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Zielpunkt fuhr mit Vollgas in die Pleite

Von Reinhard Göweil

Wirtschaft
Des einen Leid, des anderen Freud‘: Penny (Rewe) lockt Zielpunkt-Gutscheinbesitzer mit Rabatten. Rewe will wohl auch - wie Spar - einen Teil der 229 Filialen übernehmen.
© WZ-Montage

Pfeiffer macht dort schon seit 2012 Immobiliengeschäfte - Konkurs-Zahlen sind umstritten.


Wien. Der überraschende Umsatzeinbruch im Oktober und November, der laut Georg Pfeiffer in der letzten Novemberwoche die Zielpunkt-Pleite auslöste, wird mittlerweile auch von Lieferanten in Frage gestellt. Andere Handelsketten sprachen ja bereits - wie berichtet - von einem normalen Geschäftsverkauf, ähnlich äußerten sich Mitarbeiter des Unternehmens. "Aus heutiger Sicht handelt es sich bei diesen Umsatzrückgängen nicht um ein bloß vorübergehendes Phänomen, sondern vielmehr um eine nachhaltige Entwicklung", heißt es dagegen im Konkursantrag, der von der Welser Anwaltskanzlei Saxinger, Chalupsky & Partner eingebracht wurde.

Neuer Geschäftsführer noch im November

"Zu diesem Zeitpunkt die Reißleine zu ziehen, ist schon ungewöhnlich", sagte ein internationaler Lieferant, der anonym bleiben wollte. Denn die Vorgänge bei Pfeiffer in den Wochen vor dem Konkurs sind nun um eine Ungewöhnlichkeit reicher. Am 16. November gab es bei Zielpunkt noch einen Geschäftsführer-Wechsel. Per Umlaufbeschluss wurde Michael Franek (war erst kurz bei Pfeiffer-Tochter Unimarkt tätig) bestellt. "Ein Aufpasser im Konkursverfahren", konstatieren Anwälte lakonisch. Pfeiffer wusste allerdings am 16. November nach eigenen Worten noch nicht, dass Zielpunkt zahlungsunfähig sei. In diesen Tagen gab es bei Pfeiffer überhaupt hektische Aktivitäten: Anfang November kaufte Pfeiffer von Tengelmann - wie berichtet - 67 Zielpunkt-Liegenschaften.

Zielpunkt-Zentrale kann Pfeiffer nun verwerten

Die Zielpunkt-Zentrale in Wien-Liesing gehört ebenfalls Pfeiffer. Die kann Pfeiffer durch den Konkurs nun selbst verwerten, ohne von der Konkursmasse behelligt zu werden. Es handelt sich dabei - gemäß Konkursantrag - um eine Liegenschaft mit 48.000 Quadratmeter, davon 18.700 unbebaut. Für die Filialstandorte zahlte er kolportierte 38 Millionen Euro. Das sei nur möglich gewesen, weil Pfeiffer ebenfalls Anfang November den einzigen signifikanten Gewinnbringer der Gruppe, die C+C Pfeiffer, an den Schweizer Handelskonzern Coop verkaufte. Schon das löste in der heimischen Lebensmittelbranche Erstaunen aus, denn Coop ist ein Konkurrent jener Markant-Gruppe, zu der Pfeiffer (noch) gehört. Markant ist die "Drehscheibe" zwischen Lieferanten und Händlern bei Unimarkt sowie Nah&Frisch.

Pfeiffer war schon 2013 Mieter von Zielpunkt-Filialen

Es gibt im Markt bereits Gerüchte, dass es einen Wechsel gibt, was die Konditionen für Lieferanten und Händler verändern dürfte. Zurück zu den Immobilien: Pfeiffer stieg offiziell 2012 bei Zielpunkt ein, mit 24,9 Prozent. 75,1 Prozent erwarb wenig später der Anwalt Schmidsberger über eine BOW BeteiligungsgmbH. Der verkaufte Anfang 2014 diese Mehrheit an Pfeiffer. Auch diese Transaktion wird wohl den Masseverwalter beschäftigen, der nun versuchen muss, möglichst viel für die Gläubiger herauszuholen. Denn Schmidsberger ist Partner in jener Anwaltskanzlei um Ernst Chalupsky, die Pfeiffer vertritt und nun den Konkursantrag für Zielpunkt stellte. Schon seit Anfang 2013, zu diesem Zeitpunkt war Schmidsberger Mehrheitseigentümer, ist die Pfeiffer HandelsgmbH. Hauptmieter der nun gekauften Zielpunkt-Filialen und kassiert dafür einen sechsstelligen Betrag monatlich.

Filialen in Oberösterreich bereits 2012 an Unimarkt

Noch im November 2012 wurden die 18 oberösterreichischen Zielpunkt-Filialen an die (Pfeiffer gehörenden) Unimärkte übertragen. Dass die Gewerkschaft daher einen "Masterplan" vermutet, wird angesichts der vielen Immobilien-Transaktionen, die mit der Zielpunkt-Sanierung nichts zu tun haben, verständlicher.

Pfeiffer zahlte nicht nur keine Novembergehälter mehr aus, sondern auch keine (der im Voraus zahlbaren) Mieten für Dezember. Die hätten 1,8 Millionen Euro ausgemacht. Gemäß Konkursantrag hätte es für jene Zielpunkt-Immobilien, die Pfeiffer Anfang November kaufte, einen Kündigungsverzicht bis 2032 gegeben. Dessen hat sich Pfeiffer mit dem Konkurs nun elegant entledigt, er kann die Immobilien verwerten, sobald der Masseverwalter die Filiale schließt. Die Gewerkschaft und den Insolvenzentgeltfonds aber wirklich unruhig machen die 56 Millionen Euro im Konkursantrag für die Mitarbeiteransprüche. Diese Summe wird von Insolvenzexperten bezweifelt, weil sehr hoch. Sie treibt allerdings die Schulden, und untermauern jene Argumentation, wonach Zielpunkt unsanierbar und ein Fass ohne Boden gewesen sei.

Denn 214 Millionen Euro Schulden erscheinen zwar hoch, doch - mit Ausnahme des Fleischverarbeiters Schirnhofer - ist die Zahl der Gläubiger doch überschaubar.

Hauptgläubiger ist der Insolvenzentgeltfonds

Banken sind kaum betroffen, eher ungewöhnlich bei Konkursen. Lieferanten sind - gemäß Konkursantrag - zu 85 Prozent über die Markant Handelsvermittlung abgedeckt. Markant bezahlt die teilnehmenden Lieferanten zu 100 Prozent, selbst wenn ihre Ware im Konkurs steckt. Schirnhofer gehörte - leider - nicht dazu.

Auch die von Pfeiffer direkt gelieferten Waren (vor allem Frischware) ist über Markant abgedeckt. Pfeiffer ist ja in Österreich der größte Markant-Partner - und historisch betrachtet sogar Mitbegründer dieses Systems, das selbständige Kaufleute unterstützt.

Bleiben also Forderungen, die sich aus anderen Gründen ergeben. Die Patronatserklärung über 16 Millionen, die bis Februar 2016 läuft, ist weg. Wie hoch der Kaufpreis für Zielpunkt war, ist nicht bekannt. Da das Unternehmen aber schon damals ein negatives Eigenkapital hatte, wird der eher symbolischen Charakter gehabt haben.

Pfeiffer: "Bereits Gespräche mit Interessenten an Filialen"

Ein sehr großer Teil der Zielpunkt-Schulden entfallen auf die Mietverpflichtungen der Handelskette. Wie hoch der Schaden für Pfeiffer tatsächlich sein wird, kann im Rahmen des Konkurses gar nicht eruiert werden, da Pfeiffer als Eigentümer von Filialen und der Zentrale in Wien-Liesing selbst verwerten kann.

Außer der Masseverwalter macht ihm einen Strich durch die Rechnung, und stellt die Immobiliengeschäfte beim Handelsgericht in Frage. Dann wird es wohl - wie bei solchen Fällen üblich - ein Gutachten geben, ob dies alles seine Richtigkeit hat.

Negatives Eigenkapital war immer vorgesehen

Jedenfalls macht sich Georg Pfeiffer auch nach dem Zielpunkt-Konkurs darüber bereits Gedanken. "Eine langfristige Fortführung des Unternehmens im bisherigen Umfang wird von der Antragstellerin grundsätzlich mangels finanzieller Mittel hierfür nicht angestrebt. Es gibt jedoch bereits Gespräche mit Interessenten zur Fortführung einzelner Filialen", schreiben die Pfeiffer-Anwälte von Saxinger, Chalupsky & Partner im Konkursantrag.

Bleibt also also Großgläubiger der Insolvententgeltfonds, der die offenen Forderungen der 2708 Mitarbeiter der Handelskette zu begleichen hat. Ob dies 56 Millionen sind, wird vom Masseverwalter geprüft. Die offenen Gehälter und Löhne für November und das Weihnachtsgeld machen jedenfalls 9,7 Millionen Euro aus. Wenn also im Dezember die Filialen offen halten, würden weitere fünf Millionen Euro dazukommen. Die allerdings aus der Konkursmasse zu bezahlen wären.

Die plötzliche Überschuldung von Zielpunkt, gemäß Konkursantrag ausgelöst durch eine Evaluierung am 25. November, beschäftigt daher den Gläubiger Insolvenzentgeltfonds ebenfalls. Erstens ist ein Unternehmen wie Zielpunkt mit 229 Filialen nicht an einem Tag zu prüfen. Zweitens sollte Pfeiffer drastische Umsatzrückgänge im Oktober und November früher bemerkt haben, sagen Experten. Die Lager müssten sich mit nicht verkaufter Ware beständig gefüllt haben. Und das negativen Eigenkapital von Zielpunkt weist im Geschäftsjahr 2014/15 eine Abweichung von drei Millionen Euro zum Fortführungsplan aus. Dieses negative Eigenkapital war in diesem Plan freilich bis 2018 vorgesehen.