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Zielpunkt-Konkurs mit Fragezeichen

Von Reinhard Göweil

Wirtschaft

Großteil der Schulden entfällt auf Mietzahlungen an Eigentümer Pfeiffer.


Wien. Der oberösterreichische Handelsunternehmer Georg Pfeiffer hat sich mit Zielpunkt übernommen, das gibt er selber zu. Am Montag erfolgte offiziell der Konkursantrag, der eine Überschuldung von knapp 210 Millionen Euro ausweist (siehe auch Bericht Seite 10).

Unglücklich agierte er vor allem in den vergangenen Wochen. Am 4. November erklärte er noch, wie sehr er an Zielpunkt glaube (siehe Faksimile oben), nun wurde den Zielpunkt-Mitarbeitern noch ein "Weihnachtsgeschenk" zugestellt (wofür sich das Unternehmen allerdings entschuldigte).

Kein Umsatzeinbruch

Die große Frage für Masseverwalter Georg Freimüller lautet allerdings: Ist die Zahlungsunfähigkeit von Zielpunkt tatsächlich erst im November 2015 eingetreten? Pfeiffer erklärte, dass es im Oktober und November dramatische Umsatzrückgänge gegeben habe. Bis dahin sei das Unternehmen sogar besser gelegen als im Fortführungsplan vorgesehen.

Der Umsatz im Geschäftsjahr 2014/15 lag mit 438 Millionen eher gering unter den Annahmen im Fortführungsplan (449 Millionen), allerdings lag auch die Zahl der Zielpunkt-Filialen mit 229 weit unter diesem Plan (247).

Eine rechnerische Überschuldung lag bereits im Geschäftsjahr 2013/14 davor vor. Eine bis Februar 2016 laufende Patronatserklärung Pfeiffers in Höhe von 16 Millionen half. "Wir weisen darauf hin, dass die Annahmen in der Unternehmensfortführungsprognose mit Unsicherheiten behaftet sind (. . .)", schrieb der Bilanzprüfer Ernst & Young bereits im Juli 2014.

Das negative Eigenkapital wurde darin für heuer mit 33,4 Millionen erwartet und hätte sich bis 2016 noch auf 39,2 Millionen Euro erhöht. Trotzdem wurde Zielpunkt damals fortgeführt. Kreditschützer konstatierten am Montag denn auch "mangelnde Bereitschaft der Muttergesellschaft (Pfeiffer, Anmerkung der Redaktion) zur weiteren Betriebsmittelfinanzierung".

Pfeiffers Aussage, wonach es "insolvenzrechtlich nicht mehr möglich gewesen wäre, Geld zuzuschießen", wird von Inolvenz-Spezialisten relativiert. Selbst die nun wertlosen Gutscheine könnten als Marketing-Aktion auf andere Unternehmensteile (etwa Nah & Frisch) übertragen werden.

Geschäftsführer nicht beteiligt

Pfeiffer machte übrigens am Montag der "Wiener Zeitung" gegenüber einen Rückzieher, was die Zukunft der verbleibenden Handelsgruppe betrifft. Am 5. November erklärte er, dass Unimärkte und Nah & Frisch in eine neue Gesellschaft eingebracht werden, an der die beiden Pfeiffer-Geschäftsführer Schönleitner und Böhm beteiligt würden. "Die angedachte Beteiligung von Mag. Böhm und Dr. Schönleitner ist derzeit nachrangig", teilte Pfeiffer nun mit.

Zielpunkt-Masseverwalter Georg Freimüller wird auch die Immobilien-Transaktion von Georg Pfeiffer zu prüfen haben, der im November um kolportierte 38 Millionen Zielpunkt-Immobilien vom bisherigen Eigentümer Tengelmann erwarb. 30 dieser Liegenschaften seien kaum zu verwalten, sagte Georg Pfeiffer. Allerdings vermietet Pfeiffer bereits seit Anfang 2013 an Zielpunkt weiter, da er seit diesem Zeitpunkt den Vertrag mit Tengelmann hatte.

Der Masseverwalter wird sich aber den Zielpunkt-Kauf durch Pfeiffer insgesamt anschauen. Denn ursprünglich kaufte Pfeiffer 24,9 Prozent, die Mehrheit hielt fast ein Jahr lang Pfeiffer-Anwalt Schmidsberger. Der Einzelhandels-Filialist war zu diesem Zeitpunkt im Eigentum einer Investmentgesellschaft, hinter der wohl der frühere Zielpunkt-Geschäftsführer Jan Satek stand.

Da Geschäfte immerhalb einer Familie (auch Unternehmensfamilie) im Insolvenzfall besonders aufmerksam geprüft werden, kommt da auf Freimüller enorme Arbeit zu. Denn Pfeiffer erklärte zwar, dass Zielpunkt sehr kurzfristig als unsanierbar einzuschätzen war, allerdings findet in der Bilanz des Vorjahres folgender Satz: "Um Abweichungen (. . .) in der Fortbestandsprognose rechtzeitig zu identifizieren (. ..) werden laufend Abweichungsanalysen erstellt." Binnen einer Woche draufzukommen, man könne Zielpunkt doch nicht sanieren, wird daher infrage gestellt.

Bekannter Anwalt

Pfeiffers Vertreter in der Sache ist der Welser Anwalt Ernst Chalupsky, der als Schuldnervertreter besonders versiert ist. Er mischte bei etlichen "prominenten" Pleiten mit - etwa bei Atomic, WBB, Actual, Erdoo, Obst Huber.

Auf Gewerkschaftsseite sind nun die rechtlichen Schritte für die mehr als 2700 (zusätzlich 200 in Karenz) Mitarbeiter angelaufen. In Betriebsversammlungen werden die für den Insolvenzentgeltfonds notwendigen Unterschriften eingeholt.

Seit gestern, Montag, gewähren die Banken den Mitarbeitern zinsfreie Kontoüberziehungen, da ja das Novembergehalt nicht mehr ausbezahlt wurde. Damit sollen die Mitarbeiter vor Weihnachten zu Geld kommen. Die Girokonten entfallen - wie WZOnline berichtete - zu ziemlich gleichen Teilen auf Bawag, Bank Austria, Erste und Raiffeisen (inklusive NÖ und Burgenland).

Ohne Rewe, Spar geht es nicht

Auch die Diskussion um die Verwertung der Filialen und einer Rettung möglichst vieler Arbeitsplätze ist bereits im Gang. Wie in der Samstag-Ausgabe berichtet, wird es dabei ohne die beiden eindeutigen Marktführer Rewe (Billa, Merkur, Penny, Adeg, Bipa) und Spar (mit Hervis) nicht gehen. Wie das kartellrechtlich zu lösen ist, soll derzeit geprüft werden, ist inoffiziell zu hören. Georg Pfeiffer ist jedenfalls Eigentümer vieler der betroffenen Liegenschaften. Der Insolvententgeltfonds wird dabei besonders aufpassen, weil der Hauptgläubiger ist.

Die mehr als 70 Lehrlinge von Zielpunkt werden mit großer Sicherheit ihre Ausbildung bei einem Konkurrenten weiterführen und abschließen können.