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Die magische Grenze

Von Reinhard Göweil

Wirtschaft

Arbeitslosenrate könnte bis 2018 auf "knapp zehn Prozent" steigen - Feilschen um Bauoffensive und Wettbewerb.


Wien. Der Budgetvollzug des Jahres 2015 läuft in vorgesehenen Bahnen, die Bruttoeinnahmen des Staates lagen bis Ende August bei knapp 53 Milliarden, das sind 1,6 Milliarden mehr als im Jahr davor. Die Budgetziele 2015 werden also erreicht werden. Das schwache Wachstum allerdings wird die Arbeitslosigkeit bis 2018, so veröffentlichte es gestern das Wirtschaftsforschungsinstitut, auf "knapp zehn Prozent" steigen. Da Österreich höhere Arbeitslosenraten nicht kennt, sind diese zehn Prozent eine "magische Grenze". Und es ist kaum davon auszugehen, dass die Regierungsparteien mit dieser Arbeitslosenrate in den Nationalratswahlkampf ziehen möchten, den es 2018 geben wird, wenn die Periode bis zum Ende hält.

Schulbauten wären möglich

Nun haben die vier Landtagswahlen des Jahres 2015 auch in der Regierung einen Stillstand produziert, der gut am Wohnbaupaket abzulesen ist. Im November 2014 berichtete die "Wiener Zeitung" als Erste, dass dies geplant ist. Bis heute ist es nicht umgesetzt. Denn die Umsetzung gestaltete sich schwieriger als gedacht. Um die geplanten 6,5 Milliarden Euro aufzubringen, die in fünf Jahren 30.000 leistbare Wohnungen sowie 20.000 Bau-Jobs schaffen sollen, braucht es in dieser Konstruktion eine öffentliche Haftung. Und zwar für eine Art Bundes-Wohnbaubank, die dann ihrerseits billiges Geld der Europäischen Investitionsbank anzapfen kann. Nun hat das Finanzministerium mit Bankhaftungen grundsätzlich wenig Freude. Und solange die Zinsen sich nahe null bewegen, haben sie auch einen sehr geringen Effekt. Die Bawag jedenfalls wird daran nicht teilnehmen, Raiffeisen überlegt noch.

Trotzdem wird das Projekt schon sehnsüchtig erwartet, vor allem in Wien. Denn mittlerweile ist klar, dass es dabei nicht nur um Wohnbau gehen wird. Wie im Bausparkassengesetz wird es auch in diesem 6,5-Milliarden-Paket möglich sein, "verwandte" Bauprojekte begünstigt umzusetzen - etwa Schulen und Kindergärten. Und auch daran hat Wien einen enormen Bedarf. Bis 2033 wird die Bundeshauptstadt wegen des Bevölkerungswachstums 560 Volksschulklassen, 300 Hauptschulklassen, 350 AHS-Unterstufenklassen und 180 AHS-Oberstufenklassen zusätzlich benötigen. Das rechnete der Chefvolkswirt der Gemeinde, Klemens Himpele, schon im März aus.

Und die Wohnbautätigkeit könnte auch einen Stimulus vertragen. Heuer werden - so interne Berechnungen von Bauträgern - in Wien nur etwa 3000 Wohnungen fertiggestellt, das ist viel zu wenig. Und sorgt für steigende Mieten. Die von Bürgermeister Häupl ausgerufenen neuen Gemeindebauten sind zwar ein Signal und eine Verbesserung, aber keine Lösung des Wohnraumbedarfs in Wien.

Budgetvorgaben "zu streng"

Für Investitionen würde es also ausreichend Bedarf geben, allerdings setzen die EU-Vorgaben zum Budget enge Grenzen. "In Zeiten wie diesen ein strukturelles Nulldefizit zu halten, ist schwierig genug", ist aus SP-Regierungskreisen zu hören. In der Gewerkschaft werden die Sparvorgaben skeptisch betrachtet, eben weil Maßnahmen zur Ankurbelung der Konjunktur unterbleiben müssen. Da auch die privaten Unternehmen bei den Investitionen überaus zurückhaltend sind, dürfte die österreichische Wirtschaft bis 2020 nur um 1,2 Prozent pro Jahr wachsen, so die Mittelfrist-Prognose des Wifo. Das sei zu wenig, um den Arbeitsmarkt zu entspannen. Und die Zuwanderung bringt zusätzliche Arbeitskräfte, die auf zu wenige neue Arbeitsplätze treffen.

Um der Budgetmisere zu entgehen, will Bundeskanzler Werner Faymann künftig etwa das Wettbewerbs-Thema stärker betrachten. Die Rechnung am Wiener Ballhausplatz: Der zu geringe Wettbewerb führt in Österreich zu höherer Inflation. Sie wird vom Wifo bis 2020 mit durchschnittlich 1,8 Prozent pro Jahr erwartet, Das ist nicht viel, aber deutlich über dem EU-Durchschnitt, der um null pendelt. Funktionierender Wettbewerb im Handel würde die Preise senken, und damit das verfügbare Einkommen der Menschen erhöhen. Dazu würde das Kanzleramt die Bundeswettbewerbsbehörde mit mehr Personal ausstatten, um Marktverstöße schneller ermitteln zu können. Derzeit ist die Behörde, die zum Wirtschaftsministerium ressortiert, also zu Vizekanzler Reinhold Mitterlehner, mit etwa 30 Mitarbeitern ausgestattet. Sie haben zuletzt immerhin Strafen in Höhe von 150 Millionen Euro verhängt.

Diese Maßnahme wäre also ziemlich budgetneutral, ob sie konjunkturbelebend wirkt, trauen sich Wirtschaftsforscher nicht einschränkungslos zu sagen. Um den größten Preistreiber - die Mieten - in den Griff zu bekommen, ist es eben notwendig, mehr Wohnungen zu bauen. Neben den angekündigten Gemeindebauten in Wien sowie der Bau-Offensive sind es vor allem die gemeinnützigen Wohnbaugesellschaften, die dafür verantwortlich sind. Um Bauen billiger zu machen und damit niedrigere Mieten anbieten zu können, könnte auch überlegt werden, die gesetzlichen Standards etwas zu lockern, so Experten. Das wird derzeit aber nicht einmal verhandelt.

Leitungsausbau lahmt

Und im Energiebereich liegt derzeit eine Investitions-Walze von fast zwei Milliarden Euro pro Jahr verzurrt am Boden. Die Energieversorger, allen voran die Verbundgesellschaft, würden diese Mittel für den Leitungsausbau auftreiben - es scheitert aber an den dazu notwendigen Genehmigungen. So braucht es dafür die Zustimmung jeder Gemeinde, durch die solche Leitungen führen. In Deutschland hat sich die Regierung entschlossen, auf Erdkabel zu setzen. Solche in der Erde verlegten Leitungen würden auf weniger Bürger-Widerstand stoßen, so deren Argument. Wenig Freude damit haben die Bauern, die einen Teil ihrer Agrarflächen dafür bereitstellen müssen. Und auch die Energieversorger selbst, denn Erdkabel sind deutlich teurer als über Masten verlegte Überlandleitungen.

Sicher ist sich das Wifo bei einem: Die ab 2016 geltende Steuerreform wird die Realeinkommen erhöhen und damit den privaten Konsum aus seiner ökonomischen Lethargie reißen. Das alleine wäre aber zu wenig, um die magische Grenze der Arbeitslosigkeit bis 2018 zu unterschreiten.