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Vom Winde VWeht

Von Marina Delcheva

Wirtschaft

VW-Diesel-Gate könnte auch heimische Autozulieferer in die Bredouille bringen. In der Branche kommen Sorgen auf.


Wien. Die Luft in der Volkswagenwelt wird immer dünner. Der Aktienkurs befindet sich seit dem 18. September, dem Tag des Bekanntwerdens des Dieselmanipulationsskandals, im freien Fall (siehe Grafik). Und jetzt rumort es langsam in der österreichischen Autozuliefer-Industrie. Denn der ehemals stabile und zuverlässige Partner made in Germany könnte auch den einen oder anderen heimischen Zulieferbetrieb in die Tiefe reißen.

"Es ist noch zu früh, um die Tragweite einzuschätzen. Aber wenn es so weitergeht, dass die Kunden auch weniger VW-Autos nachfragen, werden wird das als Zulieferer zu spüren bekommen", erklärt ein Sprecher der "Arge Automotive Zulieferindustrie" der Wirtschaftskammer. "Das Problem ist, dass manche Unternehmen sehr VW-lastig sind." Sie also einen guten Teil ihres Umsatzes damit erwirtschaften, VW zu beliefern. Laut dem Wirtschaftssender Bloomberg beliefern 229 Unternehmen die deutsche VW-Gruppe. Einige davon sind aus Österreich. "Wie viele Betriebe und vor allem in welchem Ausmaß von VW abhängig sind, ist schwer zu sagen", so der Arge-Sprecher. Die meisten Firmen sind nicht verpflichtet, den Umfang ihrer Geschäfte mit der VW-Gruppe offenzulegen, und tun das in so heiklen Zeiten ungern.

"Wir machen uns Gedanken"

So viel kann man aber sagen: VW ist ein großer und wichtiger Partner der heimischen Industrie und "wir alle profitieren davon, wenn es den deutschen Herstellern gut geht", sagt der Geschäftsführer eines Autozulieferers, der weder seinen, noch den Namen seiner Firma in der Zeitung lesen möchte. "Aber ja, natürlich macht man sich innerhalb der Branche Gedanken."

Zu den österreichischen Zulieferern von VW gehören etwa der Stahlkonzern Voest Alpine, die oberösterreichische Polytech, Magna und ISI-Automotiv, das Airbags und Kaltgasgeneratoren entwickelt. In den Betrieben versucht man zu beruhigen.

"Jeder macht sich Sorgen, dass etwas passieren kann. Das ist ernst zu nehmen. Aber ich habe Vertrauen in die VW-Gruppe, dass das Thema seriös bearbeitet wird", sagt Dietmar Schäfer, Geschäftsführer von ISI, zur "Wiener Zeitung". Nach eigenen Angaben erwirtschaftet der Betrieb mit rund 500 Angestellten nicht ganz 30 Prozent seines Umsatzes mit VW. Aufträge seien bisher nicht abgesagt worden und man "vertraue darauf", dass das so bleibt.

Polytech erwirtschaftet gar 40 Prozent seines Umsatzes mit dem VW-Konzern, so Bloomberg-Daten. Bei der Voest sollen es rund sechs Prozent sein, was das Unternehmen aber nicht kommentiert. "Wir erwarten keine großen negativen Effekte für den Konzern", sagt Unternehmenssprecher Peter Felsbach auf Nachfrage. Die heimische Zulieferindustrie gehört mit einem Produktionswert von 19,8 Milliarden Euro und einer Wertschöpfung von 5,8 Milliarden zu den leistungsstärksten Industriezweigen. Laut Wirtschaftskammer waren im Vorjahr 71.100 Menschen in Zulieferbetrieben beschäftigt. Wobei es keine Daten gibt, wie viel an Wertschöpfung VW-getrieben ist.

Immense Kosten für VW

Zwei Faktoren könnten der Branche nun zu schaffen machen, erklärt Herwig Schneider vom Industriewissenschaftlichen Institut: die sinkende Nachfrage an VW-Autos und die immensen Kosten, die auf den Konzern zukommen. Laut dem deutschen Neuwagenvermittler MeinAuto.de ist die Nachfrage nach VW-Dieselautos innerhalb kurzer Zeit um 30 Prozent eingebrochen. Weniger Nachfrage bedeutet letzten Endes auch weniger Aufträge. Beim Autohändler Porsche in Österreich sei die Nachfrage zwar nicht merklich eingebrochen, verunsicherte Kunden würden sich aber laufend melden, so ein Sprecher.

Auf den VW-Konzern kommen laut der baden-württenbergischen Landesbank Kosten von bis zu 47 Milliarden Euro zu - bei einem Jahresumsatz von rund 200 Milliarden; 18 Milliarden davon für Strafzahlungen an die US-Umweltbehörde. Allein beim Verein für Konsumenteninformation (VKI) haben sich seit vergangener Woche 6100 österreichische VW-Autobesitzer gemeldet, die von den Abgas-Manipulationen des deutschen Autobauers betroffen sind. "Das wird die größte Sammelaktion, die in Österreich je stattgefunden hat", sagte VKI-Rechtschef Peter Kolba zur APA.

Das heißt, VW muss sparen. Vermutlich auch bei den Aufträgen. "Ich rechne nicht damit, dass die gesamte Industrie den Bach runtergeht", sagt Schneider. Die eine oder andere Delle wird aber wohl unvermeidlich sein.