Wien. Trotz niedriger Ölpreise und eines weiterhin schwachen Wachstums in der Eurozone war 2015 ein gutes Jahr für die heimische Außenwirtschaft. Österreichische Betriebe haben Waren und Dienstleistungen im Wert von über 184 Milliarden Euro exportiert - so viel wie nie zuvor. Die Exporte legten mit drei Prozent stärker zu als die Importe, so die vorläufigen Zahlen der Wirtschaftskammer (WKO). Damit verzeichnet Österreich einen Außenhandelsüberschuss von elf Milliarden Euro.
Rechnet man die Dienstleistungen heraus, so hat Österreich Waren im Wert von 131,4 Milliarden Euro importiert und um 132,6 Milliarden exportiert. Das Handelsbilanzminus schrumpfte dabei auf 1,2 Milliarden gegenüber 1,74 im Jahr davor.
Österreich erwirtschaftet damit sechs von zehn Euro im Ausland. 80 der heimischen Erzeugnisse gehen in die EU. Der wichtigste Exportmarkt ist nach wie vor Deutschland. Dorthin ging ein Drittel der heimischen Erzeugnisse. Die positive Entwicklung ist aber vorrangig dem wachsenden Handel mit den USA, Mexiko sowie Tschechien und Polen geschuldet. Die Exporte nach Mexiko stiegen um über 28 Prozent, jene in die USA um 16,6 Prozent. Auch Polen und Tschechien gehören zu den Top-10-Exportpartnern Österreichs.
Sorgenkinder Türkei
Das Handelsjahr fiel allerdings nicht in allen Märkten so gut aus. Der niedrige Ölpreis, die Sanktionen gegen Russland und die anhaltenden Konflikte in Nordafrika und dem Nahen Osten machen sich auch in der heimischen Außenhandels-Bilanz bemerkbar. Die Exporte nach Russland sind um ganze 40 Prozent eingebrochen. Die Exporte nach Frankreich sind um elf Prozent zurückgegangen, jene nach Brasilien um 7,3. Auch die Lieferungen nach China sind ob des zuletzt schwächeren Wachstums ebenfalls um 0,9 Prozent leicht rückläufig.
Als Sorgenkind sieht Wirtschaftskammerpräsident Christoph Leitl die Türkei und den Nahen Osten. "Heute würde ich die Türkei nicht mehr als das China vor unserer Haustür bezeichnen", sagte er am Montag vor Journalisten. Zwar sind die Exporte dorthin 2015 gestiegen, der Bürgerkrieg in Syrien und Konflikte innerhalb der eigenen Landesgrenzen machen dem Land aber deutlich zu schaffen. Die Investitionen in diese Region stagnieren, erste Investoren würden sich gar zurückziehen, erklärte Leitl.
Dafür schielt die heimische Exportwirtschaft immer stärker in Richtung Indien und Südostasien. "Die Musik spielt im fernen Osten und im fernen Westen", sagte Außenwirtschaftsleiter Walter Koren. Im Rahmen von Startup-Initiativen etwa soll heimischen Jungunternehmern und kleineren Betrieben der Zugang zu diesen Märkten erleichtert werden, erklärte Koren und verwies auf das enorme Wachstumspotenzial dieser Märkte. Erst vergangene Woche besuchte Leitl zusammen mit Außenminister Sebastian Kurz Indien. Vor allem im Bereich Umwelttechnologien und Gesundheitsindustrie habe Österreich, so Leitl, sehr gute Chancen auf dem Weltmarkt.
Schwächelnde Euro-Zone
"Eine starke EU-Integration ist unumgänglich, wenn Europa nicht von der Bildfläche verschwinden will", sagte Leitl in Zusammenhang mit der andauernden Flüchtlingskrise und den Grenzschließungen. Die Obergrenze/Richtwert für Flüchtlinge bezeichnete Leitl als "Handbremse" und "Signal" der Regierung an andere EU-Länder. Und auch sonst mangelt es innerhalb der EU nicht an Herausforderungen.
Einer Umfrage des Markit-Instituts unter 5000 Industriebetrieben und Dienstleistern zufolge wuchs die Wirtschaft im Euroraum im Februar so schwach wie seit einem Jahr nicht mehr. "Frankreich tritt auf der Stelle, Deutschlands Wirtschaft leidet unter der schwachen weltweiten Nachfrage nach Industrieerzeugnissen", sagte Markit-Chefvolkswirt Chris Williamson. "Und die übrigen Länder der Eurozone verzeichnen aktuell das niedrigste Wirtschaftswachstum seit Anfang letzten Jahres." Für Österreich erwartet das Wifo heuer ein höheres Wachstum von 1,4 Prozent. Das liegt allerdings noch immer unter dem Durchschnitt in der Eurozone. Angesichts der Turbulenzen in den Kernmärkten Österreichs suchen heimische Betriebe nun verstärkt nach neuen Absatzmöglichkeiten. Und dazu gehört auch Kuba, das sich nach der Aufhebung des Handelsembargos langsam öffnet. Kommende Woche wird Bundespräsident Heinz Fischer dem Land seinen letzten Auslandsbesuch als Bundespräsident abstatten. Mit dabei sind auch Vertreter der WKO und eine Reihe heimischer Industrie- und Tourismusbetriebe. "Der Wandel passiert langsam, und wir wollen auch daran teilhaben", sagte Außenhandelsleiter Koren.
Interesse an Kuba gebe es vor allem seitens der produzierenden Industrie, etwa in den Bereichen Maschinenbau und Umwelttechnologie. Die Karibik-Insel sei auch für den Tourismus interessant.