die ihm zugerechnete, in den Niederlanden gegründete und auf Malta eingetragene Eigentümerfirma der Meinl Bank, die Beleggingsmaatschappij Far East. Diese beruft sich dabei auf internationalen Investorenschutz und fordert von Österreich "mindestens" 200 Millionen Euro.

Ihre US-Anwälte haben die Klage damit begründet, dass es eine "achtjährige Hexenjagd der Regierung" gegen die Bank gebe. Durch das Vorgehen der Justiz und der FMA sei das Investment der Far East in Österreich, also der Meinl Bank, geschädigt worden. Anwalt Kenneth Reisenfeld sieht vor allem in der Absetzung der Meinl-Bank-Chefs und im Verfahren um die Sonderdividende "Vergeltungsmaßnahmen" - zumal die jüngste Schiedsklage schon im Dezember 2014 angekündigt worden sei.

Finanzprokuratur vertrittÖsterreich in den USA

Das Finanzministerium sieht die Klage gelassen: "Vollkommen unzutreffend" werde behauptet, dass die Meinl Bank und ihre Organe in den österreichischen straf-, abgaben-, zivil- und bankaufsichtsrechtlichen Verfahren diskriminiert würden und ein rechtsstaatliches Verfahren in Österreich nicht gewährleistet sei. Für die Republik hat sich die Finanzprokuratur der Sache in den USA jedenfalls angenommen. Gemeinsam mit einer US-Anwaltskanzlei vertritt sie Österreich in dem Verfahren.

Die Meinl-Klage stützt sich auf ein bilaterales Investitionsschutzabkommen Österreichs mit Malta. Als ein rein inländisches Unternehmen hätte die Meinl Bank keinen Zugang zu privaten Schiedsverfahren, weil dort nur ausländische Konzerne gegen Staaten klagen können.