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EU erlaubt Hintertüren bei Roaming-Aus und Netzneutralität

Von Sophia Killinger

Wirtschaft

Roaminggebühren werden mit Juni 2017 großteils abgeschafft. Warnung vor Zwei-Klassen-Internet.


Brüssel/Wien. Das EU-Parlament hat am Dienstag neben dem grundsätzlichen Aus der Roaminggebühren mit 15. Juni 2017 - eineinhalb Jahre später als von der EU-Kommission angepeilt - umstrittene Regeln für Netzneutralität beschlossen. Zwar wird "im offenen Internet jeder Verkehr gleich behandelt", "parallel dazu werden Internetserviceunternehmen weiterhin spezialisierte Services von höherer Qualität anbieten können, wie etwa Internet-Fernsehen und andere innovative Anwendungen, solange diese Dienste nicht auf Kosten der Qualität des offenen Internets gehen", heißt es in dem Papier zum Telekom-Paket, das durch das Parlament gewunken wurde.

Durch das Gebühren-Aus gehen den Mobilfunkern Einnahmen in Millionenhöhe verloren. "Das Roaming-Aus wird uns belasten, das Geld fehlt für Investitionen", so A1-Sprecherin Livia Dandrea-Böhm.

Das Roaming-Ende sei der Netzneutralität geopfert worden, kritisiert der grüne EU-Abgeordnete Michel Reimon. "Riesige Schlupflöcher" bei der Netzneutralität bemängeln die Neos. Kritiker weisen auf eine schwammige Formulierung hin. Zwar dürfe die Qualität der regulären Internetverbindung in Bandbreite und Geschwindigkeit durch diese Spezialdienste nicht leiden, die Spezialdienste dürfen aber als "Pay-for-Priority"-Dienste gegen Bezahlung prioritär durchs Netz geleitet werden. "Auf diese Weise wird eine Überholspur im Internet und somit ein Zwei-Klassen-Internet geschaffen", kritisiert Josef Weidenholzer, Vizepräsident der sozialdemokratischen Fraktion (S&D) im EU-Parlament.

"Unter Spezialdienste fallen keine kommerziellen Dienste wie Netflix (Videodienst, Anm.)", sagt "3"-Sprecher Tom Tesch. Priorisiert können etwa Telemedizin-Dienste, Daten für selbstfahrende Autos oder für die Industrie 4.0 (digitalisierte Fabriken) werden.

Der Erfinder des World Wide Web, Sir Tim Berners-Lee, hatte vor der Abstimmung gewarnt: "Wenn die vorliegenden Regelungen so übernommen werden, dann werden sie die Innovation, die Meinungsfreiheit und Privatsphäre bedrohen." Mehr als 30 Start-ups, Internetfirmen und Investoren aus Europa und den USA hatten sich zudem vor der Abstimmung in einem offenen Brief für eine stärkere Verankerung der Netzneutralität in der EU eingesetzt.

Weiterhin Roaminggebühren für Vieltelefonierer im Ausland

Ausnahmen gibt es auch beim Aus der Roaming-Gebühren ab Juni 2017. Mobiltelefonierer im Ausland zahlen ab diesem Zeitpunkt den gleichen Preis wie im Inland. Haben Kunden einen Tarif mit inkludierten Gesprächsminuten, SMS und Datenvolumen, so werden die im Ausland verbrauchten Volumen ohne Extra-Gebühren abgezogen, heißt es von der EU-Kommission.

Von Vieltelefonierern im Ausland können Mobilfunker auch nach Juni 2017 Gebühren verlangen, die jedenfalls unter den aktuellen Roaminggebühren liegen sollen. Die Obergrenze für faire Nutzung soll die EU-Kommission festlegen. Dieser Passus soll verhindern, dass Handynutzer SIM-Karten in Ländern mit niedrigerem Preisniveau wie Österreich verwenden. Die EU hat in den vergangenen Jahren die Roaminggebühren bereits schrittweise reduziert, die letzte Senkung folgt am 30. April 2016.

Der Großteil der Roaminggebühren entfällt auf Geschäftsreisende, heißt es seitens der Mobilfunker. Konsumentenschützer befürchten durch das Gebühren-Aus Tariferhöhungen.