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Krieg der Nerven

Von Marina Delcheva und Karl Leban

Wirtschaft

Alles oder nichts: Heta-Gläubiger wollen Kärntens Offert nachverhandeln, als Alternative bliebe nur Insolvenz.


Klagenfurt/Wien. Kärnten bleibt dabei: Das Angebot an die Gläubiger der Hypo-Nachfolgerin Heta, ihnen ihre landesgarantierten Anleihen mit einem Abschlag von 25 Prozent abzukaufen, wird nicht nachverhandelt. Dies hat Finanzlandesrätin Gabriele Schaunig am Freitag bekräftigt. Tags zuvor hatte eine große Gruppe von Gläubigern, die Anleihen im Nennwert von mehr als fünf Milliarden Euro hält, das Offert mit Hinweis auf die bestehenden Haftungen Kärntens als unzureichend abgelehnt und Gespräche mit Bund und Land gefordert.

Das Nein zu Nachverhandlungen sei jedenfalls keine taktische Aussage, sagte Schaunig der Austria Presse Agentur. "Wir haben getan, was wir konnten, und sind an die äußerste Grenze gegangen. Der Ball liegt jetzt bei den Gläubigern." Bis 11. März haben die Gläubiger Zeit, sich zu entscheiden. Bei rationaler Betrachtung stünden die Chancen auf die Zwei-Drittel-Mehrheit, die für die Annahme Angebots gesetzlich nötig ist, gut, meinte Schaunig. Ihren Optimismus begründete die SPÖ-Politikerin mit den Worten: "Jede Alternative trägt höhere finanzielle und juristische Risiken (für die Heta-Gläubiger, Anm.)."

Taktische Finessen?

Auch Nationalbank-Chef Ewald Nowotny argumentierte am Freitag ähnlich. Es gehe jetzt um einen Prozess mit vielen taktischen Finessen, sagte der Notenbanker im Klub der Wirtschaftspublizisten. Es hätten auch nicht alle nein gesagt, sondern nur einzelne Gruppen. Er als Ökonom halte das Angebot für fair, so Nowotny. Und er könne sich nur dem Finanzminister anschließen, der erklärt habe, ein rationaler Investor sei sicher gut beraten, das Ablöseangebot - Kärnten will seine existenzbedrohenden Haftungen wegbringen - anzunehmen.

Den Vorwurf der großen Gläubigergruppe, Kärnten habe sich arm gerechnet und könne das Geld für die volle Befriedigung der Haftungsgläubiger problemlos aufbringen, wies Schaunig zurück. "Angesichts des Ratings des Landes und des Schuldenstandes ist das völlig unrealistisch. Schon das Aufbringen der 1,2 Milliarden war nur mit Unterstützung des Bundes möglich." Die Schuldentragfähigkeit des Landes sei von der Investmentbank Lazard analysiert worden, wobei man das Land mit anderen Ländern und Regionen verglichen habe, so Schaunig. Auch Rolf Holub von den Kärntner Grünen glaubt nicht, dass es in Kärnten mehr zu holen gäbe. "Wenn andere glauben, wir haben mehr, können sie gerne vorbeikommen und nachschauen", sagte er zur "Wiener Zeitung".

Zu den Vorteilen für die Gläubiger bei Annahme des Angebots zählt Schaunig nicht nur den Wegfall von Prozessrisiken, sondern auch, dass die Gläubiger das Geld wenige Wochen nach Fristende auf dem Konto haben. Prozesse würden Jahre dauern, und klar sei: "Die 1,2 Milliarden gibt es nur bei Annahme des Angebots, bei einer Insolvenz fällt nicht nur dieses Geld aus der Masse, sondern dann kommen auch die Landesschulden von derzeit 3,35 Milliarden dazu."

Denn dann müssten alle Gläubiger, etwa auch der Bund, aus den verbliebenen Vermögenswerten bedient werden, nicht nur aus jenen der Heta. In dem Fall wäre eine Quote von 75 Prozent, wie sie den Gläubigern von Kärnten jetzt angeboten wird, illusorisch. "Dann würde eine Quote von vier bis fünf Prozent für die Gläubiger herauskommen", sagt Holub.

In den 1,2 Milliarden schweren Kärnten-Anteil, der zunächst vom Bund kommt und in den folgenden Jahren vom Land zurückgezahlt werden soll, sind der Zukunftsfonds - Erlöse aus den Haftungszinsen und dem Hypo-Verkauf an Bayern - sowie Einsparungen beim Budget und diverse Liegenschaften eingerechnet.

Insolvenz-Gespenst geht um

Mit der Ankündigung der Gläubiger, das Rückkaufangebot nicht anzunehmen, schwebt jetzt wieder das Insolvenzgespenst über dem strauchelnden Bundesland. Denn rein rechtlich ist ein Staat nicht verpflichtet, für seine Bundesländer zu haften. Eine Pleite dieses Ausmaßes wäre aber ein Präzedenzfall in der gesamten EU und hätte unberechenbare Folgen für das Bundesland, aber auch für die Reputation Österreichs. Darauf vertrauen auch die Heta-Gläubiger und Kärnten. Außerdem gibt es - anders als bei Gemeinden - kein Insolvenzrecht für ganze Bundesländer.

Ein Weltuntergang wäre das vermutlich aber nicht. Und auch Finanzminister Hans Jörg Schelling weicht beharrlich der Frage aus, ob er Kärnten nun, im Falle des Falles, in die Pleite schicken würde oder nicht. "Es kristallisiert sich immer mehr die Meinung heraus, dass auch auf privatrechtliches Vermögen von Bundesländern die Insolvenz eröffnet werden kann", sagt Verwaltungsjurist Peter Bußjäger von der Universität Innsbruck.

Bei einem Insolvenzrecht für Bundesländer könne man sich am bestehenden Insolvenzrecht für Gemeinden orientieren. Hier entsendet etwa das Land einen Kommissär in die insolvente Gemeinde. Im Fall Kärntens könnte der Bund einen Staatskommissär einsetzen, der wie eine Art Masseverwalter die Abwicklung übernimmt, was einer Entmachtung der Landesregierung gleichkäme. Dass Kärnten dann in Chaos und Armut schlittert, muss aber bezweifelt werden. Die Staatsfunktionen dürfen laut Verfassung auch bei einer Insolvenz nicht beeinträchtigt werden. "Schulen und Spitäler werden also sicher nicht geschlossen", so Bußjäger.

Vielmehr könnte dann ein Insolvenzgericht festlegen, welche Vermögenswerte überhaupt für das Ausbezahlen der Gläubiger in Frage kommen. Eine Insolvenz ist jedenfalls für Bund, Land und für die Anleger derzeit das Worst-Case-Szenario. Für den Steuerzahler wäre es aber das billigste Worst-Case-Szenario, denn damit würden auch alle Forderungen der Gläubiger erlöschen. Ob also Kärnten pleitegeht, wenn die Heta-Gläubiger weiterhin auf ihre gesamtes Geld pochen, hängt auch davon ab, ob der Finanzminister die Nerven hat, das erste Bundesland in der EU pleitegehen zu lassen.