Zum Hauptinhalt springen

Digitale Strategie für Österreich

Von Marina Delcheva

Wirtschaft

Regierung stellt digitale Strategie für Innovationsstandort vor. Zunehmende Digitalisierung bringt eine Reihe von Chancen und Herausforderungen.


Wien. Kleine Roboter schwirren durch die etwa 500 Quadratmeter große Betriebshalle. In einer Ecke druckt ein 3D-Drucker kleine Ersatzteile aus Hartplastik. Die einzigen Arbeiter aus Fleisch und Blut sind hier Forscher und Wissenschaftler, die Codes in die Produktionscomputer tippen und über Tablets die Betriebsanlagen bedienen.

So soll sie aussehen, die Arbeitswelt der nicht mehr allzu fernen Zukunft. Im August vergangenen Jahres hat die erste Pilotfabrik Industrie 4.0 Österreichs in Wien Aspern eröffnet. Entwickelt wurde das Prestigeprojekt auf Initiative des Infrastrukturministeriums und der Stadt Wien von der Technischen Universität Wien. Auch 20 Industrieunternehmen - darunter Bosch, SAP und Siemens - beteiligen sich daran. Das Ziel: Die Unternehmen sollen sich auf die Zukunft der Industrieproduktion einstellen; auf durchgängige Digitalisierung und Vernetzung von Werkzeugmaschinen, Robotern und Produkten über das Internet. Drei weitere Pilotfabriken sind geplant und sollen Österreich, so hofft man, einen Standortvorteil verschaffen.

Mitten im Wandel

"Die Digitalisierung wird passieren. Es muss uns gelingen, den digitalen Wandel als Chance zu nutzen und proaktiv zu gestalten", sagt Isabella Meran-Waldstein von der Industriellenvereinigung. Der digitale Wandel bringe einen großen Umbruch für den produzierenden Sektor, in dem in Österreich aktuell 2,5 Millionen Menschen beschäftigt sind.

Der Wirtschaftsprüfer Pricewaterhouse Coopers rechnet mir einer Effizienzsteigerung von 3,7 Prozent und einer Kostenreduktion von 2,6 Prozent für heimische Betriebe im Zuge der Digitalisierung. "Durch die Digitalisierung werden sich die Tätigkeitsprofile ändern", sagt Meran-Waldstein. Gefragt seien vor allem Fähigkeiten im technischen und naturwissenschaftlichen Bereich.

Und dieser Wandel bringt neben einer Reihe von Chancen auch Risiken mit sich. Die angesprochenen - Effizienzsteigerung und Kostensenkung - bedeuten auch weniger Jobs. Durch die zunehmende Automatisierung und den Einsatz von Robotern werden vor allem niedrig qualifizierte Arbeitsplätze ersetzt.

Mittlerweile haben 47 Prozent der Arbeitslosen höchstens einen Pflichtschulabschluss. Das stellt die Gesellschaft vor enorme Herausforderungen. "Wir brauchen natürlich auch neue Möglichkeiten für niedrig Qualifizierte", sagt auch Harald Mahrer, Staatssekretär im Wirtschaftsministerium (ÖVP), in diesem Zusammenhang.

Digitale Strategie

Die Digitalisierung hat auch ein Teil der Bundesregierung zur Überlebensfrage für Österreich gemacht. Am Donnerstag haben Mahrer und Sonja Steßl (SPÖ), Staatssekräterin für Digitales im Bundeskanzleramt, die "Digital Roadmap" für Österreich vorgestellt. Das Diskussionspapier soll Österreich wieder zu "einem Top-Standort" machen, so beide. Bis März sind Interessierte eingeladen, online Vorschläge abzugeben und sich öffentlich an der Diskussion rund um Österreichs digitale Zukunft zu beteiligen und das Papier zu ergänzen. Beteiligen sollen sich daran auch sämtliche Ministerien, die unter der Federführung von Steßl und Mahrer anschließend Maßnahmen für alle Lebensbereiche entwickeln sollen.

Herauskommen soll dann ein umfassender Fahrplan, der "Österreich wieder zum Innovationsführer macht", so Mahrer. Tatsächlich ist das Land in den vergangenen Jahren in den Innovationsrankings zurückgefallen. Im europäischen Innovation Score Board ist Österreich vom ehemals sechsten auf den zehnten Platz abgerutscht. Rund ein Drittel des heimischen Wachstums wird in Zusammenhang mit der Digitalisierung generiert. Die EU ortet zudem bis 2020 ein Wachstumspotenzial von 420 Milliarden Euro in diesem Bereich.

Österreich solle ein möglichst großes Stück davon abbekommen. "Ich will das Feld nicht einer digitalisierten Elite überlassen", so Steßl. Sie fordert Änderungen vor allem im Bildungsbereich. Neben Lesen, Schreiben und Rechnen sollen Schüler möglichst früh auch digitale Kompetenzen erwerben. Der Umgang mit Daten und technischem Know-how sollen im Lehrplan verankert werden und auch in der Mitarbeiter- und Arbeitslosenweiterbildung Einzug finden, heißt es vage im Diskussionspapier.

Unter den Schlagworten Wirtschaft und Unternehmen wird etwa eine bessere Finanzierung für Unternehmen gefordert, mehr Investitionen im Bereich Forschung und Entwicklung sowie bürokratische Erleichterungen. Mahrer fordert etwa steuerliche Erleichterungen für Unternehmen und eine "Umschichtung des Budgets" in Richtung mehr Innovationsinvestitionen.

Vor allem Letzteres dürfte in Zeiten von Rekordarbeitslosigkeit - derzeit sind fast eine halbe Million Menschen auf Jobsuche - aber besonders schwierig werden. Denn mit den steigenden Arbeitslosenzahlen steigen auch die Ausgaben für Arbeitsmarktmaßnahmen. "Wir dürfen uns nichts vormachen. Wir brauchen ein Wirtschaftswachstum", sagte Steßl. Ein bestimmtes Budget ist im Rahmen der Strategie vorerst nicht geplant. Vielmehr wolle man "Rahmenbedingungen schaffen" und damit Investitionen fördern.